Rach: 'Ich weiß, dass viele Situationen so einfach nicht stattfinden'

Christian Rach kehrt im neuen Jahr mit neuen Staffeln seiner erfolgreichen Doku-Soaps «Rachs Restaurantschule» und «Rach, der Restauranttester» auf den TV-Bildschirm zurück. Mit dem Medienmagazin Quotenmeter.de spricht Rach exklusiv über die RTL-Dreharbeiten in der angeblichen Sat.1-Kantine sowie das Geheimnis seines Doku Soap-Erfolgs und die persönlichen Highlights des vergangenen Jahres 2011.

Christian Rach, an welchen Projekten arbeiten Sie aktuell?
Ich bin in diesen Tagen gerade fertig geworden mit den Dreharbeiten von «Rach, der Restauranttester». Am 2. Januar 2012 startet die neue Staffel mit acht Folgen, also wieder montags zur gewohnten Sendezeit ab 21.15 bei RTL. Gleichzeitig beginnen wir ab Mitte Januar in Berlin mit den Dreharbeiten zu «Rachs Restaurantschule», gesendet wird diese dann ab 16. April 2012.

Aus der erfolgreichen ersten Staffel von „Rachs Restaurantschule“ entstand das Restaurant „Slowman“ in Hamburg. Wie sehr kümmern Sie sich noch heute um dieses Projekt?
Ich bin da nach wie vor Spiritus Rector. Ich kann da natürlich nicht jeden Tag die Schnitzel selber machen - das ist auch nicht das Konzept. Das Konzept ist auf großer Basis Erfolg zu haben und das dann wiederum in den Betrieb zu investieren. Denn wir setzten auch weiterhin auf Ausbildungsplätze für schwer vermittelbare Jugendliche, denen wir eine neue Chance bieten.

Das heißt, Sie sind hinter den Kulissen weiterhin Berater oder sogar Inhaber?
Nein, ich bin kein Inhaber, sondern bin Gesellschafter, damit das auch alles Hand und Fuß hat. Ich bin natürlich aus Zeitgründen nicht mehr im aktiven Tagesgeschäft, aber ich kenne alle Jugendlichen und natürlich die anderen Mitarbeiter. Daher kümmere ich mich weiterhin als Berater um den Betrieb.

An dieser Stelle nochmal ein Lob an Sie, dass Sie sich auch nach Drehschluss um Ihre Projekte weiterhin kümmern und sich so engagieren…
Das ist ein großes Anliegen von mir. Deswegen gehen wir nun auch in das Zentrum der Macht: Wir wollen zeigen, dass es auch anders geht. Wir alle reden ja immer viel um die Dinge herum. Wir sehen, dass in der Euro-Krise die Piratenpartei Erfolg hat, weil eben die Menschen Sehnsucht nach neuen Zusammenhängen und Inhalt haben. Es geht darum, die Leute wach zu rütteln.

Als Gast in einer Talkshow erzählten Sie aber auch, dass mittlerweile nicht mehr alle Jugendlichen aus der RTL-Sendung im Restaurant tatsächlich noch arbeiteten…
Ja, das ist völlig normal. Egal mit wem man spricht, ob mit Sozialarbeitern, anderen Organisationen, der Polizei oder Experten: Diese bestätigen, dass unsere Quote, die wir mit den schwer vermittelbaren Jugendlichen fahren, sehr gut ist. Das Entscheidende ist gar nicht, wie viele dieser Jugendlichen aus der Fernsehsendung noch dabei sind, sondern dass der Betrieb immer noch so funktioniert. Wir geben Jugendlichen eine Chance, die es bisher im Alltag durch irgendwelche Auffälligkeiten nicht in das Berufsleben geschafft haben.

