Die Kritiker: «Suburgatory»

Von der aufregenden Großstadt in den spießigen Vorort. Der Kulturschock der jungen Tessa ist verpackt als bunte Satire auf das gutbürgerliche Spießertum.

Inhalt:
Eine Packung Kondome in der Schublade von Tochter Tessa bringt für den alleinerziehenden George Altman das Fass zum Überlaufen. Er muss weg aus der verdorbenen Großstadt. Vom Zentrum New Yorks zieht es die beiden in den idyllischen Vorort Chatswin, wo George seiner Vaterrolle in beschaulicher und unschuldiger Idylle gerecht werden kann. Für Tessa jedoch ist der Vorort ein wahrer Albtraum. Von jeglichem echtem Leben beraubt findet sie sich wieder inmitten einer Stadt voll wandelnder Klischees. Die Menschen sind so oberflächlich wie überfreundlich, so dümmlich wie naiv und so konsumorientiert wie sie reich sind. Wer in Chatswin etwas auf sich hält, der ist sich nicht zu schade, das auch jeden wissen zu lassen, selbst wenn es sich nur um den noch grüneren Rasen als der der Nachbarschaft handelt oder die frisch geweißten Zähnen, von denen man fast glauben könnte, dass sie nachts von alleine das Schlafzimmer erhellen könnten.

Hier begegnet Tessa Dalia, einem völlig überheblichen Paris-Hilton-Verschnitt, und ihrer Mutter Dallas, die direkt ein Auge auf George geworfen hat. Gegenüber der Straße trifft Tessa auf Lisa, die sich als einzig halbwegs normale Person in der künstlich wirkenden Stadt der Dekorateure und Zahnärzte entpuppt - und entsprechend immer wieder beschämt ist über das Verhalten der eigenen Familie, der fanatischen Puppensammlerin Sheila als Mutter oder Bruder Ryan, der einem 90er-Highschool-Movie entsprungen scheint.

Darsteller:
Jeremy Sisto («Law & Order») ist Geroge Altman
Jane Levy («Shameless») ist Tessa Altman
Cheryl Hines («Lass es, Larry!») ist Dallas Royce
Carly Chaikin («Mit Dir an meiner Seite») ist Dalia Oprah Royce
Ana Gasteyer («Saturday Night Live») ist Sheila Shay
Allie Grant («Weeds») ist Lisa Marie Shay
Alan Tudyk («Firefly») ist Noah Werner

Kritik:
«Suburgatory», ein cleveres Wortspiel bestehend aus "Suburb", dem englischen Begriff für wohlhabenden Vororte vor den amerikanischen Großstädten, sowie "Purgatory", das Fegefeuer. Die Vororthölle, genau das ist der Ort in den es Tessa nach eigener Wahrnehmung verschlägt und der die Basis bildet für die Serie, die sich in den ersten Folgen sehr deutlich als Satire versteht. Mit der großstädtischen Tessa als Gegenpol und Identifikationsfigur zieht «Suburgatory» genüsslich jedes bekannte Klischee durch den Kakao.

Die Serie versucht dabei gar nicht, ein realistisches Szenario zu erzählen, sondern bedient sich deutlichen Elementen der Satire bis hin zur Parodie. Nahezu alle Figuren, die den idyllischen Vorort bewohnen, sind gnadenlos überzeichnet und haben irgendwelche gravierenden Macken, sprechen gestelzt, halten Armut für eine Krankheit und leben in einer Zuckerwattewelt, die von den Farben Pink und Blond dominiert wird - neben dem Grün der Hecken und Rasenflächen und dem makellosen Weiß der Fassaden und Gartenzäune.

Zu zeigen, dass die "suburbans" auch bei Regen den Vorgarten wässern, weil es einfach so in ihren Tagesablauf gehört, Probleme mit zu gruseliger Halloween-Deko haben oder einen 16. Geburtstag in der Dimension eines Abschlussballs aufziehen, auf dem kaum jemand noch den Namen des Geburtstagskindes kennt, funktioniert alles prächtig, aber natürlich ist das kein Status Quo, auf dem die Serie ewig verharren kann. Das wissen die Macher auch und stellen im Laufe der Staffel die Weichen, die Geschichten stärker über ihre Charaktere zu erzählen.

Denn die bleiben zunächst ein bisschen auf der Strecke zwischen all den parodistischen Elementen. Das Vater-Tochter-Gespann im Zentrum der Serie weist zwar eine hervorragende Chemie auf, die weiteren Figuren bleiben aber überwiegend sehr blass. Teilweise werden Beziehungen unter den Charakteren verwertet, die man als Zuschauer diesen einfach nicht abnehmen kann, weil nie eine glaubwürdige Aufbereitung stattgefunden hat. Es ist etwa schwer, Tessa und Lisa wirklich eine enge Freundschaft abzunehmen, wenn diese nur gezeigt wird, wenn sie gerade der Story dient und ansonsten eher ignoriert wird.

In jedem Fall sticht «Suburgatory» vom Start weg aus der Menge der vielen Comedyserien heraus, die derzeit die TV-Landschaft bevölkern. Allein schon der eigene bonbonbunte Look ist einzigartig und prägt schon sehr stark den satirischen Grundton der Serie. Ein echtes Alleinstellungsmerkmal.

Die Darsteller jedenfalls bieten eine hervorragende Grundlage, dass sich «Suburgatory» in eine ernstzunehmende Richtung entwickelt. Trotz all ihrer Überzeichnung schaffen es alle, ihren Figuren ausreichend menschliche Facetten abzugewinnen, um sie nie ins Unsympathische abdriften zu lassen. Selbst eine hochnäsige Dalia aus verwöhntem Hause zeigt trotz ihrer kühlen Überheblichkeit und öffentlichem Mangel an Intellekt oder dem Willen, diesen zu zeigen, genug liebenswerte Eigenschaften, um den Zuschauer nie zu nerven. Das ist ein Nährboden, auf dem man aufbauen kann und in den 22 Folgen der ersten Staffel mit einer immer engeren Verflechtung der Charakterkonstellationen auch wird.

So zeigt sich «Suburgatory» als ein experimentierfreudiger Farbfleck, der sich wohlwollend vom Comedy-Einheitsbrei abhängt, wenngleich er seine Linie zunächst noch nicht gefunden hat. Schon die ersten Folgen zeigen, dass das Potential dafür aber gegeben ist.

ProSieben zeigt «Suburgatory» ab Mittwoch, 29. August 2012, um 22.20 Uhr.
29.08.2012 07:45 Uhr  •  Stefan Tewes Kurz-URL: qmde.de/58782