Lieber Richard Glover,
Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Weltrekord! Sie haben es als erster Journalist durchgezogen, einen Gast 24 Stunden lang zu interviewen. In einer Sonderausgabe Ihrer Radio-Talkshow «Drive» des australischen, staatlichen Rundfunks ABC stellten Sie dem Autor und ehemaligen Rugby-Star Peter Fitz-Simons einen ganzen Tag mit nur kurzen Pausen Fragen rund um Gott und die Welt. Am Sonntag um 10 Uhr ging es los und am Montag um 10 Uhr endete das Mammutgespräch mit dem Eintrag ins "Guinness-Buch der Rekorde". Respekt!
Wenn man Sie nun fragen würde, ob so etwas auch im Fernsehen möglich wäre, würden Sie wohl nur verächtlich lächeln. Es ist nun mal für einen TV-Sender nicht drin, einfach die regulären Sendungen eines Programmtages zu kippen und womöglich auf viel Werbung verzichten zu müssen, nur um so einen Rekordversuch zu begehen. Dieser käme dann eventuell auch noch quotenmäßig über weite Strecken nicht auf Trapez und das finanzielle Desaster wäre perfekt. Ein solcher Tiefgang in zeitlichem Großumfang ist eben nur im Radio möglich. Schade eigentlich. Um diesen Vorteil wissen Sie aber auf jeden Fall und deshalb präsentieren Sie ja nun auch schon seit fast 16 Jahren Ihren «Drive» mit Erfolg.
Und würde man Ihnen noch eine zweite Frage stellen, nämlich jene, ob so ein Rekordversuch auch in Deutschland im Bereich des Möglichen liegen könnte, würden Sie wohl sogar so richtig auflachen müssen. Hier bei uns in "Old Germany" sind die Strukturen eben zu festgefahren und streng, als dass man im Radio oder Fernsehen so etwas machen könnte. Zwar gab es mal bei 9Live einen Moderationsmarathon, doch der brachte dem Sender durch Call-In rund um die Uhr sogar mehr Profit als sonst und hatte natürlich nichts mit Journalismus und Tiefgang zu tun. Außerdem scheint es hierzulande zu viele gesättigte Fragensteller und auch viel zu viele Talkshows zu geben, sodass sich selbst für einen rekordwilligen Moderatoren gar kein Gesprächsgast mehr finden würde, mit dem er so lange sprechen könnte. Der Grund: Vermutlich hatte er jeden in Frage kommenden Gast schon unzählige Male eingeladen und zu Unzähligem bereits befragt. Einen solchen Mut und solche experimentellen Voraussetzungen finden sich eben nur noch in den Medien der neueren Welt. Schade eigentlich. Um diesen Nachteil wissen unsere journalistischen Gesichter aber auf jeden Fall und deshalb haben sie so etwas ja auch bisher im Gegensatz zu Ihnen noch nie probiert.
Damit schließt sich der Kreis und dieser mit Parallelismen gespickte Brief. Es steht zum Schluss fest, dass Sie also im dreifachen Wortsinne den "Drive" haben; nämlich in Sachen Durchhaltevermögen, Sendungsnamen und Umgebungsverhältnissen. Das können nur ganz wenige Medienmenschen von sich behaupten. Respekt!
Ihr
Gregor Elsbeck