In der zweiten Staffel Ihrer Restaurantschule bei RTL soll angeblich in der ehemaligen Sat.1-Kantine gekocht werden?
Ja, das ist nur eine Immobilie, die an einen neuen Besitzer in München verkauft wurde. Wir haben uns in Berlin etwa 30 Objekte angeschaut. Es ist ein rotes Haus in der Jägerstraße, wo wir hängengeblieben sind. Dort haben wir gute Möglichkeiten das Projekt noch größer aufzuziehen.

Sie sind Protagonist von erfolgreichen Doku-Soaps. Ihre TV-Kollegin der «Super-Nanny» wurde dieses Jahr von RTL wegen anscheinender Unstimmigkeiten abgesetzt. Wie schätzen Sie diesen Fall ein?
Ich kenne Katharina Saalfrank seit Langem und weiß, dass sie die Dinge immer mit großem Respekt gegenüber den Menschen getan hat. Aber ich kenne keine Interna, sodass ich zum Ende ihres Formats auch nichts sagen kann. Das habe ich nur in der Zeitung gelesen.

Dennoch wird bei diesen quotenstarken Scripted-Realitys die Kritik lauter. Wie stehen Sie dazu?
Bei uns gibt es kein Scripted-Reality, sondern Dokutainment. Bei uns entsteht das alles aus der Situation von mir heraus. Da gibt es keine Vorgaben vom Sender oder der Redaktion, was da zu passieren hat. Wenn es doch mal irgendwelche Hinweise gibt, dann müssen die sehr fundiert sein. Aber das trifft in der Regel auf meinen Widerstand.

Auch 2011 erreichten diese Scripted-Realitys oder Help-Formate wieder hohe Einschaltquoten – ein anhaltender TV-Trend?
Ich finde das englische Wort „help“ bei den Formaten schwierig. Aber vermutlich haben Sie inhaltlich Recht. Ob es ein Trend ist, weiß ich nicht. Wir machen das aber immerhin schon seit sechs Jahren. Vielleicht haben wir ein Ausrufezeichen mit der Sendung gesetzt, so wie ich Fernsehen verstehe und mache. Wenn ich heute höre, wie viele Leute beim Fernsehen von Authentizität sprechen, dann wird mir manchmal schlecht. Denn ich weiß, dass viele Situationen so einfach nicht stattfinden…

Ich bin da auch nicht so, dass ich da jetzt Namen nennen möchte. Ich kann nur sagen, dass bei uns die Dinge in einer ganz kleinen Welt passieren. Das ist oft für die Produktionskollegen und den Sender schwer. Das weiß ich. Daher zolle ich meinen Produzenten und meiner Redakteurin bei RTL größten Respekt, dass sie das bei mir machen. Wir streiten uns manchmal über kleine Sachen, wie der Musik, die da im Hintergrund läuft oder wie man das Ende am besten erzählt. Aber an der Situation selber wird nichts gedreht. Da können Sie Stichproben machen: Rufen Sie irgendwelche Leute an, mit denen wir gedreht haben… da kann ich mich nackig machen. Das ist das, was uns stark macht. Es geht um die Leute, denen wir helfen möchten und nicht um die Leute, die darum herumstehen. Das ist der Ausgangspunkt. Für etwas anderes würde ich nicht zur Verfügung stehen. Dieses Jahr war das sechste Jahr und wir haben bei den Sendungen, die nicht wiederholt wurden – das macht ja den ganzen Schnitt kaputt – da haben wir Rekordzuschauerzahlen von bis zu 7 ½ Millionen Zuschauern.

