Neu im Kino: «Bourne» ohne Jason Bourne

Neben dem vierten Teil der «Bourne»-Reihe kommt in dieser Woche ein DDR-Drama sowie eine Schwulenkomödie aus Serbien in die deutschen Kinos.

«Das Bourne Vermächtnis»
Nachdem der geflohene Agent Jason Bourne jahrelang hartnäckig versuchte, seine eigene Identität herauszubekommen, ist die CIA vorsichtig geworden. Um weitere Zwischenfälle zu verhindern, versucht sie sämtliche Spuren des so genannten Threadstone-Programms zu verwischen, das neben Bourne noch einige weitere Auftragsmörder ausbildete. Damit auch wirklich keine Hintergründe an die Öffentlichkeit gelangen, entscheidet sich Eric Byer (Edward Norton), seines Zeichens Direktor der Geheimorganisation NRAG, für einen radikalen Schritt: Alle Superagenten sollen zur Strecke gebracht werden. Einer davon ist Aaron Cross (Jeremy Renner), der durch Manipulationen seines Genpools auf extreme Topleistungen getrimmt wurde. Nur knapp entgeht er einer auf ihn angesetzten Drohne, während viele andere Mitarbeiter der Organisation umgebracht werden. Als man es auch noch auf die Wissenschaftlerin Dr. Marta Shearing (Rachl Weisz) abgesehen hat, rettet ihr Cross das Leben. Doch nach einer erfolgreichen Flucht gibt es bereits das nächste Problem: Der Vorrat der für Cross unerlässlichen Medikamente geht allmählich aus...

Der vierte «Bourne»-Film wird erstmals ohne Matt Damon alias Jason Bourne auskommen müssen, was von Seiten der Kritiker unterschiedlich wahrgenommen wird. Carsten Baumgardt von "filmstarts.de" lobt Regisseur Tony Gilroy, welcher "klug den Weg der Entschleunigung" wähle, nachdem sein Vorgänger "mit der phantastischen Hochgeschwindigkeitshatz für den furiosen Höhepunkt" gesorgt habe, der überhaupt nicht zu toppen gewesen wäre. Deshalb sei die "Filmreihe auch ohne Superstar Matt Damon lebendig", wenngleich "etwas Vorwissen aus den ersten drei Teilen sicher hilfreich ist". Sogar als "enorm abhängig vom Zuschauerwissen" beschreibt Nino Klingler von "critic.de" den Streifen, denn "er verweist in Form von Nachrichtensendungen zur globalen Hetzjagd auf Jason Bourne immer wieder auf die labyrinthischen Verstrickungen verschiedener Geheimdienstabteilungen und Top-Secret-Missionen". Nachdem "in der ersten Filmhälfte das Tempo extrem niedrig und die Dialogdichte hoch ist", kippe der Film anschließend "in pure Action und endet nach einer fast halbstündigen Verfolgungsszene urplötzlich in einer absurden Schlussnote". Auch finde der Film "auf seine eigenen Fragen nur höchst unbefriedigende Antworten". Ben vom Filmblog "filmosophie.com" kann sich ebenfalls nicht so richtig für «Das Bourne Vermächtnis» begeistern und ist der Ansicht, dass es Gilroy "trotz einer guten Idee und überzeugenden schauspielerischen Leistungen" nicht gelungen sei, "die «Bourne»-Trilogie würdig zu ergänzen". Streckenweise sei der Streifen "ungefähr so spannend wie rieselnden Sand in einer Sanduhr zu beobachten" und auch "die Schwächen des Plots werden durch die schlechte visuelle Inszenierung nur noch verstärkt".

OT: «Bourne 4» von Tony Gilroy; mit Jeremy Renner, Edward Norton, Oscar Isaac, Joan Allen, Rachel Weisz und Albert und Finney


