Frank Buschmann: 'Ich fühle mich von der ZDF-EM-Übertragung nicht abgeholt'

Der Fußball-Kommentator ist weiter unzufrieden mit den EM-Übertragungen im Zweiten. Mit seiner Kritik sorgte er vergangene Woche für Wirbel. Es sei aber keine Generalkritik an den Öffentlich-Rechtlichen, sagt er, und lobt im Quotenmeter.de-Interview Mehmet Scholl.

Herr Buschmann, Sie sind vergangene Woche relativ hart ins Gericht gegangen mit den EM-Übertragungen des ZDF. Warum?
Das hat mit "hart ins Gericht gehen" nichts zu tun. Ich habe ganz offen meine Meinung gesagt. Es ist ein Problem, dass in unserer Branche nur noch wenige fähig sind, sich selbst zu reflektieren und Kritik von außen anzunehmen. Wieso darf ich denn nicht sagen, dass mir ein Konzept nicht gefällt? Ich sage nicht, dass das allen 27 Millionen anderen Zuschauern auch so geht. Vielleicht habe ich auch unrecht. Aber mir gefällt das nicht.

Ist es vielleicht allgemein so, dass die Branche heute deutlich empfindlicher auf Kritik reagiert als noch vor fünf Jahren?
Ja, den Eindruck habe ich auch. Es gibt dann einen natürlichen Reflex, dass man solche Kritik nicht ernst nimmt. Positives Feedback nimmt man gerne entgegen, Kritik wird abgeschmettert. Ich folge auch nicht jedem Internet-Blog und jeder Seite, die mich auch gerne mal kritisiert, aber wenn Kritik auf so breiter Ebene erfolgt, dann muss man das doch ernst nehmen. Es liegt letztlich auch gar nicht an Katrin Müller-Hohenstein oder Oliver Kahn, aber dennoch können die beiden sich nicht hinstellen und so tun, als gäbe es diese massive Kritik nicht.

Was stört Sie denn genau?
Ich fühle mich von der ZDF-Übertragung nicht abgeholt. Bei einer EM fiebert eine halbe Nation mit – da spielen Emotionen eine ganz wichtige Rolle. Eine EM ist eines der wichtigsten Sportevents des Jahres. Das alles wird vom ZDF nicht vermittelt. Zudem schauen bei einer EM noch einmal 50 Prozent zu, die sich sonst nicht für Fußball interessieren. Auf die wird auch nicht wirklich zugegangen. Wenn man diese Besonderheiten also fast gar nicht transportiert, dann ist das schon schwierig.

Das Konzept Public-Viewing vor großer Bühne verfolgte das ZDF schon 2006 in Berlin und auch 2008 von der Seebühne. Damals gab es diese große Kritik nicht – ist also Usedom schuld?
Urlaub macht man auf Usedom bestimmt sehr gut. Aber als Ort zum Transport von solchen Emotionen ist Usedom nicht geeignet. Berlin ist da natürlich schon ein ganz anderes Pflaster. Ich glaube, dass man die Situation beim ZDF vorher einfach anders eingeschätzt hat. Man dachte, dass das funktionieren kann. Nach der Welle der Entrüstung in der vergangenen Woche sah man nun am Donnerstag und Freitag übrigens die beiden Protagonisten häufiger am Strand stehen – somit war wenigstens eine Verbindung mit dem Publikum vorhanden.

Hat das Ihrer Meinung nach die Probleme zumindest ansatzweise gelöst?
Nein, am Grundproblem, dass die Emotion einer EM nicht vermittelt wurde, hat sich damit nichts geändert. Mir ist aber auch wichtig: Ich erhebe keinen Anspruch darauf, dass ich exklusiv weiß, wie man alles besser machen kann.

Fehlt es Ihrer Meinung nach also beim ZDF vielleicht nicht nur vor der Kamera, sondern auch dahinter an Kompetenz?
Ich will hier nicht von Kompetenz reden, es ist mehr eine Fehleinschätzung in Sachen Wünsche des Fernsehpublikums. Ich glaube, dass man sich beim ZDF weniger Gedanken darüber macht, was der Zuschauer will, sondern einfach eine gewohnte Schiene fährt, weil man sie für richtig hält.

Wenn wir große Sportübertragungen vergleichen: Die EM bei ARD und ZDF mit der Champions League in Sat.1 und der Bundesliga bei Sky und Liga total!. Wie schneiden die Öffentlich-Rechtlichen bei Ihnen dann ab?
Das wird manche wundern: Das war von mir keine Generalkritik an den Öffentlich-Rechtlichen. Vieles ist bei ARD und ZDF wohltuend unaufgeregt. Die Privaten übertreiben mit ihrer Berichterstattung manchmal ja schon. Wichtig ist, dass das Ereignis die Übertragung macht und letztlich übrigens auch die Quote. Wenn ich ein Spiel der Basketball-Bundesliga übertrage, dann muss ich einen Unterschied machen: Tübingen gegen Trier in der Vorrunde begleite ich anders als das Finale um die Meisterschaft. Eine optimale Übertragung für mich wäre übrigens eine Mischform aus dem, was private Sender und öffentlich-rechtliche Kanäle derzeit anbieten.

