Die Kritiker: «Sherlock: Die Hunde von Baskerville»

Inhalt
Üblicherweise ist Sherlock ein kopfgesteuerter, kühler Mensch, doch seit er von seinem älteren Bruder eine Zigarette spendiert bekam, ist seine Nikotinsucht wiedererwacht. Und da ihn seine Haushälterin Mrs. Hudson und Watson auf einen Zigarettenentzug setzen, überkommt Sherlock mit der Sucht auch eine schier irrationale Nervosität. Erst das Versprechen eines aufregenden, vertrackten Falls kann den meisterhaften Privatdetektiv wieder in gewohnte Bahnen lenken: Ein panischer, junger Mann namens Henry Knight erzählt, dass er als kleiner Junge miterleben musste, wie sein Vater in den schaurigen Sümpfen Dartmoors von einem riesigen Hund zerfleischt wurde. Seither leidet Henry an einem schweren Trauma. Nun soll Sherlock endlich Licht in das Dunkel Henrys albtraumhafter Erinnerungen bringen und die Geschichte, die jeder andere als Irrsinn abtut, als wahr beweisen.

In der ländlichen Gegend nahe des Sumpfes angekommen, erkennen Sherlock und Watson, dass die Sage um den mysteriösen, blutrünstigen Hund längst zu einem Touristen-Lockmittel wurde. Bedrohlicher scheint schon eher die streng bewachte Militäranlage bei Baskerville, in welcher die Anwohner die unheimlichsten Experimente vermuten. Während Sherlock und Watson alles auf eine Karte setzen, um sich Zugang zum Militärlabor zu verschaffen, wird Henry von immer intensiver werdenden Angstzuständen geplagt. Nicht nur seine Erinnerungen rauben ihm die Nerven, er fühlt, dass die Bestie es nun auf ihn abgesehen hat ...

Darsteller
Benedict Cumberbatch («Dame König As Spion») ist Sherlock Holmes
Martin Freeman («Breaking & Entering») ist Dr. John Watson
Una Stubbs («Mist: Sheepdog Tales») ist Mrs. Hudson
Rupert Graves («Sterben für Anfänger») ist Inspektor Lestrade
Russel Tovey («Being Human») ist Henry Knight
Amelia Bullmore («Ashes to Ashes - Zurück in die 80er») ist Dr. Stapleton

Kritik
Ein zentrales, wenngleich von den Machern nicht auffällig in den Vordergrund gerücktes, Thema der zweiten «Sherlock»-Staffel ist die Demontage von Sherlocks Selbstbild, er sei ein intellektuelles Wunder, das fernab der emotionalen Schwächen seines Umfeldes existiert. Dass Sherlocks Verstand und Sinne, sein hoher Geist, noch immer an einen normalen Körper gebunden sind, deutete sich in der Episode «Sherlock: Ein Skandal in Belgravia» bereits dadurch an, dass er sich von der gleichwohl betörenden wie scharfsinnigen Irene Adler mittelfristig in die Irre führen ließ. Wie sehr nun Romantik, Sinnlichkeit oder doch nur empathische Faszination Sherlocks Schwäche für Adler bestimmten, überließen die Serienmacher ihrem debattierfreudigen Fankreis, indem sie genug Scherze in jene, und inszenatorische Andeutungen in die andere Richtung machten.

«Sherlock: Die Hunde von Baskerville» beschäftigt sich noch intensiver mit den körperlichen Schwächen, die auch ein Genie wie Sherlock überlisten können. Bereits der von Cumberbatch äußert witzig gespielte und von einem kühl agierenden Freeman kommentierte Prolog, in welchem Sherlock wie im Wahn nach Nikotin giert, zeigt, dass ihn seine Nerven im Stich lassen können. Dass Sherlock dies selbst nicht erkennt, ist clever und verrät einiges über seinen Charakter. Im Laufe des unheimlichen Kriminalfalls aber erkennt auch Sherlock, dass ihn seine Sinne daran hindern können, seinen messerscharfen Verstand vollauf zu lenken. Auf gewisse Weise ist «Sherlock: Die Hunde von Baskerville» deshalb eine sehr charakterzentrische Episode, insbesondere auch, weil Sherlocks blitzschnelle Beobachtungsgabe seitens der Autoren vermehrt dazu gebraucht wird, nicht den Fall zügiger aufzuschlüsseln, sondern durch die beachteten Details und Cumberbatchs Tonfall die Gefühlslage oder Gedankenwelt des Privatdetektivs aufzuzeigen.

Auf der anderen Ebene jedoch ist die Folge auch der Versuch, die mysteriöse und berühmte Geschichte von Sir Arthur Conan Doyle in die Gegenwart zu versetzen. Dies geht mit vielen eingeschobenen Suspense-Sequenzen einher, die zwar atmosphärisch fotografiert sind, gerade zur Mitte der Episode hin in ihrer Ausführlichkeit allerdings auch den Plot ausbremsen. So kommt es, dass der Fall dünner und die Lösung nahe liegender ist, als bei den bisherigen «Sherlock»-Folgen, wodurch die Fallhöhe für das Ermittlerduo Sherlock & Watson sogar trotz eines Zwists zwischen ihnen niedriger liegt. Außerdem bietet diese Episode zur Mitte hin weniger des genialen Dialogwitzes, der die Serie so sehr mitprägt. Somit hat sie im Vergleich zum Staffelstart trotz einer dichteren Atmosphäre sowohl weniger Witz als auch weniger Brisanz zu bieten. Dank weiterer beeindruckender visueller Ideen und mehr Dramatik im Zusammenspiel von Freeman und Cumberbatch hält sich der qualitative Abstand zum Staffelauftakt aber in überschaubaren Grenzen.

Das Erste strahlt «Sherlock: Die Hunde von Baskerville» am Sonntag, dem 27. Mai 2012 um 21.45 Uhr aus.
25.05.2012 08:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/56907