«Vatertage - Opa über Nacht»
Basti (Sebastian Bezzel) ist stolzer und überzeugter Münchener. Zwar laufen die Geschäfte in seinem Fahrradrikscha-Unternehmen "Wadlbeißer" schon seit einiger Zeit eher schlecht als recht, allerdings weiß er sich als Überlebenskünstler trotzdem sehr gut zu helfen. Ins Wanken gerät seine Welt erst, als die 17-jährige Dina (Sarah Horvath) eines Tages vor seiner Haustüre steht und behauptet, seine Tochter zu sein. Doch damit nicht genug, denn die junge Frau hat bereits ihr erstes Kind Paul bekommen, das sie freundlicherweise gleich mitgebracht hat. Der Grund ihres plötzlichen Erscheinens ist jedoch nicht, dass sie nach all den Jahren endlich ihren Vater kennenlernen möchte, Dina möchte in erster Linie Geld von ihm abgreifen. Doch mit den geforderten 15.000 Euro kann der klamme und überaus verwirrte Basti natürlich nicht dienen. Also versucht er bei seiner Schwester Thea (Monika Gruber) und seinem Vater Lambert (Heiner Lauterbach) etwas abzugreifen und bestiehlt nebenbei noch zwei Holländerinnen auf eine sehr unkonventionelle Art und Weise...

Die derzeit sehr beliebten Komödien mit bayrischem Lokalkolorit bekommen einen weiteren Vertreter, der jedoch bei den meisten Kritikern klar durchfällt. Dimitrios Athanassiou von "moviemaze.de" kann sich immerhin noch zu einem recht durchschnittlichen Urteil durchringen, da "die kleinen Rollen in der zweiten Reihe" wie Heiner Lauterbach oder Monika Gruber "den Film vor einem allzu tiefen Fall bewahren". Ansonsten gelinge es der "routinierten, allerdings auch enorm Klischee beladenen" Produktion "definitiv nicht, den Gipfel des Humors zu stürmen". Deshalb sei «Vatertage - Opa über Nacht» nicht mehr als "ein München-Werbespot für Nichteinheimische, mit ein paar leicht bekömmlichen Schauwerten, aber ohne größeren komödiantischen Esprit". Tim Slagman von "gamona.de" ist sogar der Ansicht, dass "die kleinen Eigenheiten und großen Vorurteile, die sich in einem so distinktiv gesetzten Setting finden lassen, eigentlich einen guten Grundstoff abgäben für feinsinnigen, satirischen Humor", die Macher jedoch nicht viel mehr tun "als das eine Klischee auf das nächste zu häufen". Somit gebe es "nur wenige neue, irgendwie originelle Ideen, mit denen sich diese Geschichte hinaus aus den konventionellen Bahnen lenken ließe", wenngleich "Heiner Lauterbach als homosexueller Uropa eine echte Entdeckung" sei. Michael Meyns von "programmkino.de" stellt hingegen fest, dass der Streifen "hinter der etwas konstruierten Geschichte, den manchmal plump-klamaukigen Momenten [...] eine erstaunliche Weltsicht" verberge.

OT: «Vatertage - Opa über Nacht» von Ingo Rasper; mit Sebastian Bezzel, Heiner Lauterbach, Adam Bousdoukos, Sarah Horvath, Christiane Paul und Monika Gruber

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Alles zum neuen Film von Toke Constantin Hebbeln.


«Wir wollten aufs Meer»
Die beiden Freunde Cornelis Schmidt (Alexander Fehling) und Andreas "Andy" Hornung (August Diehl) haben 1982 in Rostock den großen Wunsch, als Matrosen der DDR-Handelsmarine einmal um die Welt zu segeln. Doch dieser Wunsch geht für die beiden jungen Hafenarbeiter nicht in Erfüllung. Erst Jahre später kommt wieder Bewegung in den Fall, als Andy mit einer List dafür Sorge tragen möchte, endlich aufs Meer zu dürfen. Sie sollen für die Stasi ihren Freund Matthias "Matze" Schönherr (Ronald Zehrfeld) ausspionieren, um herauszufinden, ob dieser die DDR verlassen möchte. Da Cornelis den Verrat an seinem eigenen Freund für moralisch verwerflich hält, kommt es zum Zerwürfnis zwischen ihm und Andy. Als wenig später Cornelis' Verhältnis mit einer Vietnamesin (Phuong Thao Vu) auffliegt, plant er wie Matze die Flucht in die Bundesrepublik Deutschland. Ein paar Staatsbedienstete setzen den nach einem Unfall im Krankenhaus liegenden Andy nun unter großen Druck, die Fluchtwege der beiden preiszugeben – und schrecken vor keiner Drohung zurück...

