Popcorn und Rollenwechsel: Muppets 101

«Die Muppets» steckt voller genialer Insidergags und Anspielungen. Mit diesem kleinen Muppet-Einmaleins können auch bislang uneingeweihte Kinogänger herzlich mitlachen.

Kommenden Donnerstag startet endlich «Die Muppets» in den deutschen Kinos, und der Tenor der hiesigen Presse unterscheidet sich kaum von dem in den USA. Die Komödie wird als ein großes Vergnügen für Kinogänger jeden Alters und die Rückkehr der kultigen Puppen zu alter Höchstform gefeiert. Bloß eine Anmerkung scheint in deutschen Filmbesprechungen etwas häufiger aufzukreuzen: «Die Muppets» sei ein großartiger Film für Fans, während Muppet-Neulinge mitunter ratlos in ihrem Kinosessel zurückgelassen würden.

Zumindest meiner Ansicht nach wird dieser Kritikpunkt überbetont. Selbstredend haben Muppet-Fans mehr Spaß an dem Film, als Personen, die nur wenig oder gar nichts mit ihnen am Hut haben. Aber das ist ja bei den meisten Dingen so. Auch die Pixar-Filme, denen gemeinhin ja zugestanden wird ein überaus breites Publikum anzusprechen, verfügen über eine Reihe an Insidergags. Und so ähnlich ist es bei «Die Muppets»: Wer die Muppets nicht so gut kennt, erhält eine simple, emotional überaus effektiv arbeitende Geschichte voller herrlichem Humor. Teils albern, teils clever. Wer Fan ist, erlebt alles intensiver und fasst ein paar zusätzliche Gags auf.

Dennoch sei allen Muppet-Anfängern eine kleine Hilfestellung gegeben. Im nachfolgenden «Die Muppets» 101 werden einige der versteckten Anspielungen erläutert, die einen beim Kinobesuch erwarten:

Disney, schäme dich! Die erste Drehbuchfassung entstand, als Jason Segel herausfand, dass die Jim Henson Studios sämtliche Rechte an den Muppets der Disney Company übertrugen, und sie auch aus den eigenen Archiven verbannen mussten. Segels anfängliche Entrüstung merkt man dem fertigen Film an. In diesem werden nämlich einige Seitenhiebe auf Disneys Übernahme der Muppets ausgeteilt. So plant der raffgierige Schurke des Films, die Lizenz des Muppet-Markennamens an sich zu reißen, ebenso wie die Rechte an den Persönlichkeiten der Muppets. Weiteren Trubel erhalten die Muppets durch eine Tributeband, die sich als hippere und krassere Antwort auf die Muppets versteht – eine Anspielung auf «Die Muppets: Der Zauberer von Oz», das erste Muppet-Projekt nach der Disney-Übernahme, welches von den Fans als zu zotig abgelehnt wurde. Und in einer Szene, die geschnitten werden musste, versuchen die Muppets den immens populären Elmo als Gastmoderator ihres TV-Marathons zu gewinnen, was seine Anwälte allerdings ablehnen. Die Szene konnte nicht gedreht werden, da die Realität die Kunst kopierte: Die «Sesamstraße»-Figuren haben einen anderen Rechteinhaber, der jeden Gastauftritt seiner Schützlinge genehmigen muss. Und dieser verweigerte sich, Elmo für «Die Muppets» freizugeben.


Wayne und Wanda sind einer der wiederkehrenden Muppet-Acts, die nie den Kult der Schweine im Weltall oder der verrückten Tierklinik von Doktor Bob erlangen konnten. Das niveauvolle Gesangsduo klassischen, US-amerikanischen Musikguts sollte stets Anstand und kulturelle Klasse in die «Muppet Show» einbringen. Leider verhinderten stets technische Pannen, dass sie ihr Größe voll ausspielen konnten. Auch in «Die Muppets» kommt ihnen die Technik in die Quere, wenngleich ganz anders, als Fans erwartet hätten ...

