Ein Forschungsteam begibt sich auf die Suche nach dem menschlichen Ursprung – und landet in der Hölle. Faszinierende Bilderflut von Ridley Scott.
Es war das Jahr 1979, als Ridley Scott das Science-Fiction-Genre grundlegend veränderte. Der Regisseur, der bis dato hauptsächlich Serienepisoden für das amerikanische Fernsehen inszenierte, erschuf mit «Alien» einen Genreklassiker. Hoch angerechnet wurde dem Werk, dass eine Frau als Kämpferin und Heldin durch den gesamten Film führt. In Sigourney Weaver fand Scott die perfekte Protagonistin. Über drei Jahrzehnte später kehrt der mittlerweile 74-jährige und zum Ritter geschlagene Scott nach Ausflügen ins Action- und Komödienfach zu seinen Ursprüngen zurück. Von seinen Fähigkeiten als Weltenschöpfer und Science-Fiction-Inszenator scheint er nichts verlernt zu haben.
Angedacht war «Prometheus» anfangs als direkte Vorgeschichte zum Kultfilm «Alien». Nach vier Fortsetzungen und zwei Mash-Up-Filmen mit der «Predator»-Spezies war die Zeit nun reif für ein Prequel. So Scotts Vorhaben. Doch während der Produktion kamen dem Regisseur immer neue Ideen für einen eigenständigen Film. Zwar beinhalte die Geschichte Erbgut der «Alien»-Reihe, stelle aber etwas völlig Neues dar. Auf dem Papier mag diese Theorie funktionieren, doch wie sich im Handlungsverlauf von «Prometheus» herausstellt, konnte sich Scott deutliche Verweise zu seinem Meisterwerk nicht verkneifen.
Das Forscherpaar Elizabeth Shaw (Noomi Rapace) und Charlie Holloway (Logan Marshall-Green) macht im Jahr 2089 eine wegweisende Entdeckung: In einer Höhle finden sie Malereien, die eine Person und fünf Kugeln zeigen. Genau die gleiche Zeichnung fand sich schon in anderen Orten auf der ganzen Welt. Der Ehrgeiz von Shaw und Holloway, mehr über die mysteriösen Zeichen zu erfahren, treibt sie in die Arme der gefühlskalten Meredith Vickers (Charlize Theron), die den Konzern Weyland Industries vertritt.
Zusammen mit anderen Fachspezialisten begeben sich Shaw und Holloway mit dem Raumschiff „Prometheus“ auf eine zweijährige Expedition in die Weiten des Universums – bis sie plötzlich auf etwas stoßen, das der Schlüssel für all die offenen Fragen zu sein scheint. Mit dem Ziel, endlich herauszufinden, wer die Menschheit erschaffen hat, riskiert Elizabeth bald nicht nur ihre eigene Gesundheit. Denn das, was sich dort in den Tiefen des Bodens befindet, hat sich der neugierige Forschertrupp in den kühnsten Träumen nicht vorgestellt – und auch innerhalb der Crew scheint nicht jeder der zu sein, für den er sich ausgibt…
Mit geschätzt 130 Millionen Dollar kostete das neueste Werk von Scott rund zwölf Mal so viel wie der Ursprungsfilm. Und das macht sich in der Optik deutlich bemerkbar. Schon die Exposition demonstriert den bevorstehenden visuellen Hochgenuss. Kamerafahrten über wunderschöne Landschaften, die im eigentlichen Prolog ihren vorläufigen Höhepunkt finden. Die Entstehung der Menschheit zelebriert Ridley Scott in faszinierenden Bildern, bevor es mit dem Forscherpaar in die schottischen Highlands geht.
Auch die dritte Dimension gibt der eh schon beeindruckenden Bildsprache einen weiteren Mehrwert. Wenn sich in der geheimnisvollen unbekannten Höhle plötzlich Hologramme auftun, steht der Zuschauer praktisch mitten drin. Freunde von aus der Leinwand entgegenspringenden Gegenständen werden dagegen frustriert sein. Die zusätzliche Ebene dient vor allem zur Erzeugung der Tiefenwirkung und wurde hier hervorragend umgesetzt. So fegt ein wuchtiger Sandsturm regelrecht durch alle Kinositze, der Flug durchs Weltall ist schöner denn je.
