Pilawa: 'Der A,B,C,D-Alltag stand mir Oberkante Unterlippe'
Vor seiner Pause hatte er genug von Quizshows, jetzt greift er damit wieder an. Welche Schwierigkeiten Unterhaltungssendungen bei den Öffentlich-Rechtlichen haben, verrät er. Genauso, warum er meint, dass es Lanz bei «Wetten, dass..?» kann.
Herr Pilawa, lange Zeit waren die eines der Aushängeschilder der ARD am Vorabend – Sie haben über Jahre hinweg «Das Quiz» moderiert. Ihr Nachfolger Thomas Gottschalk ist mit seiner Sendung nun gescheitert. Ihre Meinung dazu?
Einfach nur schade. Erstens tut es mir leid, dass damit ein Projekt gescheitert ist, mit dem man sich wirklich etwas getraut hat. Wenn jemand etwas Neues versucht, dann sollte das eigentlich honoriert werden. Zweitens hat man gesehen, wie sehr sich Thomas Gottschalk in diese Sendung eingebracht hat. Er brannte definitiv für dieses Projekt. Ich befürchte, dass künftig die ein oder andere innovative Idee in der Schublade bleibt, weil künftig wieder vorsichtiger programmiert wird. Thomas Gottschalk selbst dürfte weniger Schaden genommen habe. Ich bin mir sicher, dass wir ihn bald wieder auf großer Bühne und mit deutlich mehr Publikum in der Halle sehen werden.
Sie haben sich 2010 eine längere Auszeit genommen – ganz bewusst und geplant. Wie haben Sie die Auszeit erlebt und wie sehen Sie sich heute vor der Auszeit? Ausgebrannt?
Ich glaube, ich habe rechtzeitig eine ganz bewusste Entscheidung gefällt, weil ich intensiv Zeit für meine Familie haben wollte. Die hat man zwar auch, wenn man in aktuellen Projekten steckt, aber seien wir doch ehrlich: Wie selten sind wir heutzutage denn wirklich offline? Wann ziehen wir wirklich den Stecker raus? Da schaut man schnell zu Hause nochmal auf die wichtigen Online-Dienste und checkt kurz die Mails? Mir persönlich hat dieses Ausstöpseln sehr gut getan.
Und jetzt sind Sie wieder voll dabei?
Ja, das muss auch so sein. Unser Geschäft ist so unglaublich schnelllebig. Wir haben in den vergangenen Monaten richtig viel ausprobiert und dabei vor allem das Genre Quiz weiterentwickelt. Vor meiner Pause stand mir der A,B,C,D-Alltag Unterkante Oberlippe, das sehe ich heute anders. Mir machen die Sendungen wieder richtig viel Spaß.
Und die Quoten stimmen auch, wie der «Super-Champion» zuletzt zeigte.
Mit dem Format haben wir das Quiz pur geboten: Ein Battle mit echten Experten – darunter zum Beispiel Marcel Reif im Bereich Sport und Tim Mälzer in der Kategorie Ernährung. Wir hatten nur die besten Kandidaten – sie mussten im Vorfeld von 24 Fragen schon 22 richtig beantworten. Und: Am Ende gab es mit Sebastian Jacoby einen echten „Superchampion“ und jeder hat ihm die 500.000 Euro gegönnt.
Aber nicht alles, was Sie im Quiz-Bereich probiert haben, hat auch funktioniert.
Das stimmt. Das «Märchenquiz Reloaded», das wir in der Vorweihnachtszeit gemacht haben, war nicht der Hit. Da muss man dann einfach erkennen, dass die Zeit für so ein Format vorüber ist. Wir beobachten die Zahlen immer ganz genau und entwickeln dementsprechend weiter. Eines ist nicht zu vergessen: Unterhaltungsshows sind kein Selbstgänger, selbst große Neustarts schießen nicht mehr durch die Decke. Das ist anders als noch vor ein paar Jahren.
