360 Grad: Ready for Love?
Am Sonntag lief die erste Folge des neuen Sat.1-Reality-Formats «Auf Brautschau im Ausland». Julian Miller ist entsetzt.
Vielleicht ist ja jetzt endlich der Bodensatz erreicht. Formate wie «Bauer sucht Frau» und «Mietprellern auf der Spur» sind Medienbeobachtern schon seit Langem ein Dorn im Auge. Die «Super Nanny» wurde nach massiver Kritik im letzten Jahr endlich abgesetzt, während «Traumfrau gesucht» in der deutschen Trash-TV-Landschaft 2012 einen neuen Tiefpunkt setzte. Mit «Auf Brautschau im Ausland» macht Sat.1 genau an der Stelle weiter, die RTL II mit seiner Ostblock-Show schon abgegrast hat, und strahlt seit Sonntag nun ein ähnlich erbärmliches Format aus.
Das Konzept ist denkbar einfach: Man nimmt einen Haufen schwer vermittelbarer, gerne beleibter Männer, die schon im Deutschen keinen geraden Satz herausbringen, mit ihren Englischkenntnissen beim Bewältigen der banalsten Alltagssituationen dann natürlich hoffnungslos überfordert sind, und karrt sie in Entwicklungsländer, um auf „Brautschau“ zu gehen.
Moderieren darf das Format die bisher unbekannte Claudia Bischoff, die aber gleich in ihren ersten On-Screen-Minuten offenbart, wo sie (und wohl auch ihre Autoren) in die Lehre gegangen sind: nämlich bei Inka Bause, der Queen der dubiosen Partnervermittlung, die zwischen Mistgabeln und Kuhfladen in schöner Regelmäßigkeit den Versuch unternimmt, Bauern an die Frau zu bringen, und dabei das Markenzeichen entwickelt hat, in ihren Moderationen so viele Alliterationen aneinanderzureihen, bis die Finger beider Hände zum Mitzählen nicht mehr ausreichen. Und was beim RTL funktioniert, wird bei Sat.1 schließlich ebenfalls funktionieren: Also darf auch Claudia Bischoff in einer Tour vom „treuen Trachtenträger“, „schüchternen Schmusebär“, „milden Münsterländer“ und „bärigen Bayer“ erzählen. Bis einem die Ohren bluten. Daraus, wo man sich hier orientiert, macht man keinen Hehl.
Warum all die von Sat.1 aufgegabelten Männer in Thailand, Russland, Rumänien und auf den Philippinen ihre Frauen suchen? „Weil die Frauen da nicht so anspruchsvoll sind“, antwortete einer der Kandidaten. Was auch immer das heißen mag.
Wer «Traumfrau gesucht» gesehen hat, kann schon ahnen, wo man hier wohl konzeptuell ansetzen will: nämlich bei der Präsentation eines vollkommen entsetzlichen Frauenbilds, das eine Vielzahl der Teilnehmer hier offenbart – und das in den meisten Fällen wohl, ohne sich dessen bewusst zu sein. „Ich stell' mir meine Traumfrau so vor: Waschen, Kochen, Bügeln“, lässt sich einer von ihnen zitieren. Und weiter: „Die rumänischen Frauen […] können kochen, backen und sind robust gebaut.“
Ein bisschen Fremdenangst darf dann natürlich auch noch mit rein, nämlich wenn Mutti ob des angestrebten Heiratsziels ihres Sohnes bemerkt: „Also mir wär's schon lieber, wenn der Jürgen eine Frau […] halt aus Deutschland finden würde. […] Eine, die die Kultur kennt.“ Sat.1 lässt diesen Satz dann natürlich vollständig unkommentiert stehen. Wie ohnehin all die bizarren und oft auch schlicht abzulehnenden Ergüsse, die hier zutage treten, meist unkommentiert bleiben. Erst wenn ein weiterer der Teilnehmer auf die Frage, was er sich von seiner Reise nach Russland frauentechnisch so erhoffe, mit „Spaß, dicke Titten“ antwortet und sein Beuteschema als „alles, was mitkommt“ beschreibt, darf Claudia Bischoff einen kurzen Disclaimer loswerden: „Die Einstellung find' ich nicht in Ordnung.“
Mir geht es anders: Ich finde kaum eine Einstellung, die hier transportiert wird, auch nur ansatzweise in Ordnung. Denn so, wie hier beschrieben, geht es am laufenden Band: „Ich kann natürlich der Frau auch in die Augen schauen, aber Augen hab' ich selber“, sagt ein weiterer Kandidat, nachdem er seine Vorstellungen von seiner Traumfrau mit „Körbchengröße D“ umschrieben hat. «Auf Brautschau im Ausland» lebt zu einem beträchtlichen Teil davon, eine Sammlung kaum zu glaubender und entsetzlicher Zitate zu sein.
Am Schluss bleibt die Frage: Will man die Teilnehmer hier dadurch demontieren, dass man sie ungehindert vor laufender Kamera die chauvinistischsten Sätze in die Welt setzen lässt, die man seit «Traumfrau gesucht» im deutschen Fernsehen gehört hat? Oder sympathisieren die Macher vielleicht sogar mit dieser Einstellung (eine ungemein beunruhigendere Vorstellung)?
Die renommierte Frauenrechtsorganisation „Terre des Femmes“ forderte indes bereits die Absetzung dieser abartigen Sendung und beschreibt die Aussagen der Teilnehmer als „schlicht sexistisch“, das Format selbst als „erbärmlich“. Sat.1 versuchte zu kontern: „Warum sollen deutsche Männer nicht auch in Asien oder Osteuropa auf Partnersuche gehen dürfen? Unsere Kandidaten treffen auf sehr selbstbewusste Frauen, die genau wissen, was sie wollen – und machen es unseren deutschen Kandidaten von Anfang an sehr deutlich.“ Und damit hat man endgültig offenbart, dass man sich entweder des Problems nicht bewusst ist, oder es konsequent ignoriert, um mit der Befriedigung niederster Zuschauerinstinkte auf Zuschauerfang zu gehen.
Da hat Harald Schmidt ja gerade noch den Absprung geschafft.
Mit 360 Grad schließt sich auch nächste Woche wieder der Kreis.