Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 184: Eine spektakuläre Spielfilmreihe, die zu einem ebenso spektakulären Flop für Sat.1 wurde.
Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir eines erzwungenen TV-Events, das am Ende keines werden wollte.
Die «German Classics» wurden am 13. Dezember 1996 in Sat.1 geboren und entstanden zu einer Zeit als der Sender versuchte, den Abstand an die davonlaufende Konkurrenz mit kostspieligen Aktionen aufzuholen. Neben der spektakulären Verpflichtung von Thomas Gottschalk (
«Gottschalks Hausparty»), Harald Schmidt (
«Die Harald Schmidt Show»), Fritz Egner (
«XXO – Fritz & Co») und Thomas Koschwitz (
«Jetzt sind Sie dran!»), setzte der damalige Senderchef Fred Kogel auch auf eine aufwendige Spielfilmreihe, in der legendäre, deutsche Filme der 50er Jahre neuverfilmt wurden.
Als Vorlage für das Projekt diente eine Reihe des amerikanischen Kanals Showtime, der rund zwei Jahre zuvor zehn unbekannte amerikanische Filmklassiker unter dem Label „Rebel Highway“ mit prominenter Besetzung (u.a. Anne Heche, Renée Zellweger, David Arquette, Matt LeBlanc, Jared Leto, Alicia Silverstone und Alyssa Milano) neu entstehen ließ. Dieses Vorhaben versuchte der international erfolgreiche Filmproduzent Bernd Eichinger auch für den deutschen Markt zu adaptieren. Er konzentrierte sich dabei jedoch nicht auf B-Movies, sondern auf wahre Klassiker der deutschen Filmgeschichte, was sich als verhängnisvoll herausstellen sollte. Auserkoren wurden schließlich die Filme «Das Mädchen Rosemarie» (1958), «Die Halbstarken» (1956), «Charley‘s Tante» (1956) und «Es geschah am hellichten Tage» (1958), die einen neuen Anstrich erhalten sollten.
In Sat.1 schien Eichinger dann den passenden Partner für sein Vorhaben gefunden zu haben. Sehr überraschend war diese Kooperation allerdings nicht, war doch der Hauptanteilseigner von Eichingers Produktionsfirma Neue Constantin jener Leo Kirch, der damals auch Haupteigentümer von Sat.1 war. Für die Inszenierung der Remakes konnten die schon damals renommierten Regisseure Sönke Wortmann («Charley‘s Tante»), Nico Hofmann («Es geschah am hellichten Tage») und Urs Eggers («Die Halbstarken») gewonnen werden, wobei Wortmann und Hofmann ohnehin bei Eichinger fest unter Vertrag standen. Für den Auftaktfilm «Das Mädchen Rosemarie» nahm Eichinger erstmals sogar selbst auf dem Regiestuhl Platz.
Insgesamt ließen sich die Beteiligten das Prestigeprojekt satte 15 Millionen DM kosten, von denen die deutsche Filmförderung einen Anteil von fünf Millionen Mark übernahm. Schon «Rosemarie» wurde zu einem der bis dahin teuersten TV-Filme aller Zeiten. Investiert wurde das Geld offensichtlich vor allem in die Verpflichtung großer Namen, denn auf der Besetzungsliste fanden sich mit Heiner Lauterbach, Hannelore Elsner, Katja Flint, Mathieu Carriére (alle «Das Mädchen Rosemarie»), Til Schweiger, Sandra Speichert (beide «Die Halbstarken»), Joachim Król, Barbara Rudnik, Axel Milberg («Es geschah am hellichten Tage»), Thomas Heinze und Jürgen Vogel («Charley‘s Tante») nahezu alle damals bekannten Schauspieler wieder.
Eichinger und Kogel wollten gezielt „Ereignisfernsehen“ schaffen, weswegen auch immer wieder der Satz „Kino fürs Fernsehen“ bemüht wurde. Begleitet wurde die Ausstrahlung von einer beispiellos umfangreichen Werbekampagne, die aus unzähligen Trailern, Plakaten und Printanzeigen bestand. Entsprechend hoch waren daher auch die Erwartungen an die Einschaltquoten. Neun Millionen Zuschauer pro Film wurden als Zielmarke verkündet. Diese Rechnung ging zumindest für den Eröffnungsfilm «Das Mädchen Rosemarie» dank achteinhalb Millionen Zusehern am Freitagabend noch halbwegs auf.
Zwar waren die Zuschauerwerte am Tag nach der Premiere erfreulich, die Kritiken der Presse dagegen jedoch vernichtend. Kaum eine Zeitung fand für die Werke positive Worte. Das ablehnende Echo steigerte sich im Verlauf der Reihe sogar noch mehr, sodass es regelmäßig Verrisse hagelte. Hauptkritikpunkt war dabei stets, dass die Remakes mit ihren hervorragenden Vorlagen nicht mithalten konnten. Dies lag unter anderem auch daran, dass bei den meisten Filmen versäumt wurde, die historischen Stoffe neu zu interpretieren. Im SPIEGEL war daher zu lesen: „Was damals Gegenwart war, ist heute nur noch Ausstattung. Genau daran scheitern die Filme. Sie sehen aus wie echt, aber sie riechen nicht mehr nach dem sauren Bohnerwachs der Fifties.“
Bemängelt wurden außerdem die platten, kitschigen und teilweise albernen Inszenierungen sowie die vielen Werbeunterbrechungen, welche die Atmosphären der Filme zerstört hätten. Das Urteil von Frank Junghänel von der Berliner Zeitung lautete damals schlicht: „Schwarze Balken am Bildschirmrand allein garantieren noch kein Kinoerlebnis.“ Und Andreas Kilb von der ZEIT sprach bezüglich der klassischen Vorlagen sogar vom „Tod durch Remake“.
Die mangelnde Qualität schienen auch die Zuschauer bemerkt zu haben, denn nach dem hoffnungsvollen Auftakt brachen die Quoten massiv ein. Die nachfolgenden Filme, die dann im Abstand von zwei Wochen immer samstags zu sehen waren, erreichten mit je vier Millionen nur noch die Hälfte an Zusehern. Allerdings markierte «Charley‘s Tante» mit sogar nur drei Millionen Menschen den Tiefpunkt. Daher war es auch nicht überraschend, dass die Reihe nicht mit weiteren Filmen fortgesetzt wurde,
Die «German Classics» wurden am 04. Januar 1997 beerdigt und erreichten ein Alter von vier Ausgaben. Die Reihe hinterließ zahllose bekannte, deutsche Filmstars sowie ein tiefes Loch in der Haushaltskasse des Senders.
Möge die Reihe in Frieden ruhen!
Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann einer ausgezeichneten Doku-Reihe über die deutsche Musik- und Jugendszene.