Es gibt aber auch Ausnahmen: «Schlag den Raab» zum Beispiel.
«Schlag den Raab» ist eine wahnsinnig gute Show, die auch perfekt zu ProSieben passt. Aber sie ist auch für eine klar definierte Zielgruppe gemacht. Wir bedienen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine andere Kernzielgruppe und haben somit eine schwierigere Aufgabe: Wir müssen eigentlich junge Zuschauer hinzugewinnen, ohne unsere Kernzielgruppe zu verlieren. Wenn du mit einer Show anstatt sieben Millionen jetzt drei Millionen extrem Junge holst, dann hast du auch ein Problem. Das ist im öffentlich-rechtlichen Fernsehen schon seit Jahren eine riesige Diskussion, darüber haben wir schon vor zwölf Jahren mit der ARD gesprochen. Hinzu kommt: Die Familie, die sich am Samstagabend zusammen vor den Fernseher setzt, gibt es nicht mehr. Inzwischen gibt es in jedem Haushalt im Schnitt über zwei Fernsehgeräte, dazu kommt die Nutzung im Internet. Zudem gönnt sich «Schlag den Raab» auch eine Sendezeit, die kurz vorm Aufstehen endet, das könnten wir uns nie erlauben.
Das hat letztlich ja sogar «Wetten, dass..?» zu schaffen gemacht.
Wenn die Sendung perspektivisch acht Millionen Zuschauer holt, dann ist das wirklich ein Erfolg. 15 Millionen Zuschauer oder mehr erreicht man heute nur noch mit Fußball-Länderspielen oder anderen richtig großen Sport-Events.
Sie hatten aber einen richtig großen Show-Erfolg, nämlich das «Superhirn» kurz nach Weihnachten mit 6,4 Millionen Zuschauern. Und es wird weitergehen…
An Christi Himmelfahrt, 17. Mai, wird die nächste Sendung kommen.
Ging es nur mir so, wenn ich sage, dass da ein wenig «Wetten, dass..?»-Feeling dabei aufkam?
Naja, gewisse Elemente von «Wetten, dass..?» hatte Superhirn schon. Wir haben Leute in der Sendung, die zeigen, was sie können. Das trifft auch auf eine Show wie «Supertalent» zu. Aber darum würde ich «Superhirn» oder «Supertalent» nicht mit «Wetten, dass..?» vergleichen.
Die Idee für eine Art "Gehirnshow" trage ich schon seit acht oder neun Jahren mit mir rum. Wichtig ist mir bei «Superhirn», die Kandidaten gut vorzustellen. Auch derzeit reise ich wieder quer durch Deutschland, um die MAZen für die nächste Show zu machen. Es reicht nicht mehr, einfach zu sagen: Hier kommt jemand, der etwas kann, Vorhang auf. Die MAZen, die die Kandidaten in ihrem Umfeld vorstellen, waren und sind ein ganz wichtiges Element vom «Superhirn». Ich bin übrigens gespannt, ob wir solche Elemente im neuen «Wetten, dass..?» auch verstärkt sehen werden. Die Kollegen überlegen sich sicherlich genau, wie das Format künftig aussehen soll.
Und Sie sind überzeugt von Markus Lanz, war zu lesen.
Der Lanz, der kanns, das wissen wir alle. Ich bin absolut überzeugt von ihm. Ich glaube, er wird ganz neue Stärken in die Sendung mitbringen. Ich sehe eine Aufwertung in den Gesprächen auf dem Sofa. Letztlich müssen wir aber vier bis sechs Sendungen abwarten, bis sich alles zurecht geruckelt hat und Markus aus der Sendung sein «Wetten dass..?» gemacht hat.
Aber noch einmal zurück zu den Quizshows: «Die Quizshow mit Jörg Pilawa» hat jetzt konsequent Zuschauer abgegeben. Ist das also eines der weniger guten Formate?
