Popcorn und Rollenwechsel: Der neue Woody

In «To Rome with Love» erklingt Woody Allen mit neuer Stimme – wie eine US-Entscheidung die Fans enttäuscht.

Nach sechs Jahren Pause kehrt Woody Allen in «To Rome with Love» vor die Kamera zurück. Wolfgang Draeger, seit annähernd fünfzig Jahren Allens deutsche Synchronstimme und somit für das hiesige Bild des Regisseurs, Autors und Darstellers ungemein prägend, wird in diesem Film jedoch nicht zurückkehren. Wie Draeger in einem Podcast-Interview verrät, sprach er den Trailer zu Allens neustem Film kurz nach einer Kieferoperation ein. Als die synchronisierte Filmvorschau Woody Allen und seinem Team zu Ohren kam, missfiel ihnen der gealterte Klang seiner langjährigen deutschen Stimme – und Allen machte Gebrauch von seinem vertraglich abgesicherten letzten Wort über die Lokalisierung seiner Filme.

Der deutsche Verleih Tobis blockte den Trailer mit Draeger und musste einen Ersatz suchen. Wie ein Mitarbeiter des Unternehmens bei einer Facebook-Protestgruppe beteuert, setzten sich die hiesigen Verantwortlichen für Draeger ein, doch erfolglos. Mittlerweile kann man sich Allens neue Stimme anhören, und sie kommt dem gewohnten Klang sehr nahe. Freimut Götsch, ein bislang kaum bekannter doch talentierter Sprecher, hat ein nicht ganz so "wuschiges" Timbre, wenn man es so deuten mag, ist sein Klang also etwas fester. Dadurch verliert sich etwas von Allens neurotischer Nervosität, aber Götsch macht ihn so auch "jünger":



Allen ist nicht der erste Regisseur, der einen Kontinuitätsbruch vordiktiert. Regisseur Wolfgang Petersen etwa forderte, dass Brad Pitts Stammsprecher Tobias Meister bei «Troja» aussitzt und für Nicolas-Cage-Sprecher Martin Kessler Platz macht. Russel Crowe hat mit Martin Umbach, der vor allem in jüngeren Filmen Ridley Scotts zu hören ist, und Thomas Fritsch, der nach «Gladiator» nicht mehr bei Scott-Filmen sprechen durfte, derzeit zwei nahezu gleichberechtigte Stammstimmen.

So ähnlich wie bei Allen klangen sich Neubesetzungen bislang jedoch selten. Was einerseits ein Trostpflaster für jene ist, die im Kino auf die Synchronfassung angewiesen sind oder Synchros schlicht Vorstellungen mit Untertiteln bevorzugen. Andererseits stellt sich die Frage, wie nötig diese Entscheidung wirklich war. Draeger sprach den Trailer an einem schlechten Tag und man möchte fast glauben, dass Allen mit seinem schlechten Ohr hinhörte, als er seinen deutschen Klang nicht mehr erkannte – seit wann ist es Allen fremd, eine zweite Chance zu genehmigen?
25.06.2012 00:00 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/57489