Liebe Fernsehwerbespots,
Nein, keine Sorge - ich will jetzt nichts über Eure Inhalte schreiben oder sagen, dass ihr früher besser wart. Darum geht es nicht. Was in diesen Tagen von Interesse ist: Dass ihr leiser werden sollt. Zunächst jedenfalls bei den Öffentlich-Rechtlichen. Die ARD hat jüngst ihre Pläne bekannt gegeben, Euren Ton ab Januar 2012 in seiner durchschnittlichen Grundfrequenz um einige Dezibel leiser werden zu lassen. Auch das ZDF will diesem Beispiel wohl im Laufe des kommenden Jahres folgen.
Wenn man böse wäre, könnte man natürlich an dieser Stelle anmerken, dass die Verantwortlichen der beiden Sendeanstalten anscheinend besser hören als ihre Zuschauer - zumindest, solange diese ihre Hörgeräte nicht eingesetzt oder angestellt haben. Da man aber nicht böse ist und das Vorurteil der überwiegend gesetzteren Stammzuseherschaft natürlich längst nicht in allen Bereichen gilt, merkt man dies jedoch selbstredend nicht an, sondern blickt auf den eigentlichen Grund. Denn der geht in die entgegengesetzte Richtung: Viele "Öffis"-Zuschauer müssen wohl zu gute Ohren (oder eben Hörgeräte) haben, denn sie sind es, die sich über Eure Lautstärke erschrocken geben, wenn ihr innerhalb der vorabendlichen Werbeblöcke Eure kleinen Auftritte habt. Prompt gingen also einige Beschwerde-Zuschriften wohl vor allem an die ARD, man solle Euch doch gefälligst etwas leiser einstellen.
Komisch, dass sowas erst jetzt bemerkt und bemängelt wurde. Eure Lautstärken fingen doch schon vor Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten an, immer weiter zu steigen im Zuge der zunehmenden Kommerzialisierung und dessen Professionalisierung durch moderne Techniken und Taktiken. Außerdem ist ja oft Euer Inhalt viel schlimmer als Eure Lautstärke. Doch darüber wollte ich Euch ja, wie gesagt, nichts schreiben. Und man kann ja auch gegen beides etwas tun: Den Ton am Fernsehgerät leiser stellen oder aus-, bzw. umschalten. Vielleicht haben ein paar ausgefuchste Zuschauer aber auch einfach nur die noch relativ junge Empfehlung der Europäischen Rundfunkstation EBU spitz gekriegt und zum Anlass genommen, ihre überflüssige Zeit damit tot zu schlagen, Beschwerden vor allem in diesem Zuge zu verfassen. Das würde dann aber wieder für die überwiegend älteren Semester gelten. Und auch die wollte ich hier nun nicht mehr erwähnen. Obwohl: Vielleicht sind die Hörgeräte auch einfach deutlich besser geworden in den letzten Jahren und haben die eigentlich recht leisen und scheinbar bei Nacht gedrehten "Granu Fink"-Versionen von Euch in den Ohren der TV-Nutzer lauter klingen lassen, aber lassen wir das lieber!
Noch extremer ist Eure Lautstärke ja bekanntlich bei den Privaten. Dort gibt man sich aber zunächst noch zurückhaltend und will erstmal die Umstellung bei den Öffis abwarten, bevor man eventuell auch an Euch rumdreht. Sagte jedenfalls ein RTL-Sprecher. Und da ist man ja sehr hellhörig.
Was soll dann aber aus Euch werden, wenn ihr in Zukunft leiser seid? Zahlen die Werbekunden dann auch weniger? Kann man Euch dann noch vom normalen Programm unterscheiden, an dessen Dezibelwerte ihr und auch die Programmtrailer ja zumindest in der ARD angepasst werden sollt, um Euch harmonisch einzupassen? Nun, Letzteres liegt wohl am Programm selber. Wenn Thommy in seiner neuen Vorabendshow lauter spricht, als ihr eingestellt seid, könnte man «Gottschalk live» am Ende auch noch für Werbung halten. Dann kommen wieder Beschwerden von den Zuschauern, wie lang die Reklame denn geworden sei. Vor allem, wenn die EBU kurz zuvor eine Empfehlung zur Werbeblocklänge herausgibt und auch die Brillen der Zuschauer an optischer Qualität gewinnen.
Aufgrund der angestrebten Tonharmonie wäre es also jedenfalls kein Wunder, wenn das Werbelied der ARD ab 2012 "I Walk the Line" von Johnny Cash werden sollte. Natürlich nur in mittlerer Tonlage.
Ich wünsche Euch eine ruhige Zeit, liebe Werbespots, hoffe aber, dass ihr bei der ganzen Ruhe nicht einschlaft. Generell wissen wir ja aber alle dank Heinz Rühmann: Die leisen Töne machen die Musik! Insofern sieht Eure Zukunft ja also doch ganz gut aus...
In diesem Sinne,
Euer Gregor Elsbeck