Die Kritiker: «Das dunkle Nest»

Story
Jesuitenpriester Dr. Gabriel Reinberg hat in einem kleinen Dorf eine neue Stelle als Pfarrer angetreten. Doch den ehemaligen Gefängnisseelsorger belasten Geschehnisse aus der Vergangenheit: Aufgrund seines positiven Gutachtens ist ein Sexualstraftäter auf freien Fuß gekommen und hat ein Mädchen ermordet.

Als jetzt in Reinbergs Dorf die 12-jährige Enkelin des einflussreichen Sägewerksbesitzers Pfänder tot aufgefunden wird, wenden sich die Einwohner geschlossen gegen den neuen Pfarrer. Ein ungeheuerlicher Verdacht steht im Raum, denn das Mädchen war Ministrantin und hatte eine besonders enge Beziehung zu Reinberg.

Einzig die ermittelnde Kommissarin Esther Fromm, die Reinberg aus seiner Zeit als Gefängnisseelsorger kennt, glaubt nicht an die Schuld des Priesters - ganz im Gegensatz zu ihrem Kollegen Peter Etzer. Als die Beweislage immer diffuser wird, soll ein DANN-Test aller männlichen Dorfbewohner die Wahrheit ans Licht bringen. Das Ergebnis bringt den Pfarrer noch in viel schlimmere Erklärungsnot.

Darsteller
Christian Berkel («Inglorious Basterds») als Pfarrer Dr. Gabriel Reinberg
Katharina Müller-Elmau («Föhnlage. Ein Alpenkrimi») als Kommissarin Esther Fromm
Petra Schmidt-Schaller («Almanya – Willkommen in Deutschland») als Maria Gerblich
Peter Lerchbaumer («Der Mann auf der Brücke») als Pfänder
Johann von Bülow («Um Himmels Willen») als Mario Gerblich
Chiara Feldberger als Lydia Gerblich
Andreas Schmidt («Die Fälscher») als Peter Etzer

Kritik
Ein aktuelles und kontroverses Thema wie die entsetzlichen Kindesmissbrauchszustände und Pädophilen-Ringe in der katholischen Kirche aufzugreifen, ist mutig. Das Unterfangen kann aber nur gelingen, wenn man sich der Materie differenziert nähert und auch vor einer Anklage gegen die Machenschaften dieser Institution nicht zurückschreckt. Dazu bedarf es einer radikalen Dramaturgie und dem Willen dazu, auch die Gefahr, anzuecken, in Kauf zu nehmen.

«Das dunkle Nest» geht diesen Weg aber nicht zu Ende, durchdenkt seine pro- und contraklerikalen Thesen nicht bis zum Schluss. Denn die Anklage gegen diese menschenverachtenden Zustände, gegen die Kombination aus Kinderschändung und systematischer Vertuschung innerhalb der katholischen Kirche wird zu lasch, in Teilen fast schon dilettantisch geführt. Das Drehbuch von Andreas Dirr (Regisseurin Christine Hartmann und Producerin Gabriela Sperl teilen sich ferner einen Credit für die „Drehbuchbearbeitung“) belässt es bei sehr groben Linien und auch die Diskussion um Schuld, Sühne und die Möglichkeiten einer Vergebung wird lediglich angerissen. „Wir machen alle Fehler. Nicht nur Priester“, heißt es hier. Nur, dass hinter dem Priester – anders als bei vielen anderen – eine mächtige Organisation im Rücken steht, die alles dafür tut, um Skandale unter den Teppich zu kehren. Koste es, was es wolle. Auf diesen kleinen aber feinen Unterschied wird hier nicht eingegangen.

Im Vordergrund von «Das dunkle Nest» steht das Krimi-Element dieses Stoffes, die Suche nach dem Mörder in dem erstickenden, archaischen und von inzestuösen Beziehungen nicht ganz freien dörflichen Umfeld. Diese dadurch erfolgende starke Personalisierung erlaubt zwar eine stärkere Bindung des Zuschauers an Plot und Figuren (nicht zuletzt wegen des hervorragend filigranen Spiels von Hauptdarsteller Christian Berkel), führt aber gleichzeitig dazu, dass man Abstriche bei der Darstellung der gesamten Tragweite des Themas machen muss, die in dieser Form nicht stattfinden kann. Ob dafür überhaupt der Krimi letztendlich das geeignetste Genre ist, ist fraglich.

Am Schluss erteilt dieser Film niemandem eine Absolution. Den Mut der Macher zu einem solchen Projekt, das ein derart kontroverses sowie schwer verdauliches Element als Grundlage hat, muss man anerkennen – die vielen Kompromisse, die sie dabei aber eingegangen sind, eher nicht.

Das ZDF strahlt «Das dunkle Nest» am Montag, den 28. November 2011, um 20.15 Uhr aus.
27.11.2011 10:00 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/53459