Es gibt eine neue Generation von TV-Experten – Scholl, Kahn, Effenberg. Wer macht da für Sie die beste Figur?
Ganz klar: Ewald Lienen. Es ist schade, dass er der großen Öffentlichkeit vorenthalten bleibt, sondern „nur“ im IPTV sendet. Mit seinem wirklich enormen Wissen ist er der Experte überhaupt für mich. Jetzt bei der EM sehe ich Mehmet Scholl ganz gern.

Der stand aber auch in der Kritik wegen seiner Anmerkungen zu Mario Gomez.
Wir konnten über ihn streiten. Das ist doch gerade gut. Wollen wir denn wirklich Experten haben, die einfach nur da sind und Floskeln von sich geben, damit sie niemanden stören. Ich glaube auch nicht daran, dass Scholls Kritik Mario Gomez wirklich in eine Sinnkrise getrieben hat.

Wir haben jetzt viel über das ZDF gesprochen – genauso kritisch wird aber auch «Waldis EM Club» im Ersten gesehen. Ihre Meinung hierzu?
Ich schaue das nicht an, habe mal eine Ausgabe davon gesehen. Und deshalb sage ich dazu nichts. Ich dachte eigentlich, dass man da auch Fans zu Wort kommen lässt.

Bei «Markus Lanz» gab es vergangene Woche eine ganz spannende Diskussion. Der ehemalige Fußballspieler Michael Schulz kritisierte, dass mehr und mehr Frauen Fußball-Übertragungen begleiten – und diese Frauen vor allem gut aussehen müssen. Wie sehen Sie das: Ist es so, dass Field-Reporterinnen einen anderen Zugang zu den Fußballern bekommen und somit das Interview auf anderer emotionaler Ebene führen können?
Diese Diskussion ist mir zu pauschal. Um ehrlich zu sein, ist es mir völlig egal, ob ein Mann oder Frau moderiert oder Fragen stellt. Sie muss kompetent, authentisch und meiner Meinung nach auch ein wenig unterhaltsam sein. Die Arbeit von Esther Sedlaczek, die in der Runde dabei war, kann ich nicht beurteilen – ich bin kein Sky-Kunde. Generell glaube ich aber zu wissen, was Michael Schulz meinte. Wenn es nur darum geht, Frauen zu holen, damit diese Frauen sexy und hübsch sind, dann gefällt mir das auch nicht. Erstens weil ich auch nicht sexy und hübsch bin und zweitens, weil es darum eigentlich gar nicht geht.

Glauben Sie, dass Frauen, die am Spielfeldrand Interviews führen, Vorteile haben gegenüber Männern?
Die Fußballer sind vielleicht höflicher zu den Frauen, ja. Aber auch hier die Frage: Wollen wir das denn? Es gibt doch eigentlich schon genug weichgespülte Antworten.

Herr Buschmann, Sie sind seit Jahren ein angesehener Basketball-Experte. Kürzlich hat die Deutsche Eishockey Liga den Schritt ins Free-TV gewagt, sendet jetzt bei Servus TV. Die BBL hat dies ebenfalls vor einigen Jahren gemacht. Hat das der Sportart wirklich geholfen?
Ich glaube, dass kleine Sportarten im Free-TV allgemein besser aufgehoben sind. Es ist einfach ein Unterschied, ob 200.000 oder 20.000 zuschauen. Kleine Sportarten verschwinden im Pay-TV einfach noch mehr. Deshalb halte ich das für einen guten Move der DEL. Ausnahmen gibt es natürlich auch: Wenn das Pay-TV sehr viel mehr Geld zahlt oder verspricht, die Übertragung deutlich besser zu gestalten. Das kann ich hier aber nicht beurteilen. Mittelfristig lohnt sich der Gang ins Free-TV immer. Und die BBL wäre aktuell meiner Meinung nach gut beraten, im Free-TV zu bleiben; bei welchem Sender auch immer.

Sind die Hallen also in der Tat voller als noch vor ein paar Jahren?
Ja, das liegt aber nicht nur am TV-Partner, sondern auch daran, dass alles inzwischen professioneller aufgezogen wird. Ein Basketball-Spiel hat einen Event-Charakter und damit zieht man die Leute aus der Region durchaus in die Hallen. Ich selbst werde zum Beispiel auch viel häufiger auf meine Tätigkeit als Basketball-Kommentator angesprochen als vor vier Jahren. Das geht in die richtige Richtung, aber wir sind noch nicht am Ende. In den Print-Medien ist Basketball noch sehr mau vertreten.

Ich kann Sie jetzt natürlich nicht entlassen, ohne Sie zu Fragen: Was tippt denn der Fan Frank Buschmann für das EM-Halbfinale Deutschland gegen Italien und was der Fußball-Fachmann?
Der Fan sagt: Jo, 2:1 für Deutschland. Der Kommentator sagt: Ich hoffe, dass der Fan Recht hat, habe aber doch ziemliche Bauchschmerzen. Ich habe großen Respekt vor Pirlo, der meiner Meinung nach der bis dato beste Mittelfeldspieler der Europameisterschaft ist. Er hat unglaubliche Spiele gemacht.

Vielen Dank für das Gespräch.
27.06.2012 10:30 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/57527