Rolf, Jim Hensons Liebling: Der Frontmann, oder eher Frontfrosch, der Muppets ist bekanntlich Kermit. Nach außen hin repräsentiert er für Jim Henson das, was für Walt Disney der allgegenwärtige Micky Maus ist. Aber Kermit ist nicht das älteste Mitglied der Muppet-Truppe. Die Figur, mit der Henson erstmals größere Popularität erlangte, ist der schlappohrige, braunhaarige Hund Rolf. Der bescheidene, an Poesie interessierte und trotzdem auch kalauernde Wortspiele liebende Kläffer soll Jim Henson von all seinen Figuren charakterlich am meisten geähnelt haben. Er gehörte auch zu den Muppets, die Henson am liebsten spielte, und so wurde Rolfs Rolle in den Muppet-Produktionen nach seinem Tod aus Respekt sehr stark reduziert. Rolf tauchte deswegen nur noch in kurzen Szenen auf, meistens in Statistenrollen in großen Gruppenaufnahmen. Man wollte ihn erst wieder ins Rampenlicht rücken, sobald man einen angemessenen Nachfolger für Henson gefunden habe. In «Die Muppets» gehört Rolf zu den letzten Figuren, die sich der Gang wieder anschließen. Während andere Muppets von einem bewegten Leben seit der letzten gemeinsamen Unternehmung berichten können, erfährt der Zuschauer von Rolf, dass er all die Jahre über nur ein Schläfchen gehalten habe. Für die meisten Kinogänger ein hübscher, kleiner Gag über einen faulen Hund. Doch wenn man Rolfs Hintergrundgeschichte kennt, ist es eine rührende Verneigung vor Hensons unsterblichem Schaffenswerk.

Disney, wir lieben dich! Trotz mancher Seitenhiebe steckt «Die Muppets» auch voller liebevoller Referenzen auf den Disney-Konzern. Was Teil der Muppet-Tradition ist, denn auch wenn Jim Henson immer wieder schwierige Verhandlungen mit Disney hatte, so zollte er dem Disney-Erbe stets großen Respekt. In der «Muppet Show» parodierte man also gelegentlich Disney, doch die Muppets bezeichneten zugleich, ohne jedem Anflug von Ironie, Disneyland als einen ihrer Lieblingsorte. Passenderweise wurde in «Die Muppets» Smalltown, der Heimatort von Jason Segels und Amy Adams Leinwandfiguren, der Main Street U.S.A. nachempfunden. Diese beschauliche, viktorianische Kleinstadt-Hauptstraße, stellt den Eingang der Disneyland-Parks dar und ist wiederum dem Örtchen Marceline nachempfunden, der Stadt in der Walt Disney aufwuchs. Außerdem ist die Disneyland Band Teil der ersten Gesangsnummer im Film und es ist ein verstecktes Micky-Maus-Symbol, das in den Abspann hineinleitet.

Der beste aller Disney-Realfilme? Im Vorprogramm von «Die Muppets» wird ein neuer Kurzfilm aus dem «Toy Story»-Universum gezeigt. In diesem wird Buzz Lightyear in einem Fast-Food-Restaurant festgehalten und zum Besuch einer Therapiesitzung von Kindermenü-Spielzeugen gezwungen. Eines dieser Spielzeuge ist ein einzelner, wandelnder Gag, der über die Köpfe der meisten Kinogänger hinweg fliegen dürfte: Es hört auf den Namen Condorman und zeigt einen seltsam gekleideten Mann in einem gelben Fahrzeug. «Condorman» ist eine unter Disney-Fans berühmt-berüchtigte Agentenparodie aus dem Jahr 1981, die im Zuge des Erfolgs der «James Bond»-Reihe produziert wurde. Allerdings ist sie aus einem unerklärlichen Grund nicht im Agentenmetier angesiedelt, sondern zeigt einen Comiczeichner, der sich als Superheld ausgibt. Allein darüber kann man sich stundenlang das Maul zerreißen. Tatsächlich ist der Film aber, frei nach Douglas Adams, „mostly harmless“. Dennoch bildete sich über die Jahrzehnte hin der Running Gag unter Fans und Konzernvertretern, «Condorman» völlig grundlos unter den besten Disney-Spielfilme aller Zeiten aufzuzählen. Und nun bekommt er erstmals eine „offizielle“ Referenz innerhalb einer Disney-Kinoproduktion. Regisseur Angus MacLane erklärte in einem Interview gegenüber Collider, dass er «Condorman» in der Hoffnung Tribut zollte, den Hype um den Film vergrößern zu können und so ein „düsteres Reboot“ loszutreten. Der Originalfilm sei dramaturgisch grausig, aber er habe ihn als Kind geliebt, weil es ja sonst keine anderen Vertreter seines Genres zu sehen gab. Ja, auch so kann man sich vor Filmen verneigen ...

Die meisten anderen Referenzen und Running Gags in «Die Muppets» erklären sich eigentlich von selbst. Unvorbereitet in «Die Muppets» zu gehen ist so, als würde man erstmals eine Folge der «Muppet Show» sehen: Viele Sachen sind schon beim ersten Mal witzig, und wenn man sich die selbe Episode nach dem Konsum vieler anderen Folgen erneut ansieht, ist sie urplötzlich noch witziger. Also sei an dieser Stelle nicht auf jede Kleinigkeit im Film eingegangen. Er unterhält auch so, und dass er die Extrameile geht, um Fans für ihr zusätzliches Wissen zu belohnen, sollte man ihm keineswegs vorhalten.
16.01.2012 00:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/54365