«Unforgettable»-Star Poppy Montgomery: ‚Menschen mögen Puzzle‘
Sieben Jahre lang hat sie die Figur Sam in «Without a Trace» gespielt, nach zweijähriger Pause ist sie nun Hauptfigur im neuen «Unforgettable», das im Mai in Deutschland beim Frauensender glitz anläuft. Wir sprachen mit ihr über ihre Figur Carrie, die nichts in ihrem Leben vergisst. Ihr einzigartiges Gedächtnis macht sie besonders; aber an einen sehr dunklen Moment in ihrer Kindheit hat sie keinerlei Erinnerungen. Und das verfolgt die Frau bis heute…
Poppy, Sie spielen in «Unforgettable» die Figur Carrie – eine Ermittlerin, die nichts vergisst. Können Sie zu Beginn die Entwicklung des Charakters während der ersten Staffel beschreiben?
Ich glaube, in der ersten Hälfte der Staffel sahen wir eine deutlich gequältere Seele als in den weiteren Folgen. Sie hat sich nicht gut gefühlt, als sie in den Polizeidienst zurückkehren musste, unter anderem weil da viel ungeklärter Ärger mit ihrem Ex-Mann Al war. Da waren noch ungeklärte Gefühle für ihn und sie wusste nicht, wie sie mit ihm zusammenarbeiten kann. Sie kämpfte in diesem Zusammenhang natürlich auch mit ihren besonderen Fähigkeiten. Nun hat sie durch die Polizeiarbeit und durch alles, was sie tut, gelernt, mit den Dingen besser umzugehen. Sie hat eine Art Frieden in ihrem Leben gefunden. Aber der Mörder ihrer Schwester ist immer noch nicht gefasst – und das ist schon ein großer Schlüssel in ihrem Leben.
Von Carries besonderen Fähigkeiten, die sie schon hat, mal abgesehen: Was hätten Sie an ihr vor der Saison noch gerne entdeckt?
Dass sie fliegen kann (lacht). Ich hätte sie gerne wieder in einer Beziehung gesehen. Sie hätte gehofft, dass sie funktionieren kann und sich verliebt, ohne dass das für sie die ganze Zeit über so traumatisch ist. Ich würde gern wissen, wer ihre Schwester umgebracht hat – ich weiß es nämlich wirklich auch nicht. Ich habe die Autoren schon gefragt, nur um einen kleinen Tipp gebeten… Ich weiß gar nicht, ob wir das überhaupt jemals vollständig erfahren werden.
Die Figur Carrie ist schon eine ganz besondere. Haben Sie das beim ersten Lesen des Drehbuchs auch gedacht?
Ja, auf jeden Fall.
Es gibt ja wirklich solche Leute mit einem derart autobiografischen Gedächtnis. Haben Sie da mal Nachforschungen angestellt?
Das stimmt. Es tauchen mehr und mehr solche Menschen auf, die sich diesbezüglich auch testen lassen. Wir wissen, dass so etwas in der Tat existiert und dass das eine wirklich einmalige, außergewöhnliche Fähigkeit ist. Marilu Henner zum Beispiel ist so eine Person. Sie war auch schon als Gast bei uns am Set, sie ist fantastisch, wirklich interessant. Ihr Gedächtnis ist atemberaubend.
Gab oder gibt es in ihrem Leben denn Leute, Eltern, Freunde, Bekannte, die immer wieder Geschichten ausgegraben haben, die man selbst eigentlich am liebsten schon vergessen hätte?
Ja, die gibt es glaube ich immer. Ich glaube im Moment bin ich für viele diese Person. Meine Mutter hat übrigens auch ein Gedächtnis, was solche schrecklichen Geschichten angeht.
Vor «Unforgettable» hatten Sie eine Pause gemacht – hat Sie der Sprung zurück ins serielle Fernsehen beunruhigt?
Ich hatte eine zweijährige Auszeit gemacht, um bei meinem Sohn zu sein. Ich habe diese Pause auch gebraucht, «Without a Trace» lief sieben Jahre lang. Ich hatte mein Baby dann schon während der Dreharbeiten zu «Without a Trace» und wollte dann auch einfach mal Zeit mit meinem Kind und meiner Familie verbringen. Ich habe also absichtlich zwei Jahre lang pausiert.