Wie muss man sich einen Dreh bei Ihnen also genau vorstellen?
Wir arbeiten nach wie vor – obwohl der Schnitt die Hände über den Kopf wirft – bewusst mit nur einer Kamera. Es gibt also nicht zwei oder drei Kamerateams. Das heißt, wir verzichten bewusst auf viele Reaktionen und auf viele Bilder zugunsten des Vertrauensverhältnisses. Es sind bei mir am Set vier Leute, maximal fünf, das ist dann noch derjenige, der noch schnell Blumenkohl besorgt oder die Fahrten erledigt. Das heißt, es sind neben mir nur noch ein Kameramann, ein Tonmann und die Realisatorin hinter der Kamera. Ich bin der Meinung, wenn man noch mehr Leute wie weitere Kameramänner hätte, könnte kein Vertrauensverhältnis zu den Leuten aufgebaut werden, die mich um Hilfe bitten. Diese Leute offenbaren sich in ihrer Niederlage und Existenzangst. Dann steht meinem Team und mir zu, denen mit Respekt entgegenzukommen.

Wie viel Einfluss haben Sie insgesamt auf Ihr Format?
Sehr viel, ich bin permanent in einem offenen Dialog mit dem Produzenten Eyeworks und meiner Redakteurin bei RTL. Ich bin auch bewusst dieses Jahr nur einmal auf Sendung gewesen, um diese Idee nicht zu versenden. Es genügen auch acht Folgen, um immer andere Farben oder immer ein anderes Problem zu schildern. Es ist keine Ware, die wir da anbieten. Natürlich habe ich den Auftrag von RTL eine tolle Unterhaltungssendung zu machen. Das ist die Herausforderung, aber das ist auch Messers Schneide, auf der wir uns befinden. Es ist verdammt schwer Unterhaltung und Wirklichkeit auf einen Nenner zu bringen. Ich glaube, dass die Art und Weise, wie wir das produzieren, da meiner Vorstellung schon sehr nahe kommt. Ich kämpfe um jeden Punkt im Schnitt, wie wir das erzählen wollen. Wir haben durchschnittlich zwischen 20 und 25 DVDs mit Rohmaterial und daraus dampfen wir das ja ein. Am Drehort bin ich zwischen zehn und vierzehn Stunden. Wenn ich dann nach einer Woche Dreh nach Hause komme, bin ich natürlich platt, weil ich das, was ich da erlebe, zu meinem mache. Ich glaube, das spürt auch der Zuschauer - anders könnte ich es gar nicht.

Dafür kann man Ihnen neben den guten Einschaltquoten auch für die zahlreichen Kritiker-Preise gratulieren…
Ja, wir haben eigentlich alle Preise gewonnen, die es gibt (lacht). Der „Grimme-Preis“ ist der einzige Preis, wo wir nominiert waren, aber nicht gewonnen haben. Ansonsten „Goldene Kamera“, „Deutscher Fernsehpreis“ und den „Ernst-Schneider-Preis“ sogar zweimal, der ja erstaunlicherweise ein Journalisten-Preis ist, was mich sehr stolz macht. Wir haben da die Auszeichnung als beste Wirtschaftssendungen im deutschen Fernsehen erhalten. Aber ganz deutlich: es geht nicht darum Preise zu gewinnen, sondern nur darum das Vertrauen der Menschen, die mich rufen, nicht zu missbrauchen!

Früher kannte man Rach als Stern-Koch, heute auch als Fernseh-Star. Wie gehen Sie mit dieser neuen Wahrnehmung der Öffentlichkeit um?
Das ist ja nur eine Frage der Persönlichkeit: Man muss auf dem Teppich bleiben. Man darf sich nicht zu wichtig nehmen. Sie haben vorhin gesagt, Sie haben mich mal ein einer Talkshow gesehen - das ist völlig richtig. Entscheidend ist, was ich dann dort zu sagen habe. Aber ich möchte kein Dauer-Talkshowgast sein. Was ist schon ein Star? Thomas Gottschalk ist ein Star… Harald Schmidt, Günther Jauch, Iris Berben oder Til Schweiger sind auch Stars… Aber ich betrachte mich selbst nicht so. Thomas Gottschalk hat mal gesagt, wenn man in der Öffentlichkeit steht, muss man anfassbar bleiben, aber man muss sich auch abgrenzen, wo es privat wichtig ist. Sie werden keine Homestories über mich finden. Journalisten können über meine Familie schreiben, was sie wollen. Diese Informationen, die Sie dann lesen, kommen nicht von mir.

