Muss das Fernsehen sich schnell und radikal verändern? Unser Kolumnist und Showmaster 2.0 Rob Vegas wagt den Zeilensprung am Sonntag.
Waren Sie schon einmal in Gesprächen mit Sendern und Produktionsfirmen? Meist gibt es dort immer reichlich Cola in 0,2 L Glasflaschen und belegte Brötchen für eine ganze Kompanie. Beim «WDR» vielleicht sogar eine warme Mahlzeit. Man selbst fühlt sich in diesen Gesprächen schnell dem Start des eigenen Intros in der Flimmerkiste nah.
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Was man schnell merkt und gar nicht glauben mag? Es geht nicht um die Ideen und die neuen Möglichkeiten. Es geht fast immer um die Formatierung des Produktes. Was wird in der ersten Staffel passieren? Was kostet es? Brauchen wir Publikum, ein Studio, oder können wir es billig auf der Straße produzieren? Welche Einspieler werden gedreht und wie viele davon passen in die 45 Minuten?
Das Fernsehen denkt komplett anders. Es denkt an Kosten für eine komplette Staffel. An nötiges Personal, erreichbare Quoten und ein Sendeumfeld. Wo können wir es wann testen? Wie stehen die Chancen? Wer floppte mit einem ähnlichen Format in letzter Zeit? Was hat sich bewährt und ist gerade in Amerika aktuell? Was man merkt? Der Künstler ist hier schnell der unwichtigste Teil im Räderwerk. Sie werden zum Moderator dieser Staffel degradiert. Unwohlsein tritt in solchen Meetings innerlich auf und dennoch plant und gestaltet man zusammen eine Idee. Den Rest machen sowieso die Autoren. Autoren? Menschen die lustig die bekannten und bisweilen verhassten Sketche schreiben können.
Für Leute vom Theater und aus dem Fernsehbetrieb ist diese Vorangehensweise denkbar normal. Für junge Menschen und Künstler aus dem Netz nicht. Vielmehr sind sie längst eine Art mittelständische Selbstständigkeit gewohnt. In ihrer Welt gibt es keine Hierarchie. Jeder Kumpel kann eine Idee haben und man dankt dafür gern. Autor ist man selbst. Techniker, Beleuchter und Cutter ebenfalls. Das Internet ist mit seinen Formaten und Ideen überhaupt nicht an einer Staffel interessiert. In drei Minuten macht eine Formatierung auch keinen Sinn. Die Formatierung ist vielmehr grob übergeordnet. Es gibt lustige Musikvideos, Sketche und Themen. Die bekannten Formen bestenfalls als Stilmittel. Viel wichtiger ist das Branding der eigenen Marke. Man selbst hat diese Idee und ist für seine Art von Humor und Kunst in der Szene eine eigene Richtung.
Der Vorteil? Jeder Künstler und jedes Projekt im Netz ist im Gegensatz zum Fernsehen immer und zu jeder Zeit am Ergebnis orientiert. Nur die bestmögliche Umsetzung der eigenen Idee hin zu einem Video für den Upload auf YouTube zählt. Zwänge wie ein Budget für eine Staffel und die Auffüllung des Formates auf 45 Minuten entfallen. Es gibt hier keine Geschmacksverstärker und Dickmacher einer TV-Produktion.
Genau aus diesem Grund erleben wir aber auch keine Verschmelzung der Internet-Gemeinde mit dem Fernsehen. «NeoParadise» versucht es mit schon bekannten Größen und feiert Achtungserfolge damit. Für das Fernsehen wirkt ein wenig mehr Freiraum schon wild und verrückt. Dabei ist es genau der richtige Weg um sich auszuprobieren.
Sender wie «ZDFneo» und die« ARD» sollten vielleicht einfach ein altes Studio freistellen. Ähnlich einer kleinen Homeshopping-Produktion. Eine Halle, ein paar Kameras mit erfahrenen Technikern und Stühlen für das studentische Publikum. Ich glaube in dieser endlosen Freiheit würden wie einst auf Viva verrückte Inhalte entstehen. Tobt Euch aus. Das Beste senden wir und nehmen dafür als Qualitätsmessung den Applaus vom Publikum.
Ihr
Rob Vegas
17.06.2012 22:37 Uhr
• Rob Vegas
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