Wir schauen uns das ganz genau an. Ich beschäftige mich auch gerne damit, denn letztlich ist die Quote nichts anderes als das Votum der Zuschauer. Wenn wir dann – wie bei der ersten «Super Champion»-Folge – mit zwei Millionen Zuschauern starten, am Ende aber bei weit mehr als sechs Millionen liegen, dann haben wir vieles richtig gemacht. Genauso gibt es auch Sendungen, da haben wir Fehler gemacht. Immer wichtiger wird die Frage der Programmierung. Ist der Mittwochabend wirklich ideal? Was ist eigentlich mit dem Donnerstagabend? Show gegen Fußball läuft wesentlich schlechter als Fiction gegen den rollenden Ball und und und.
«Rette die Million» läuft mittwochs aber doch gut.
«Rette die Million» liegt im Schnitt zur Zeit bei 14,5 Prozent – die Show ist mittlerweile weltweit ein Erfolg. Aber auch hier muss man sich ansehen, wie man sie programmiert: In anderen Ländern läuft ein solches Format als großes Event.
Am 1. Mai machen Sie nun erst einmal die neue Runde «Ich kann Kanzler!» – ab 22.00 Uhr. Die Show kommt irgendwie wieder wie Phoenix aus der Asche…
Ich habe vor einiger Zeit das Original in Kanada gesehen – das hat mir gefallen. Ich habe dann versucht die Rechte zu bekommen. Die gingen aber an i&u. Da habe ich mich ein bisschen geärgert, aber jetzt darf ich die Show ja trotzdem moderieren. Und wenn man sich erinnert: Der Moderator der ersten Staffel ist inzwischen Regierungssprecher. Und der letzte Regierungssprecher ist heute Intendant beim BR.
Sie scheinen noch Pläne zu haben…
Ja, aber die liegen nicht im Bundeskanzleramt. In Kanada hat das Format eine Diskussion über Politik ausgelöst. Die Menschen sind heutzutage nicht Politik-verdrossen, sie sind Politiker-Verdrossen. Wir erhoffen uns mit «Ich kann Kanzler», dass da nicht aalglatte Formalien von Jusos oder JUs aufgesagt werden. Wir wollen von jungen Politikern kontroverse Argumente, die gegen den Strich gebürstet sind.
Was kann der Sieger des Formats letztlich wirklich erreichen?
Monetär erhält er ein Bundeskanzlerinnengehalt. Wichtiger für die Teilnehmer wird aber sein, dass wir ihnen die Öffentlichkeit für ihre Ideen geben. Hinterher hat er es in der Hand, ob er es vielleicht in den Betriebsrat eines großen Unternehmens schafft oder seine Ideen in Vereinen oder Organisationen weiter denkt und lebt.
Schauen Sie eigentlich selbst Castingshows?
Ich gucke immer mal wieder rein, um auf dem Laufenden zu sein. Wirklich gut gefallen hat mir zuletzt «The Voice». Nach dem großen Hype um «Idol» bzw. «Deutschland sucht den Superstar» war das einmal ein anderer Move. Beeindruckt war ich von der Qualität der Sänger, speziell in den ersten Shows.
Sie haben aber auch abseits von Quizshows noch andere Ideen. Die «Versteckte Kamera» zum Beispiel. Gibt es da schon einen Termin für ein Revival?
Die «versteckte Kamera» ist für mich ein Urelement des Fernsehens – es ist richtig, dass wir daran arbeiten. Ich hoffe, dass wir das Format im Spätsommer präsentieren können, aber einen genauen Termin habe ich nicht. Zudem bin ich ja Botschafter der „Aktion Mensch“, die so viele tolle Projekte unterstützt. Ich würde der „Aktion Mensch“ im Rahmen einer großen Show gerne wieder mehr Aufmerksamkeit verschaffen – so wie das damals beim «Großen Preis» war. Da eine Event-Show zu machen, kann ich mir sehr gut vorstellen.
Danke für das ausführliche Interview, Herr Pilawa.