Der Fernsehfriedhof: Bild.Macht.Fernsehen

Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 198: Das große Axel-Springer-Debakel, das ausgerechnet durch Susan Stahnke gerettet werden sollte.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir eines ehrgeizigen Projekts, das schnell auf dem niveaulosen Boden der Tatsachen ankam.

«Newsmaker» wurde am 12. April 1999 in Sat.1 geboren und entstand zu einer Zeit als der Axel Springer Verlag sein bisheriges Portfolio, das hauptsächlich aus Printerzeugnissen wie der BILD-Zeitung bestand, erweitern und in das Geschäft der TV-Produzenten einsteigen wollte. Innerhalb kürzester Zeit plante der Konzern, zu den fünf wichtigsten TV-Produzenten Deutschlands aufzusteigen und auch europaweit zu einem bedeutenden Lieferanten für Fernsehinhalte zu werden. Für diesen Wandel vom Print-Verlag zum Medienhaus war das Unternehmen bereit, allein im Jahr 1999 mehr als 100 Millionen DM zu investieren. Dazu übernahm die Firma unter anderem die Mehrheitsanteile der Schwartzkopff tv Productions GmbH, welche die meisten damaligen Talkshows für Sat.1 und ProSieben herstellte.

Kernstück der Aktivitäten war allerdings die hundertprozentige Tochterfirma Axel Springer TVnews GmbH, die eigene Formate entwickeln und umsetzen sollte. Der Verlag erhoffte sich damit nicht nur ein neues Betätigungsfeld, sondern auch gegenseitige Synergieeffekte. Schließlich konnten die gezeigten Geschichten einerseits abseits des Fernsehens in den Printerzeugnissen weiterverfolgt werden und andererseits in den eigenen Zeitungen und Zeitschriften breit angepriesen werden. Als erste Tätigkeit entwickelte man mit «Newsmaker» ein neues Magazin, das sich selbst in die Tradition von «Monitor» und dem amerikanischen Klassiker «60 Minutes» einreihen wollte. Mit ihm wollte man nichts weniger als „zurück zu den Wurzeln des Journalismus“ kehren und „investigativ, aufklärend und informativ" über "relevante Themen“ berichten. Dabei war es das erklärte Ziel, nicht nur über Ereignisse und Skandale zu berichten, sondern sie überhaupt erst aufzudecken. Ein ambitioniertes Vorhaben, insbesondere wenn dieses Versprechen wöchentlich eingelöst werden soll.

„Im Mittelpunkt wird die neue, die selbstrecherchierte Story stehen, die aber immer mit Menschen verbunden sein soll“, erklärte der stellvertretende Springer-Vorstandschef Claus Larass vor dem Start. Daher traten im Magazin gleich vier Journalisten auf, die auf einer grünen Couch saßen, ihre eigenen Beiträge ansagten und zwischen den Einspielern über die gezeigten Themen kurz diskutierten. Unter ihnen war der ehemalige «RTL Aktuell»-Sprecher und CNN-Mitarbeiter Christoph Teuner, die Sat.1- und ProSieben-Moderatorin Karin Figge, die ehemalige VOX-Nachrichtensprecherin Caroline Hamann und Hans-Jörg Wiedenhaus, der zugleich auch Chefredakteur der Sendung und stellvertretender Chefredakteur des verlagseigenen Hamburger Abendblatts war. Unterstützt wurden die vier Personen durch eine 25-köpfige Redaktion, die pro Ausgabe ein Budget von rund 400.000 DM zur Verfügung gehabt haben soll.

Der ausstrahlende Sender Sat.1 wurde nicht zufällig gewählt, war doch der Springer-Verlag neben Leo Kirch sein zweitgrößter Anteilseigener. Auch wenn sich der damalige Senderchef Fred Kogel öffentlich zum neuen Programm bekannte, drang unter der Hand immer wieder seine Unzufriedenheit durch. Schließlich sah sich der Kanal nach zahlreichen Flops mit einem massiven Zuschauerverlust konfrontiert, der wohl kaum mit einem Nachrichtenmagazin zu stoppen war.

