Günther Jauch: 'Komplizierte Sachverhalte gut und verständlich erklären'
Sommerpause für «Günther Jauch»: Nach 36 Folgen seines ARD-Talks steht eine positive Bilanz. Höhere Reichweiten und bessere Marktanteile als bei seiner Vorgängerin «Anne Will». Wir sprachen mit ihm aber auch über aufgekommene Kritik und versuchen sein Erfolgsgeheimnis zu entschlüsseln.
Herr Jauch, schön, dass Sie sich vor Ihrem Sommer-Urlaub noch Zeit nehmen um ein Fazit nach der ersten «Günther Jauch»-Staffel zu ziehen. Ist man denn nach 36 Live-Sendungen, noch dazu immer am Wochenende, erschöpft oder hält sich das in Grenzen?
Nein, Erschöpfung sieht anders aus, aber natürlich freue ich mich als chronischer Wochenendarbeiter nun auf freie Wochen und Wochenenden im Sommer.
Blicken wir doch noch einmal ein bisschen zurück: Die erste Sendung lief am 11. September 2011 – wie würden Sie diese nach heutigem Stand qualitativ einordnen? 80 Prozent? 90?
Quotenmäßig gehörte sie zu unseren stärksten. Qualitativ sehe ich sie sogar eher bei 70 Prozent. Es war der "Zehnjahrestag" der Anschläge vom 11. September, ich selbst war auch noch sehr nervös und insofern auch alles noch etwas holprig.
Es gab ja direkt danach leichte Häme wegen der akustischen Probleme. Die wurden schnell behoben. Hat Sie das geärgert oder war das in Ordnung für Sie, weil es anscheinend sonst nicht viel zu kritisieren gab?
Wir wussten, dass die akustischen Probleme in so einem Industriedenkmal wie dem Gasometer zu den großen Herausforderungen gehören würden. Da gelten ganz andere Gesetze als in einem akustisch "cleanen" Studio. Aber wir wollten eben auch nicht aus einem fensterlosen Raum mit drei Pappstellwänden im Hintergrund senden, sondern mitten aus dem richtigen Leben in Berlin. Das war und ist tatsächlich mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Gleich vier Akustiker haben sich daran abgearbeitet und leider kamen alle zu unterschiedlichen Ergebnissen. Da musste in sehr kurzer Zeit eine funktionierende, aber eben auch kostspielige Lösung her. Aber das war es unserer Firma i&u, die das letztlich verantwortet, wert. Insbesondere, weil ich glaube, dass Fernsehen eben auch sehr stark von einer Ästhetik des Raumes lebt – und da haben wir uns für etwas sehr Besonderes entschieden. Die Reaktionen von Gästen, Zuschauern vor Ort und vor dem Fernseher zeigen uns: Das war eine richtige Entscheidung.
Aber dann ging die Kritik ja weiter: Vor allem anfangs gab es Stimmen, die durchaus kritisch sagten, nun habe auch die ARD eine Art «sternTV». Wie sind Sie mit dieser Kritik umgegangen?
Den Gedanken habe ich von Anfang an nicht nachvollziehen können. Zwischen «sternTV» und dem Sonntagabend gibt es nur eine Parallele, auf die ich auch großen Wert lege: Die Filmzuspielungen müssen auch komplizierte Sachverhalte gut und verständlich erklären können. Gesellschaftspolitische Zusammenhänge zu verdeutlichen und auch mal zu vereinfachen, ohne deshalb oberflächlich zu sein, halte ich für sinnvoll. Ich würde gerne mehr Menschen, die sich eigentlich als politikfern bezeichnen würden, an entsprechende Inhalte heranführen. Gleichzeitig sollte die Sendung selbstverständlich auch für den von Haus aus schon umfassender informierten Zuschauer ein Gewinn sein. Ich glaube zudem, dass genau das eine Aufgabe ist, die dem klassischen öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag entspricht.
Ein Blick auf die Quoten zeigt Folgendes: Die drei quotenstärksten Sendungen waren „Aldi“, „Klartext in der Krise“ und die Sendung zum „11. September“. Also zumindest zwei Sendungen mit sehr politischem Thema. Der Vorwurf, Sie würden die besseren Quoten auch über „leichtere Themen“ holen, lässt sich somit nicht halten. Worin liegt denn das Erfolgsgeheimnis für die steigenden Werte?