Hatten Sie dann eine gute Zeit?
Natürlich, wer hat keine gute Zeit, wenn er zwei Jahre lang in den Urlaub geht. Das war wie im Himmel.
Erzählen Sie doch einmal ein bisschen was von Ihrer Anfangszeit als Schauspielerin…
Ich kam damals aus Australien und ich wusste schon, dass ich unbedingt Schauspielerin werden will. Aber ich wusste nicht, wie ich das machen soll, also habe ich eine Menge Leute um mich geschart. Ich habe mir einen Agenten und einen Manager gesucht. Und ich habe ein Buch gelesen mit dem Titel „How to Make it in Hollywood“ – so habe ich dann übrigens auch meinem Manager gefunden…
Hat die Tatsache, dass Sie einen Charakter mit außergewöhnlichem Gedächtnis spielen, Ihr eigenes Erinnerungsvermögen verbessert?
Ja, mein Gedächtnis ist definitiv besser geworden. Ich mache außerdem immer wieder kleine Gedächtnisspiele, um es frisch zu halten. Zum Beispiel in Zeitungen mit Spielen, die ich einfach mag. Schau dir ein Foto an und versuche, dir zu merken, wie viele Dinge auf dem nächsten Bild dann anders sind. So kleine, blöde Spiele, die du halt machen kannst. Und natürlich, wie Sie wissen, muss ich jeden Tag zehn Seiten Text lernen...
In den USA steht das Staffelfinale in wenigen Wochen an. Was können wir erwarten? Wird Walter Morgan darin eine Rolle spielen? Wird der Mord an Carries Schwester aufgeklärt?
Wir alle lieben Walter Morgan, er hat eine besondere Bindung zu Carrie und er wird zurückkommen und eine sehr action-reiche Folge mit Carrie erleben. Was das Staffelfinale betrifft: Ich weiß nicht, wie befriedigend die Suche nach Carries Mörder ausgeht, wir haben es noch nicht gedreht. Wenn ich mir aber anschaue, wohin es gehen wird, wird es wirklich richtig cool. Es geht zurück nach Sycrause, wo der Mord an Carries Schwester stattfand. Wir werden eine Art Road-Trip haben, einen Carrie-and-Al-on-the-road-murder-solving-trip.
Aber Sie drehen nicht direkt in Sycrause?
Nein, leider nicht. Ich hätte das sehr gerne getan. Wir werden das in den Wäldern etwas außerhalb der Stadt drehen.
Sie sind inzwischen eine Art Krimi-Expertin. Krimis gibt es eigentlich seit den Anfängen des Fernsehens. Was begeistert die Leute daran?
Zunächst einmal denke ich, dass Menschen Puzzle einfach sehr gern mögen. Ich glaube, das macht ihnen Spaß. In einem Krimi haben die Zuschauer Teil am Lösungsweg, sie sind mit dabei, wenn die Kommissare versuchen, die Verbrechen zu lösen. Das ist ein Grund, warum ich Cop-Shows liebe. Ich versuche immer die Lösung schneller zu haben als die Polizisten. Außerdem denke ich, dass in den Krimis wirklich immer richtig gute Geschichten erzählt werden. Ich mag Tage, an denen ich erschöpft bin, im Bett liege und einfach einen ganz Tag lang einen «Law & Order»-Marathon mache. Da wird einem nie langweilig, das ist immer wieder wie ein großes Mysterium.
Macht man als Schauspieler auch besonders gerne Krimis? Weil man dann – wie früher als Kind – eine Art Räuber und Gendarme spielt?
Ja, absolut.
Funktioniert das also auch bei Frauen?
Umso mehr. Da können wir all das tun, was auch die Jungs tun und keiner erzählt uns, wir könnten es nicht.
Wie arbeiten Sie, wenn Sie das Drehbuch zu einer neuen Folge bekommen? Lesen Sie das komplett, um dann im Ganzen darüber zu sprechen oder ist das so viel, dass Sie einfach Seite für Seite durcharbeiten?
Beides. Ich lese es als Ganzes und dann gehe ich es Tag für Tag noch einmal durch. Du musst dich aber, wenn du einen Charakter ein Jahr lang spielst, nicht mehr so hart in ihn einarbeiten. Als wir den Piloten gedreht haben, war das noch viel mehr Arbeit, weil ich herausfinden musste, wer Carrie ist. Inzwischen beschäftigte ich mich seit acht oder zehn Monaten 16 Stunden am Tag mit der Figur.
