High-Heels, Tränen, dürre Mädchen – 7 Jahre «Germanys Next Topmodel»

Nach sieben Staffeln der einst so erfolgreichen Castingshow «Germanys Next Topmodel» geht es langsam bergab für die Klumsche Modelshow. Am Donnerstag zur besten Sendezeit steigt das Finale - Zeit für eine Bilanz und die Frage: Wie geht es weiter?

Es ist immer wieder erstaunlich, wie lange sich ein- und dieselbe Sendung über Jahre hinweg in der Gunst der Zuschauerschaft behaupten kann. Und jene Sender, die ein solches Format besitzen, können sich glücklich schätzen. Unter anderem fällt darunter auch die Castingshow «Germanys Next Topmodel», die im Jahr 2006 zum ersten Mal auf Sendung ging. Nach dem amerikanischen Vorbild «America’s Next Topmodel» bahnte sich die Talentsuche ihren Weg durch den damals anhaltenden Casting-Boom vorzugsweise auf die Bildschirme junger, weiblicher Zuschauerinnen. Während man in den USA auf Modelikone Tyra Banks als das Gesicht der Show zurückgriff, bot sich in Deutschland niemand Geringeres als Vorzeigemodel und Karrierefrau Heidi Klum an, ihr weitestgehend makelloses Image für die Show zur Verfügung zu stellen.

Und gerade in puncto PR zeigte das Format, wie man im Gespräch bleibt: Skandale um viel zu dünne Mädchen, das Vorleben falscher Ideale, Streitereien unter den Kandidatinnen – und das alles vor dem Hintergrund einer Hochglanzproduktion, die sich durchaus auch auf internationalem Parkett behaupten konnte. Jury-Mitglieder wie Bruce Darnell und Rolf „Rolfe“ Scheider wurden zu Kultfiguren, jede Staffel erhielt ihr eigenes Fanmagazin und die Finals fanden stets vor ausverkaufter Kulisse großer Arenen statt. Grundsätzlich zeigte «Germanys Next Topmodel» der Konkurrenz also auf, wie man ein Format wird, das auch abseits der wöchentlichen Ausstrahlung zum Gesprächsthema avanciert. Doch wie auch vielen anderen Castingshows wurde diesem Format eben jene Regelmäßigkeit zum Verhängnis.

Von Beständigkeit zur Langeweile
Bereits in den ersten beiden Staffeln schien sich ein Schema abzuzeichnen, welches man aus Sendersicht sicher als Erfolgsrezept hätte bezeichnen können. Zugegeben: in der Anfangszeit der Show hätte eben jenes Erfolgsrezept seine Titulierung durchaus verdient, denn von einem Abwärtstrend aus Quotensicht war man in den ersten Staffeln noch weit entfernt. Der Grund hierfür schien zunächst so banal wie genial: eine Castingshow in Hochglanzbildern, exotische Orte, schöne Frauen, Heidi Klum als Vorbild einer ganzen Zielgruppe und ein hohes Konfliktpotential allein durch die Tatsache, dass man eine ausschließlich weibliche Gruppe über Wochen beim Konkurrenzkampf beobachtet – all das war neu in Deutschlands Castinglandschaft. Schlagabtausch sorgte für Schadenfreude, Heimweh unter den Mädchen für Mitgefühl und viele der jungen Damen besaßen ihren ganz eigenen Unterhaltungswert.

Gerade auf Letzteres schien ProSieben ab sofort nicht mehr verzichten zu wollen und setzte bei der Zusammensetzung der „Competition“ von nun an auf eine nur allzu deutliche Regelmäßigkeit. Das Zauberwort lautete Typisierung. Da gab es die Vorlaute, die jede Staffel brauchte. Als Konfliktherd und als Auslöser von Streits. Es brauchte die Favoritin, die neidische Blicke auf sich zog, da ihr in den Challenges alles gelang, sie so gut wie jeden Job bekam und sich damit unfreiwillig unbeliebt machte. Dann gab es noch die Schüchterne, die erst im Laufe der Staffel aufblühte und es schließlich sogar bis ins Finale schaffte. Unter all diese Mädchen mischten sich zusätzlich noch ein paar, die sich nicht in ein Schema pressen lassen wollen und sich dementsprechend einzigartig und gerne auch mal „total verrückt“ nannten.

Diese Charakterisierungen mochten zunächst der Schlüssel zum Quotenerfolg sein: Immerhin brachten viele verschiedene Mädchentypen viel Abwechslung in die einzelnen Folgen. Betrachtete man dieses Konzept jedoch über die Dauer einiger Jahre, so erschloss sich schnell, was hierbei auf der Strecke bleiben musste: die Glaubwürdigkeit. Gerade im Hinblick auf Spin-Off-Formate wie «Die Model-WG», in welcher ProSieben besonders impulsive Charaktere einzelner Staffeln aufeinandertreffen ließ, wurde deutlich, dass der eigentliche Zweck der Show – die Modelsuche und Talentförderung – zu Gunsten der Sensationsgier zurückstecken musste. Von nun entfernte sich «Germanys Next Topmodel» in immer größeren Schritten von einem einst relativ ernstzunehmenden Wettbewerb.

