Die Kritiker: «Der Landarzt: Herzensreise»

Story
Florian Jantzen gewinnt bei Radio Förde eine Reise auf einem Kreuzfahrtschiff - und darf wegen der Schule nicht mit. Dafür stechen seine Mutter Maren, ihre Mutter Doris und Landarzt Dr. Bergmann kurzfristig in See. Jans Vater, Professor Heinrich Bergmann, kümmert sich derweil um die Praxis und um seinen Enkel. Auch Kräuterdoktor Hinnerksen und seine Frau Gertrud sind mit an Bord: Sie haben die Ostseereise von Frau Jürgens geschenkt bekommen. Vor allem auf die Weißen Nächte in Sankt Petersburg freut sich die illustre Reisegruppe aus Deekelsen.

Für Jan Bergmann ist es daher eine große Überraschung, als er auf dem Schiff seinen alten Mentor und Freund Dr. Matthias Lenz wieder trifft, den er aus seiner Zeit in Südafrika kennt. Doch der Schiffsarzt hat sich sehr verändert. Er ist gegenüber Jan abweisend und wenig freundlich, außerdem scheint es ihm auch gesundheitlich nicht gut zu gehen. Seine ganze Aufmerksamkeit gilt der bekannten russischen Zauberin Nadjeschda Voronin, die für die Unterhaltungsshow an Bord gebucht worden ist. Sie feiert auf dem Schiff ihren alljährlichen "zweiten" Geburtstag, denn sie ist seit acht Jahren herztransplantiert. Den attraktiven Schiffsarzt, der sich so rührend um sie bemüht, findet sie auf Anhieb sehr sympathisch. Es stellt sich heraus: Seine Frau und seine Tochter sind vor Jahren verstorben und der russischen Zauberin ist das Herz der Tochter eingepflanzt worden.

Als Doris über Schmerzen in der Bauchgegend klagt, nimmt Dr. Lenz ihre Beschwerden in Jans Augen nicht richtig ernst. Doris' Zustand verschlechtert sich im Verlauf der Reise zunehmend, bis sie mit einem Herzstillstand zusammenbricht. Auch in Deekelsen ziehen dunkle Wolken auf: Jens Halling gerät in Verdacht, aus der Landarzt-Praxis einen größeren Geldbetrag entwendet zu haben. Und Florian, der mit Heinrich Bergmann für eine Deutscharbeit gelernt hat, kommt frustriert mit einer Vier nach Hause. Da gewinnt er mit dem Wissen um ein Gedicht eine Reise im Radio, aber in der Gedichtinterpretation schreibt er eine schlechte Note? Sein Lehrer Erik Wilfert wundert sich, wessen Gedanken da wohl zu Papier gebracht worden sind.

Darsteller
Wayne Carpendale («Unser Charly») als Dr. Jan Bergmann
Meret Becker («Rossini») als Nadjeschda Voronin
Konstantin Wecker («1945») als Dr. Matthias Lenz
Caroline Scholze («SOKO Leipzig») als Maren Jantzen
Erika Skrotzki («Bronski und Bernstein») als Doris Jantzen
Franziska Troegner («Mama ist unmöglich») als Gertrud Hinnerksen
Gerhard Olschewski («Hallo Robbie!») als Alfred Hinnerksen

Kritik
Eigentlich ist es ja völlig unfassbar, was man hier zu sehen bekommt: Ein Schiffsarzt fängt ein Verhältnis mit seiner Patientin an (oder versucht es zumindest), der vor Jahren das Herz seiner verstorbenen Tochter eingepflanzt wurde. Wenn eine Frau am Hafen nach Luft japst, haben die beiden behandelnden Mediziner noch genug Zeit, ein paar bedeutungsvolle Blicke auszutauschen. Und wenn es ans Wiederbeleben der Schwiegermutter des Hauptprotagonistenarztes geht, muss deren Tochter natürlich im Close-Up „Jan, bitte lass sie nicht sterben“ in die Kamera brüllen. Willkommen zurück in der guten alten «Landarzt»-Welt mit Geschichten, die in dieser schamlosen und unverblümten Borniertheit (Drehbuch: Manfred Kosmann) und der aufgesetzten Kitschinszenierung (Regie: Hans Werner) wohl nur beim ZDF zu finden sind.

Was man hier präsentiert, ist eine Zelebrierung des Einfachen und Banalen. Ein Universum, in dem sich Konflikte in Luft auflösen, wenn der Zufall nur ordentlich mithilft, in der alles durch genug Herzblut zu bewältigen ist, in der das obligatorische Happy End vorprogrammiert ist. Was man ablehnt: Das sieht man an dem Sub-Plot um Jans Sohn, dessen Großvater ihm bei der Gedichtinterpretation zur Hand geht. „Bestimme die äußere Form“, lautet die Aufgabenstellung. Als die Haushälterin Frau Jürgens das mitbekommt, ist sie empört: „Äußere Form. Es geht um Liebe. Das muss man fühlen.“ Diese Szene offenbart alles, worauf man hier aus ist, welche Weltanschauung man hier transportiert. Analyse, Denken, rationale Werte – all das wird hier konsequent abgelehnt, ist zweitrangig, wird als kalt und sinnlos dargestellt.

Klar, dass dann vom Drehbuch nicht mehr übrig bleibt als berechneter Eskapismus und unausgegorenes Gewäsch, eine Mischung aus maßlos überzogenen Figurenzeichnungen und sinnentleertem Gestotter der Protagonisten. Man kennt das bereits in diesem Format. Und das Schlimmste ist: Mehr will man hier wahrscheinlich gar nicht.

Da ist es wenig überraschend, dass hier am Set nichts mehr zu retten ist. Wayne Carpendale mit blendend weißem Zahnpastalächeln und sturmfester Frisur erfüllt mit diesen zwei Attributen sämtliche Kernkompetenzen, die man für eine derartige Rolle eben zu erfüllen hat, und Konstantin Wecker darf den verbitterten alten Mann mimen, der nun aber zum zweiten Frühling aufbrechen soll; so verlangt es zumindest das Drehbuch. Dass der «Landarzt» qualitativ tot auf dem Tisch liegt, ist nicht neu.

Das ZDF strahlt Die Kritiker: «Der Landarzt: Herzensreise» am Dienstag, den 12. Juni 2012, um 20.15 Uhr aus.
11.06.2012 11:43 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/57228