Die Kritiker: «Der Mann, der alles kann»

Story
Gänseblümchen und andere schöne Blumen – daran muss Kommissar Robert Hellkamp denken, wenn er Tatorte betritt. Doch nicht etwa der Anblick einer Leiche ruft in Hellkamps Kopf Bilder von Gewächsen aller Art auf den Plan, sondern seine Tatortphobie. Ohne an etwas Schönes zu denken kann der Kommissar keinen Arbeitsplatz betreten, eine Waffe trägt er gar nicht erst. Job verfehlt, könnte man da fast vermuten – doch ein Besuch bei Frisörin Rita Meier und der Tod der Mitbewohnerin ihrer Tochter zwingen den in die Jahre gekommenen LKA-Angestellten, umzudenken.

Beflügelt von seiner neuen Bekanntschaft setzt Hellkamp alles daran, den scheinbaren Selbstmord penibel zu untersuchen. Belächelt von seinen Kollegen, aber mit der Unterstützung seiner Frisörin, bringt Hellkamp immer mehr Ungereimtheiten ans Tageslicht. Und auch der neue Freund von Jule Meier scheint hinter seiner freundlichen Fassade ein Geheimnis zu verbergen…

Darsteller
Peter Heinrich Brix («Großstadtrevier») ist Robert Hellkamp
Anica Dobra («Ein Sommer in Paris») ist Rita Meier
Julia Schäfle («Romeos») ist Jule Meier
Ralph Herforth («Viva Berlin!») ist Horst Hoff
Philipp Danne («Der Mann auf dem Baum») ist Tim Gronwold

Kritik
Verschiedene Filmgenres miteinander zu kombinieren ist an und für sich keine schlechte Idee – aber eine Kunst. Der Spagat zwischen spannender Kriminalistik und auflockerndem, mitunter ironischem Humor bei einer Kriminalkomödie ist eine heikle Angelegenheit. Im Falle von Annette Ernst‘ Regiearbeit «Der Mann, der alles kann» geht dieser Versuch voll nach hinten los.

Schon gleich zu Beginn ermöglicht Drehbuchautor Norbert Eberlein keinerlei Bezug zur Geschichte, geschweige denn Identifikationsfiguren oder Sympathieträger. Zu verworren und unausgegoren wirkt das Szenario. Da gibt es einen LKA-Kommissar bei der Mordkommission, der panische Angst davor hat, das zu machen, wofür er eigentlich bezahlt wird. Verkörpert wird der unter starken Rückenschmerzen leidende Mann von Peter Heinrich Brix, der in Sachen Verbrechensbekämpfung in über 200 Ausgaben des «Großstadtreviers» als Lothar Krüger gezeigt hat, was in ihm steckt. Fast schon logisch, dass er hier gelangweilt und müde wirkt, zusammen mit Ralph Herforth aber noch die beste schauspielerische Leistung zeigt. Herforth mimt den chauvinistischen Chef, der dermaßen over the top angelegt ist, dass eine authentische Darstellung gar nicht erst möglich gewesen wäre. Horst Hoff ist das genaue Gegenteil von Hellkamp: hektisch, männlich, manchmal auch lustig. Ganz anders Anica Dobra, die als permanent ängstlich und unsicher dreinschauende Frisörin, deren großer Traum es ist, Schriftstellerin zu werden, mit Voranschreiten des Films das Nervpotenzial steigert. Die Charaktere der Jule Meier und die ihres Freundes Tim bleiben nahezu unangetastet, auch wenn Tim durch eine willkürlich eingeflochtene Tat bald im Mittelpunkt der Untersuchungen steht.

Regisseurin Ernst verlangt dem Zuschauer ein großes Durchhaltevermögen bei stetiger Langeweile ab. Eine Atmosphäre vermag sich über die gesamte Laufzeit nicht im Geringsten zu verbreiten. Die Witze sind dafür zu platt, allen voran der furchtbare Running Gag mit einem Täter, den Kommissar Hoff einfach nicht zu fassen kriegt, selbst wenn dieser als Jogger (!) getarnt und als einzige Menschenseele nachts vor dem LKA-Quartier seine Stretchübungen macht. Das ist Humor mit der Holzhammermethode, wie wir ihn einfach nicht mehr sehen wollen. Schon gar nicht in einem als Krimi ausgegebenen Film. Spannung vermag ebenfalls zu keiner Zeit aufkommen. Dafür sind die Brisanz des Falles und die plumpe und unglaubwürdige Auflösung viel zu seicht. Noch dazu setzt der Score auf eine Swing/Jazz-Untermalung im Pink Panther-Stil, die erst beim Finale durch typische «Spannungs-Geiger» abgelöst wird. Dadurch bekommt das Gezeigte immer einen unterschwelligen Komödientouch, obwohl es zum Lachen recht wenig Anlass gibt.

Von einem Krimi ist «Der Mann…» weit entfernt. Der zu lösende Fall gerät bei der ganzen Romantik sogar beinahe in Vergessenheit. Vielmehr erwarten wir als Auflösung einen Kuss zwischen Frisörin und Kommissar. Wer Jule Meiers Mitbewohnerin letztendlich umgebracht hat und ob diese überhaupt ermordet wurde, ist zweitrangig. Es scheint, als hätte Autor Eberlein irgendwann selbst nicht mehr gewusst, welche Geschichte denn nun im Vordergrund stehen soll. Der chaotische Haufen des LKA, der als Handschellenersatz auch gerne mal zum Gürtel greift, oder die Aufklärung des Todes einer jungen Frau oder aber die Liebelei zwischen Rita Meier und Robert Hellkamp? Ein Genrehopping ohne Orientierungspunkte.

Gerade mit der netten Idee des an Tatortphobie leidenden Kommissars wäre sicherlich mehr rauszuholen gewesen. So aber wird aus «Dem Mann, der alles kann» trotz zweier ansehnlicher Darsteller und einer soliden Kameraarbeit leider nur noch «Der Mann, der nicht so viel kann». Die Frage des Hauptdarstellers, die dieser am Ende des Films direkt an den Zuschauer richtet, können wir deshalb getrost mit einem «Nein» beantworten.

Das Erste strahlt «Der Mann, der alles kann» am Donnerstag, den 26. Januar, um 20.15 Uhr aus.
24.01.2012 10:43 Uhr  •  Janosch Leuffen Kurz-URL: qmde.de/54550