Dennoch ließ Kogel verlauten, dass es keine Frist geben würde, in der eine bestimmte Einschaltquote erreicht werden müsse: "Wir werden uns die Entwicklung nach jeder Sendung ansehen und gegebenenfalls Verbesserungen anbringen." Intern wurden angeblich jedoch Marktanteile von 12 bis 13 Prozent erwartet. Diese Werte konnte «Newsmaker» allerdings nie erreichen. Schon die Premiere verfehlte diese Marke mit 1,44 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 7,1 Prozent überdeutlich. Danach sanken die Zahlen sogar noch weiter auf eine Million und rund fünf Prozent ab. Ob dies nun an der ungewohnten Präsentationsform oder dem Sendeplatz am Montagabend um 22.15 Uhr und der starken Konkurrenz durch «Extra – Das RTL Magazin» sowie den «Tagesthemen» lag, lässt sich rückwirkend schwer feststellen. Nicht unerheblich dürfte aber auch die Tatsache gewesen sein, dass die neuen Bemühungen des Springer-Verlags von den Mitbewerbern kritisch beäugt und negativ besprochen wurden. Schnell bekam das Format den Beinamen «Bild TV». Insbesondere der Spiegel-Verlag, der eine eigene Fernsehproduktions-Sparte betreibt, zerriss wiederholt die Sendung und berichtete ausführlich über die dahinterliegenden Verstrickungen.

Obwohl der Zuschauerzuspruch katastrophal war, stand seitens des Springer-Verlags eine Absetzung seines Prestigeprojekts nicht zur Diskussion. Daher gab es in den Folgewochen als Schadensbegrenzung immer wieder Änderungen am Konzept. Zunächst wurde die Anzahl der Moderatoren auf zwei reduziert und die Themen wurden deutlich boulevardesker und sexlastiger. Hinter den Kulissen warb man Hilmer Rolff von RTL ab, der dort für die Magazine «Extra» und «Exclusiv» verantwortlich war. Aufgrund einer vertraglichen Sperre durfte dieser jedoch erst ab Pfingsten tätig werden, als eine Rettung fast schon unmöglich erschien. Zugleich musste der Sender die Werbepreise für einen 30sekündigen Spot von 40.000 DM auf 15.000 DM senken.

Auch Leo Kirch zeigte sich aufgrund der anhaltend schlechten Quoten mit dem Format unzufrieden, schließlich trug sein Sender die Werbeausfälle, hatte aber kaum Möglichkeiten auf die Inhalte der Produktion einzuwirken. Als dann im Oktober 1999 ausgerechnet Ex-«Tagesschau»-Sprecherin Susan Stahnke (von der Presse ohnehin gescholten) die alleinige Moderation des Magazins übernahm, wurde dies nur noch als letzter Verzweiflungsakt gedeutet. Ohnehin war das Niveau der Sendung mit Themen wie „Leben auf der Roten Meile“, „Penisbruch nach schwerem Sex: Wie verfahren die Versicherungen“ und „Killerbakterien auf der Zahnbürste“ auch inhaltlich von den einstigen, anspruchsvollen Zielen weit entfernt.

Zwar stiegen die Reichweiten danach etwas an, blieben aber dennoch unterdurchschnittlich. Gleichzeitig musste auch im Springer-Verlag eingesehen werden, dass das Vorhaben keinen Imagegewinn mehr darstellen und alle Beteiligten nur noch schädigen konnte, sodass der Sender Sat.1 im März endlich die Einstellung der Produktion verkünden konnte.

«Newsmaker» wurde am 27. März 2000 beerdigt und erreichte ein Alter von knapp einem Jahr. Das Magazin hinterließ die Moderatorin Susan Stahnke, die später durch ihre Teilnahme an «Ich bin ein Star, holt mich hier raus!» und eine öffentliche Darmspiegelung für noch mehr Häme in der Presse sorgte. Zuletzt moderierte sie die Promi-Talkshow «Tischgespräch» für den Lokalsender Hamburg 1. Caroline Hamann hingegen konnte im Jahr 2001 zum ZDF wechseln und präsentierte dort zunächst «heute Mittag», «heute in Deutschland» und später sogar die Hauptnachrichten um 19.00 Uhr sowie das «heute-journal». Im Jahr 2007 wurde sie dann Sprecherin bei der «Tagesschau» und übernahm damit indirekt den ehemaligen Job von ihrer «Newsmaker»-Nachfolgerin Stahnke. Aktuell ist sie in den Nachrichten vom NDR Fernsehen zu sehen. Die Axel Springer TVnews GmbH wurde übrigens Ende 2002 aufgelöst, während die Schwartzkopff TV-Productions GmbH & Co. KG auch weiterhin eine hundertprozentige Tochter der Axel Springer AG ist.

Möge die Sendung in Frieden ruhen!

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Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der großen Latino-Entdeckung von Stefan Raab.
05.07.2012 09:15 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/57685