Die Kritiker: «Vater Mutter Mörder»

Story
Früh am Morgen fährt Tom Wesnik zusammen mit seiner Frau Esther von einem Fest nach Hause. Am Ortseingang ihres Heimatdorfes Sarezin bietet sich den beiden ein beunruhigender Anblick: Eine Polizeisperre versperrt ihnen den Weg, Streifenwagen und Feuerwehrautos säumen die Hauptstraße, drei Särge werden aus einem Wohnhaus getragen. Fotojournalist Tom wittert sogleich eine Story und begibt sich mit seiner Kamera zum Ort des Geschehens. Zu seiner Verwunderung bemerkt er, wie er plötzlich unter den hasserfüllten Blicken der Dorfbewohner in den Fokus von Hauptkommissar Franz und Staatsanwältin Stiller rückt, die gerade, sichtlich um Haltung bemüht, den Tatort in Augenschein nehmen. Wie ein Blitzschlag trifft ihn die schreckliche Wahrheit: Sein Sohn Lukas soll drei Menschen erschossen haben.

Die heile Welt der Familie Wesnik bricht zusammen. Ihr Sohn Lukas, ein kaltblütiger Mörder? Während Esther trotz der schrecklichen Ereignisse von Anfang an emotional zu ihrem Sohn steht, beginnt für Tom ein harter Gewissenskonflikt, der dazu führt, dass er sich immer weiter von seinem Sohn entfremdet. Immer wieder quälen ihn die gleichen Fragen: Warum hat unser Sohn drei Menschen hingerichtet? Haben wir als Eltern versagt und uns mitschuldig gemacht?
Auf der Suche nach den Antworten schwankt der Vater zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Unterdessen mehren sich die Hinweise darauf, dass Lukas zu der Tat angestiftet worden sein könnte oder dass er gar unter einer psychischen Erkrankung leidet. Im Prozess wird jedoch deutlich, dass nur Lukas selbst die ganze Wahrheit kennt. Wird es ihm gelingen, den quälenden Gewissenskonflikt seines Vaters aus der Welt zu räumen?

Darsteller
Heino Ferch («Die Luftbrücke») ist Tom Wesnik
Silke Bodenbender («Erlkönig») ist Esther Wesnik
Katharina Wackernagel («Racheengel – Ein eiskalter Plan») ist Lydia Calotti
Antje Schmidt («Der Staatsanwalt») ist Staatsanwältin Stiller
Thomas Schendel («Tsunami») ist Hauptkommissar Franz
Jan-Gregor Kremp («Allein gegen die Angst») ist Professor Balthasar
Merlin Rose («Die Stein») ist Lukas "Jimi" Wesnik

Kritik
Wie lebt man weiter, wenn man erfährt, dass der eigene Sohn ein brutaler Killer ist, der drei Menschen kaltblütig abgeschossen hat? Und wie geht man damit um, in all den Wirren, die dabei entstehen? Dieser Film von Drehbuchautor und Regisseur Niki Stein versucht, sich dieser Frage zu nähern und das Thema ästhetisch und dramaturgisch fast schon naturalistisch zu bearbeiten. In dieser erdrückenden Schwere muss man gar nicht mehr viel straffen oder dramatisieren; es reicht fast aus, wenn man stringent erzählt und gut strukturiert.

Nach dem schweren Schlag, als ihm der Polizist erläutert hat, dass sein Sohn nach seinem Suizidversuch und dem Mord an drei Menschen im Koma liegt, funktioniert Vater Tom fast nur wie eine Maschine. Alles läuft automatisiert ab, selbstverständlich realisiert er die ganze Tragweite der neuen Situation, mit der er nun irgendwie umzugehen lernen muss, noch nicht. Stein erzählt ohne Überzeichnung, gleichzeitig aber auch, ohne wegzuschauen. Er erlaubt sich lange Szenen, erlaubt seinen Figuren Kälte, Ratlosigkeit und Verzweiflung, ohne sie penetrant zu inszenieren.

Vor allem in der ersten Stunde des Films spielt Heino Ferch unheimlich filigran und schafft es dabei, die Zerrissenheit seiner Figur durch ein minimalistisches aber gekonntes Spiel zu unterstreichen. Silke Bodenbender spielt dagegen zumindest stellenweise etwas arg überdreht und kalkuliert; ihre Rolle der nicht-wahrhaben-wollenden Mutter ist aber auch die undankbarere.

Letztlich gibt «Vater Mutter Mörder» keine Antwort auf die Frage nach dem Motiv. „Bei Lukas ist vieles zusammengekommen“, heißt es nur. Man mag anführen, dass es in diesem Film nicht per se um den Mord an sich geht, sondern darum, ob bzw. wie eine Familie weiterleben kann, nachdem sich eines ihrer Mitglieder als eiskalter Mörder entpuppt hat. Trotzdem hinterlässt dies einen unangenehmen Nachgeschmack, wäre ein präziserer Umgang mit dem „Warum“ dramaturgisch doch möglich gewesen.

Am Schluss macht man es sich dann leider zu einfach, als man die Frage, ob man als Familie nach einem solchen Schlag noch zusammenleben kann, grundsätzlich bejaht, obwohl man die eineinhalb Stunden eine sehr differenzierte und relevante Diskussion darüber geführt hat. Dass die Resolution dann aber sehr kathartisch ausfällt, wo keine Katharsis mehr möglich ist, wirkt unglaubwürdig und verfehlt. Bis dahin können das dramaturgische Konstrukt, die szenische Umsetzung und der Cast aber zum größten Teil überzeugen.

Das ZDF strahlt «Vater Mutter Mörder» am Montag, den 13. Februar 2012, um 20.15 Uhr aus.
12.02.2012 08:15 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/54887