Apropos Thomas Gottschalk: Was halten Sie von der Zukunftsdebatte um «Wetten, dass…?»?
Ich würde sagen, dass ZDF sollte das Format zwei, drei Jahre ruhen lassen. «Wetten, dass…?» ist ja eine super Format-Idee von Frank Elstner. Dann sollte man das Format so umkrempeln, dass es in die heutige Zeit passt. Man sieht ja, es hat sich 20 Jahre keiner getraut sich im Abendprogramm gegen «Wetten, dass…?» zu stellen und als es RTL dann irgendwann mit «Deutschland sucht den Superstar» gewagt hat, haben alle zuerst gelacht, dass es doch funktioniert. Die waren dann teilweise sogar pari-pari.

Ja, oder sogar besser…
Stimmt, je nachdem, welche Zielgruppen man bestachtet. Ich will dem ZDF gar keine Ratschläge geben… wer bin ich denn? Aber ich würde als Verantwortlicher sagen, wir machen eine zweijährige Pause, arbeiten am Format ohne Schnellschuss und setzen auf ein neues, unverbrauchtes Gesicht. Ich würde da nicht irgendeinen verbrauchten Hasen nehmen. Ich meine, Thomas Gottschalk hat das so toll geprägt, jeder der da jetzt nachfolgt, kann nur verlieren.

In diesem Jahr wechselte Harald Schmidt zurück zu Sat.1 – Was halten Sie von ihm?
Schmidt finde ich wunderbar! Der brillanteste Kopf im deutschen Fernsehen. Er ist der Einzige, der nie Quote machen musste und immer dabei war. Vom Intellekt her und der Schnelligkeit seiner Zunge ist er sondergleichen. Das ist eine Form des Humors, des Zynismus, der uns in Deutschland ganz gut steht.

Was war im vergangenen Jahr 2011 Ihr persönliches Highlight?
Ich habe Ende September mein „Tafelhaus“ aus freien Stücken geschlossen, um nicht mehr Freizeit, sondern mehr Freiheit zu haben. Das war mein persönliches Highlight. Mich hat ja keiner dazu gezwungen. Es war eine Entscheidung alleine für mich, was großartig ist.

Das Jahr 2011 ist zu Ende, was hat Sie aus Nachrichtensicht bei Ereignissen wie Euro-Krise, Fukushima oder Murdoch-Skandal am meisten bewegt?
Unter allen diesen Dingen wie Fukushima, wie Euro-Krise oder Murdoch ist es schwierig, ein Ereignis herauszustellen. Aber schleichende Prozesse wie zum Beispiel die Entwicklung von Facebook finde ich schwierig, da dieser Datenkrake immer undeutlicher und unüberschaubarer wird. Das macht mir schon ein bisschen Sorgen, auch wenn es das Jahr 2011 jetzt nicht allein maßgeblich bestimmte. Klar, die Euro-Krise bedroht uns alle und bei Fukushima hat man gesehen, wie die Politik zum schnellen und konsequenten Handeln gezwungen wurde, egal wie man dazu steht. Der Skandal um Murdoch zeigt, wie verrucht die Medienlandschaft ist. Das stachelt mich umso mehr an, genau so zu handeln, wie ich es eben geschildert habe. Murdoch zeigt: Leute, bleibt sauber bei der Recherche.

Zum Abschluss: Was war Ihr Top und Flop des vergangenen Jahres 2011?
Die Frauenfußball-Weltmeisterschaft war top und flog zugleich: Top, weil dieses Sportereignis wunderbar war und Flop, weil nach dem Ausscheiden der Mannschaft alle auf diese eingehackt haben.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für das Jahr 2012!
25.12.2011 09:50 Uhr  •  Benjamin Horbelt Kurz-URL: qmde.de/53978