Das ist viel Arbeit. Haben Sie einen generellen Ratschlag für Schauspieler?
Hört nicht auf und lasst euch nicht von irgendjemandem sagen, wie unmöglich alles ist. Ihr könnt Euch selbst anschieben und beharrlich weitermachen. Es ist ein wundervolles Metier. Schauspieler mögen andere Schauspieler und man unterstützt sich.
Welche sind für Sie die dunkelsten Gesichtspunkte der Serie?
Die Ermordung von Carries Schwester und die Tatsache, dass Carrie den Mörder nicht findet. Das ist die eine Sache in ihrem Leben, an die sie sich nicht erinnern kann. Das quält sie und das ist richtig hart. Auch dass ihre Mutter an Alzheimer leidet ist eine dunkle Seite der Serie.
Wird die Serie zum Staffelfinale noch düsterer?
Es wird und hat immer beides gegeben – Licht und Schatten. Die Serie hat auch einen gewissen Humor und eine Leichtigkeit. Aber die Figuren bearbeiten immer einen Mordfall, und das ist ziemlich dunkel.
Welches waren Ihre Highlights bisher in der Staffel? An welche Momente erinnern Sie sich besonders gern?
An die Stunts. Aber eigentlich mochte ich all die Sachen, auch die emotionalen Momente, die mit Dylan Walsh. Ich mag es auch, wenn Carrie so draufgängerisch wird.
Hier in Deutschland kennen Sie die meisten Zuschauer noch aus «Without a Trace»: Was denken Sie ist der größte Unterschied zwischen Sam und Carrie?
Sam hat sich viel mehr an die Regeln gehalten. Carrie ist eher ein wildes Kind – und sie hat diese einzigartige Fähigkeit, die auf dieser Welt auch wirklich existiert. Ich mache als Carrie viele Stunts und viele gefährliche Dinge. Ich schlage Leute, breche die Regeln und ich habe dieses perfekte Gedächtnis, das mir hilft, Verbrechen zu lösen. Und Carrie hat diese dunkle Vergangenheit wegen des Mordes an ihrer Schwester, die Sam nicht hatte. Die Figuren sind sehr, sehr verschieden. Samantha hatte zudem blonde Haare, Carrie Wells rote.
In Deutschland startet die Serie zunächst beim Sender glitz, einem Frauensender, vergleichbar vielleicht mit Lifetime. Wie viel Wert legt die Serie denn darauf, dass Carrie in einer von Männer gesteuerten Umgebung arbeitet?
Wir legen da gar nicht so viel Wert darauf, das bekommt immer weniger Gewicht. Wir behandeln es nicht als Frauen-Sendung oder als Männer-Sendung. Wir wollen das also gar nicht trennen. Ich finde, ihre Rolle ist stark, tough, aber auch verletztlich. Ich finde sie großartig, weil sie immer versucht, das Beste zu tun, um Menschen zu helfen. Sie ist somit ein Vorbild für Männer und Frauen. Für mich ist das alles ohnehin nicht geschlechtsspezifisch.
Bei vielen Serien gibt es Reunions, bei denen sich das Team wieder trifft. Würden Sie sich wünschen, dass es in «Unforgettable» Gastauftritte Ihrer alten Kollegen gibt?
Ich würde es lieben. Absolut. Da würde ein Traum wahr werden. Wir sind alle noch immer beste Freunde. Nichts würde mich glücklicher machen als eine komplette Episode nur mit «Without a Trace»-Gaststars.
Welche Fernsehshows mögen Sie besonders gern?
Ich liebe «The Real Housewives of Beverly Hills» - können Sie das in Deutschland empfangen? Ich liebe diese Show. Ich mag auch «Damages» mit Glenn Close. Und ich schaue gerne Dokumentationen. Den Discovery Channel schaue ich sehr gerne, weil ich ein 4-jähriges Kind habe. Da gucken wir dann Tiersendungen und «Shark Week».
Poppy Montgomery, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben.
Das Interview erschien erstmals bei Quotenmeter.de Ende März 2012.