Das kann ich Ihnen nicht sagen, aber wir haben uns mit einem völlig neuen Team vom ersten Tag an sehr, sehr angestrengt. Schon Sabine Christiansen hatte ja auf dem Sendeplatz immer sehr gute Quoten. Die hat Anne Will noch einmal gesteigert und in ihrem letzten Jahr sogar noch einmal eine Schippe draufgelegt. Wir sind jetzt natürlich froh, dass sich die Sendung inhaltlich auf den richtigen Weg gemacht und gleichzeitig in dieser Staffel die höchste Akzeptanz aller Zeiten erfahren hat. Das macht uns Mut, den Weg – auch um den Preis von gelegentlichen Widerständen – weiterzugehen.
Bei den 14- bis 49-Jährigen kommen Sie auf bis zu 9,9 Prozent Marktanteil, im Schnitt auf mehr als sieben Prozent. Liegt das an Ihnen oder ist es eben die etwas andere Aufmachung der Sendung, die mehr „Werberelevante“ anzieht?
Ich halte es für ungemein wichtig, dass sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten auch der jüngeren Zielgruppe öffnen und sie nicht kampflos den Kommerziellen überlassen. Darauf haben wir mit historischen, aber z.B. auch ökonomischen Themen gesetzt. Heute schauen nach dem «Tatort» bei uns so viele junge Leute zu wie noch nie zuvor auf diesem Sendeplatz. Und es sollten wirklich noch mehr werden. Aber wir sind über die Fortschritte im ersten Jahr doch schon sehr froh.
Ein wichtiges Thema war natürlich der Fall Christian Wulff und seine Folgen. Im Nachhinein betrachtet – gab es zu dieser Affäre zu viele (ARD)-Talkshows? Als Zuschauer fühlte man sich davon schon ein wenig überrollt…
Da haben wir eine interessante Erfahrung gemacht. Nicht wenige haben so ähnlich argumentiert wie Sie gerade. Dann hat sich aber herausgestellt, dass gerade diese Menschen alle unsere Sendungen zu dem Thema von Anfang bis Ende verfolgt hatten. Das heißt: Zwischen dem, worüber man nach außen ein bisschen mault und dem, was einen dann doch stärker interessiert, tut sich eine Lücke auf. Die stellen wir im Fernsehen übrigens sehr oft fest. Ein interessantes Phänomen.
Gibt es einen wichtigen Erkenntnisgewinn von Ihnen nach 36 Sendungen, mit dem Sie im vergangenen Sommer so gar nicht gerechnet hätten?
Eine Gesprächssendung sieht einfach aus. Da sitzen halt ein paar Menschen und unterhalten sich und dazwischen sitzt einer, der immer mal eine Frage stellt. Was so leicht daherkommt, ist wirklich oft ein kompliziertes Gebilde mit einer Mischung aus sehr präziser inhaltlicher Vorbereitung, richtiger Zusammenstellung der Gäste, unterstützenden Filmzuspielungen, hartem Arbeiten an der Verständlichkeit und dem Glück oder Pech, das Sie in einer Live-Sendung dann immer noch unkorrigierbar ereilen kann.
Apropos Live-Sendung: Viel Lob haben Sie für eine ungewöhnliche und im Fernsehen auch nicht unbedingt alltägliche Reaktion erhalten: Als ein Berliner Student die Bühne stürmen wollte, von Securities entfernt wurde und Sie ihn dann zurückbringen ließen. Da handelt man aus dem Bauch heraus, oder?
Ja, das können Sie vorher nicht üben und das ist am Sonntagabend in der Geschichte der Sendung bisher auch noch nie passiert. Da reagieren Sie einfach total aus dem Bauch.
Und – eine letzte Frage noch, Herr Jauch. Zur Fußball-EM kann ich Sie natürlich nicht entlassen, ohne den ehemaligen Sport-Moderator gefragt zu haben: Wie weit schaffen es Jogis Jungs?
Eigentlich sind sie jetzt mal dran und ich würde es dieser so guten und auch klugen Mannschaft gönnen. Wenn da nicht diese Spanier wären ...
Herr Jauch, danke für das Interview und einen erholsamen Sommer-Urlaub.