Als ebenso gelungen erweist sich die Tonspur des Films. Es kracht und knarzt in den actionreicheren Szenen, in den ruhigeren Momenten überzeugt das musikalische Thema des Münchener Komponisten Marc Streitenfeld, der unter anderem für Scotts Version von «Robin Hood» den Score beisteuerte. Es sind wunderschöne Klänge, aber zugleich unheilvolle Vorankündigungen. Wie wichtig gute Musikuntermalung für einen Film ist, zeigt sich in dieser Symbiose von Bild und Ton einmal mehr.
Was für «Alien» Sigourney Weaver war, ist Noomi Rapace für «Prometheus». Die Schwedin, die als Lisbeth Salander in der schwedischen «Millennium»-Trilogie schlagartig auf dem ganzen Kontinent bekannt wurde, gibt sich als facettenreiche Forscherin. Taff, mit dem unermüdlichen Willen, neue Erkenntnisse zu erlangen einerseits, auf der anderen Seite einfühlsam und verletzlich. Da Rapace hier nicht Ellen Ripley, sondern eine neue Figur verkörpert, ist die Diskussion überflüssig, ob denn die Fußstapfen einer Sigourney Weaver nicht etwas zu groß sind. Rapace tritt erst gar nicht hinein – sie setzt ihre daneben. Ihre Kollegen stehen der quirligen Schauspielerin dabei in nichts nach.
Der deutschstämmige Michael Fassbender mimt den Androiden David mit einer solchen Zwielichtigkeit, dass es schwierig ist, seinen Charakter auf einer Gefühlsebene einzuordnen. Ist er ein zuvorkommender Roboter ohne Gewissen oder verbirgt sich hinter den Kabeln doch eine menschliche Seele? Seinem Vormund Meredith Vickers dagegen sind als kalte Projektleiterin kaum sympathische Züge abzusprechen. Charlize Theron hält diesen Umgangston stets bei, verzieht keine Miene. Lediglich die Verhaltensmuster einiger anderer Crewmitglieder muten zuweilen etwas seltsam an. Es ist kaum nachvollziehbar, dass zwei betont coole Machos eine erste Begehung der entdeckten Ruinen aufgrund von Angst vor dem Ungewissen vorzeitig verlassen, um dann wenig später beim Aufeinandertreffen mit einer unbekannten Lebensform auf Tuchfühlung gehen. Hier büßt die Charakterzeichnung an Glaubwürdigkeit ein.
Die Spannung, die in der ersten Hälfte unglaublich intensiv kreiert wird, dreht im zweiten Teil nahezu vollständig in turbulente Action ab. Kommt der Film zunächst ohne jegliche Kreaturen aus, überschlagen sich die Ereignisse bald umso mehr. Neben einer glibberigen Alienschlange dürfte wohl die unfreiwillige Geburt eines schleimigen Wesens mittels einer Operation für Aufruhr sorgen. Ein Hehl wird daraus nicht gemacht, stattdessen mit der Kamera ganz genau hingeschaut. Auch die Anlehnungen ans «Alien»-Universum treten im Schlussakt vermehrt auf. Letztlich gab sich Scott wohl doch nicht damit zufrieden, einen völlig eigenständigen Science-Fictioner zu schaffen. Ob die Verweise unbedingt hätten sein müssen, sollte jeder für sich entscheiden.
Mit «Prometheus» ist Ridley Scott erneut ein vor allem visuell beeindruckendes Werk gelungen, welches mit einer starken ersten Stunde aufwartet. Danach kippt die Geschichte etwas, kann jedoch die stetige Spannung aufrecht erhalten. Ein Kinobesuch ist unbedingt erforderlich, denn man sieht dem Film in jeder Sekunde an, für welches Medium er gedreht wurde. Wer sich dazu noch die 3D-Brille auf die Nase setzt, erlebt große Kinomomente.
«Prometheus – Dunkle Zeichen» startet am 9. August in den deutschen Kinos. Der Film ist sowohl in 2D als auch in 3D zu sehen.