Hollywood vom Bratwurststand

Bei sixx startete am Dienstagabend Jill Kussmacher mit ihrer ersten eigenen Show. Der Zuschauer durfte sich über eine Stunde voller Belanglosigkeiten und Oberflächlichkeit freuen.

Dokusoaps über Auswanderer gibt es in Deutschland beileibe nicht zu wenige. Alleine VOX hat mehrere solcher Formate im aktuellen Repertoire und konnte somit Daniela Katzenberger sogar eine beachtliche Karriere ermöglichen. Das "Cafe Katzenberger" ist im 9.000 Einwohner starken Örtchen Santa Ponca auf der Baleareninsel Mallorca inzwischen zu einer echten Touristenattraktion geworden. Jill Kussmacher träumt in der nach ihr benannten Reality-Sendung ebenfalls von einer Karriere dieser Couleur – und der Fernsehzuschauer darf in insgesamt sechs Folgen Teil dieses Traums werden. Was auf den ersten Blick wie eine relativ simple und mindestens ebenso oberflächliche Katzenberger-Kopie klingt, wird leider auch beim zweiten Hinsehen nicht tiefgründiger.

Doch worum geht es in der Auftaktfolge eigentlich konkret? Jill Kussmacher, eine "Berliner Göre, die auszog, um in Hollywood berühmt zu werden", wandert in die Vereinigten Staaten aus und versucht, in Los Angeles Fuß zu fassen. Um eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, kann sie sich jedoch nicht einfach auf die faule Haut legen und den Reichtum ihrer als Immobilienverwalter tätigen Eltern verprassen. Die Amerikaner verlangen nämlich für ein Visum, dass sie einen eigenen Betrieb führt und darin dauerhaft auch Mitarbeiter einstellt. Die Geschäftsidee "der Kussmacher", wie sie von der weiblichen Off-Stimme immer wieder betitelt wird, ist ein Food Truck mit deutschen Bratwürsten, durch den sie erste Einnahmen generieren möchte.

Das große Ziel der Dame ist jedoch, berühmt zu werden. Diese unstillbare Gier nach Bekanntheit und öffentliche Anerkennung stellt auch ihren eigentlichen Beweggrund für die Reise in die USA dar, wie sie in der Auftaktfolge nicht müde wird, zu betonen. Und somit offenbart sich dem Zuschauer ziemlich schnell, welch eine Person der Star dieser Sendung ist: Eine weitere oberflächliche und recht karrieregeile, deren wichtigste moralische Grundsätze in einer der zahlreichen Klatschzeitschriften zu finden sind – und somit auch ein Stereotyp, der sich im deutschen Fernsehen wahrlich nicht zu selten selbst inszenieren darf.

Im ersten Teil der Auftaktepisode wird dieser Prototyp schlicht dabei begleitet, wie er sich im Jahr 2011 sein "Business" aufgebaut hat. Wohl auch aufgrund einer relativ bescheidenen Dichte an verwertbarem Material zeigt man ihn gleich zehn Minuten beim überaus beschwerlichen Kauf des Trucks, der mehrmals nicht anspringen möchte, danach jedoch zuverlässig die deutschen Bratwürste von Ort zu Ort fährt. Wem das noch nicht mitreißend genug ist, der darf sich alle paar Minuten Jill Kussmachers Kommentare anhören, die sich zumeist auf ihre Träume, ihre Einstellung, ihre Familie oder ihre überaus bedeutenden Probleme mit Einheimischen oder Freundin Doreen beziehen. Man gewinnt so schnell den Eindruck, dass die Hauptperson hier tatsächlich kein anderes Thema als sich selbst kennt.

Doch inhaltliche Belanglosigkeit ist kaum etwas Neues für Zuschauer von Daniela Katzenberger und Co. Was der Berlinerin jedoch abgeht, ist das gewisse Maß an Sympathie, das man einer Katzenberger nur schwer nicht zuteilwerden lassen kann. Kussmacher wirkt zwar etwas intelligenter, dafür aber auch wesentlich beliebiger und berechnender als die gebürtige Ludwigshafenerin. Somit gelingt es ihr in der ersten Folge kaum, das Herz des Zuschauers zu gewinnen. Das jedoch ist bei einer solch personenzentrierten Sendung von unschätzbarer Bedeutung, um das Publikum bei der Stange zu halten. Ist es diesem nämlich so egal wie hier, was mit der Protagonistin geschieht, wird ihm auch die Sendung endgültig egal. Zumal zumindest die Auftaktepisode noch nicht einmal beeindruckende Bilder aus der Welt der Schönen und Reichen liefern kann.

Die Produktion der Sendung verläuft artgerecht, ohne wirklich herausstechen zu können. Mit dem einfachen Mix aus Off-Stimme, Dialogen vor Ort und weiteren Kommentaren von Kussmacher im Nachhinein hat man nicht mehr, aber immerhin auch nicht weniger zu bieten als andere Sendungen dieser Art. Das eigentliche Geschehen ist dafür, dass man in der ersten Folge insgesamt über ein Jahr Revue passieren ließ, schon arg dünn, denn nach der obligatorischen Vorstellung und dem Truck-Kauf sieht man nicht mehr als den umherfahrenden Wagen und die unter ständigen Stimmungsschwankungen leidende Jill Kussmacher, die sich am Ende der Folge immerhin berechtigte Hoffnungen auf ein Engagement an einem bekannten Filmset machen darf.

Beglückwünschen darf man nach diesem Start somit vor allem diejenigen, die ihn nicht sehen konnten oder wollten. Dokusoaps über verwöhnte Mädchen mit dem dringenden Drang nach Aufmerksamkeit gibt es genug - doch manche davon sind im Gegensatz hierzu zumindest unterhaltsam. «Jill Kussmacher: Glamour, Grill & Hollywood» ist neben der zu erwartenden Oberflächlichkeit hingegen sogar beinahe schon einschläfernd belanglos und wohl kaum weiterer Beachtung wert. Für einen fünfminütigen Clip bei «red!» oder dem Sat.1-«Frühstücksfernsehen» mag dies noch ausreichen, eine Primetimesendung über eine Stunde trägt dies jedoch ganz und gar nicht.
16.05.2012 08:50 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/56753