Ein Titel, der kein Titel ist
Dieser langsame, aber stetige Schwerpunktwechsel schlug sich mit der Zeit auch auf den dauerhaften Erfolg der Siegerinnen nieder. Als 2006 die damals 17-jährige Marburgerin Lena Gercke den Titel als „neues deutsches Topmodel“ für sich verbuchen konnte, schien eine Deutschland-, wenn nicht gar Weltkarriere nicht ausgeschlossen. Heute, sechs Jahre später, ist Gercke immer noch in den Schlagzeilen. Nicht aufgrund von Skandalen, etwa Teilnahmen an C-Promi-Shows, sondern vorzugsweise in Verbindung mit News aus dem Karriereleben. Man möchte sagen, in ihrem Fall ist aus Klums Modelschule tatsächlich ein A-Promi hervorgegangen. Doch bereits ein Jahr später, als langsam begonnen wurde, nicht mehr nur auf Model-, sondern vor allem auf Entertainerfähgkeit zu casten, wendete sich das Blatt, nachdem 2007 die rothaarige Barbara Meier gewonnen hatte und nur wenige Monate später wieder von der Bildfläche verschwunden war. Zwar sagte Meier ganz ohne Skandale „Adieu!“ zu den roten Teppichen Deutschlands, doch außer des Konfettiregens im «Topmodel»-Finale war ihr Glanz und Glamour nicht lange vergönnt. In den darauffolgenden Jahren gelang es 2009 lediglich der Äthiopierin Sara Nuru, sich – gepusht von ProSieben – über einige Jahre hinweg im TV-Business zu halten. Doch auch ihr sollte eine internationale Topmodel-Karriere im Stile von Campbell, Bündchen und Co. nicht gelingen.

Für die Gewinnerinnen der nächsten Jahre sollten mit dem Ausgehen der Bühnenlichter der Finalarena gleichzeitig auch die Rampenlichter ausgehen, sodass man besonders auffällige Kandidatinnen – jedoch niemals die Siegerinnen selbst – oftmals später noch beim «Perfekten Promi-Dinner» oder sogar im «Dschungelcamp» wiedersehen konnte, allerdings nicht in nationalen und internationalen Modemagazinen. Der Titel „Deutschlands nächstes Topmodel“ ist aus dieser Perspektive betrachtet kein Türöffner (mehr), wie er es in der ersten Staffel einmal war, sondern lediglich der Preis für Wochen harter Arbeit vor den TV-Kameras in einem Format, das sich stetig von einer Talentshow zu einer Mischung aus Daily-Soap und Lifestyle-Magazin entwickelte. Dass der Siegerin ein Vertrag mit einer anerkannten Modelagentur winkt, die – wie sollte es anders sein –, eine 100-prozentige Tochter der Heidi Klum GmbH ist und die Klum-Familie damit auch noch nach dem Finale der eigentlichen Staffel ordentlich Geld verdient, war oftmals Teil vieler Spekulationen über Knebelverträge und Ausbeutung der Kandidatinnen. Letztlich muss man dieser Tatsache aber zu Gute halten, dass diese für die Models einen weitestgehend leichten Einstieg ins Modellleben bieten soll. Umso bedauerlicher erscheint die magere Ausbeute an wirklichen Topmodels aus allen vergangenen «Topmodel»-Staffeln.

Zukunftsmusik
Wenn am Donnerstag vor 15.000 Zuschauern in der ausverkauften Kölner Lanxess-Arena die Siegerin gekürt wird, werden sicher nicht nur die Zuschauer an den Bildschirmen ganz genau hinschauen. Gerade für potentielle Werbepartner, die die Siegerin in naher Zukunft unter Vertrag nehmen könnten, wird das finale Schaulaufen ein besonderer Event. Denn nach wie vor stellt «Germanys Next Topmodel» ein qualitativ hochwertiges Format dar, mit dessen Image man sich oder seiner Firma nicht schaden kann. Doch vor allem liegt es an der Siegerin, das Beste aus ihrem Titel zu machen und sich auch abseits der Laufstege im Gespräch zu halten.

Der Sendung selbst würde selbiges gut tun, wenn nicht gar ein Überdenken der aktuellen Richtung, in welche die Show sich einst verfuhr. Denn wie auch das amerikanische Vorbild muss sich die deutsche Version dringend etwas einfallen lassen, um der zum überlangen Boulevard-Magazin verkommenen Talentshow ein frisches Image zu verpassen. Zwar ist man aktuell von einer regelrechten Misere in Quotendingen noch entfernt, doch in der Anfangsphase fegte die Show zumindest das weibliche Publikum regelrecht von der Straße. Dies hat sich geändert.

Entscheidet sich ProSieben in den kommenden Monaten, der Show den einstigen A-ha!-Effekt wieder zu gönnen und weniger auf das mittlerweile totgelaufene Prinzip der Mädchenzusammenstellung zu bauen, dann heißt es vielleicht 2013 etwas interessanter: „Heute habe ich ein Foto für Dich!“
07.06.2012 09:45 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/57146