Die größten Erfolgsfilme aus Deutschland setzten sich in den vergangenen Jahren fast immer mit der Vergangenheit des Landes auseinander, wobei vor allem der Nationalsozialismus und die DDR beliebte Themen waren. Auch dieser Film thematisiert wieder das Leben in der DDR, doch überschwängliche Begeisterung von Seiten der Kritiker bleibt diesmal aus. Tim Slagman von "filmstarts.de" lobt zwar die Hauptdarsteller Alexander Fehling und August Diehl, die "viel Gefühl für die Zwischentöne sowie die Ecken und Kanten ihrer Figuren zeigen", allerdings gebe es einige Szenen, in denen "etwas reißerisch auf äußere Spannung gesetzt" werde und die "thematisch wenig beitragen. [...] Die etwas reißerische Spannungsdramaturgie läuft dem enormen psychologischen Potenzial der sehr intimen Geschichte jedoch zuweilen zuwider". Sebastian Wotschke von "kino-zeit.de" zieht ein ähnliches Fazit, denn der Film sei inhaltlich "von einem starken Schwarz-Weiß-Denken geprägt, bei dem die Charaktere zu Abziehbildern werden, die vollends auf ihre Funktion im System reduziert sind", weshalb "die Geschichte um DDR und Stasi im Endeffekt nichts erwähnenswert Innovatives" biete und "manche Zuschauer im Nachhinein mit einer nicht vorhandenen Objektivität verärgern" werde. Hingegen sei "beispiellos, welche hochkarätigen Schauspieler [der Regisseur Toke Constantin] Hebbeln für das Projekt gewinnen konnte".

OT: «Wir wollten aufs Meer» von Toke Constantin Hebbeln; mit Alexander Fehling, August Diehl, Sven Gerhardt, Phuong Thao Vu, Sylvester Groth und Thomas Lawincky


«Parada»
Limun (Nikola Kojo) hat wahrlich schon viel in seinem Leben erlebt: Auf eine nicht sehr erfreuliche Zeit im Kosovo-Krieg folgte eine kriminelle Karriere, die ihn durch ganz Europa führte. Inzwischen führt er ein verhältnismäßig konservatives Leben als Besitzer einer Sicherheitsfirma und möchte sogar endlich heiraten. Seine Freundin Biserka (Hristina Popovic) kümmert sich daraufhin intensiv um die Vorbereitungen und engagiert zudem den Hochzeitsplaner Mirko (Goran Jevtic) – es soll ja immerhin auch wirklich alles perfekt sein an ihrem großen Tag. Dummerweise ist dieser schwul, womit Limun so große Probleme hat, dass er ihn eines Tages sogar zusammenschlägt. Erstaunlicherweise möchte Mirko seine Rolle trotzdem wahrnehmen – jedoch nur unter der Bedingung, dass Limuns Security ihn und seine Freunde bei einer Gay-Pride-Party in Belgrad vor Anfeindungen beschützt. Doch wie sich wenig später herausstellt, ist kein einziger bereit, diese Aufgabe wahrzunehmen – ganz im Gegensatz zu manch einem Gangster oder Kriegsverbrecher aus Limuns Vergangenheit...

Diese serbische Komödie thematisiert das Problem der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz von Homosexuellen in weiten Teilen Osteuropas auf eine Art und Weise, die nicht alle Kritiker begeistern kann. Christoph Schelb von "outnow.ch" schreibt Regisseur Dragojevic zwar "gute Absichten" zu, jedoch fehle es "seinem Film deutlich an Zug". Deshalb sei dieser Versuch, mit dieser "Tragikomödie Brücken zwischen zwei unterschiedlichen Lagern zu schlagen" letztendlich "ein Crowdpleaser mit einer guten Message, aber mit eindeutigen Längen". Bei "zurückgespult.de" ist man der Ansicht, dass hier "ein wichtiges Problem nicht richtig angegangen" worden sei. Man wechsele zu häufig zwischen Drama und Komödie, weshalb "die Nachvollziehbarkeit auf der Strecke bleibt und ein Mitfiebern mit den Figuren nicht möglich ist". Deshalb misslinge "der ehrenhafte Versuch, die homophobe Einstellung der baskischen Staaten zu durchbrechen und mit geschickter Parodie zu entwaffnen" in weiten Teilen. Oliver Kaever von "programmkino.de" schreibt sogar, dass Dragojevic für feine Ironie nichts übrig habe und stattdessen "auf satte und auch platte Gags [setzt], die zum Teil nicht mehr taufrisch wirken". Der Film "stellt schwule Stereotypen eher aus, als dass er sie hinterfragt".

OT: «Parada» von Srdjan Dragojevic; mit Nikola Kojo, Milos Samolov, Hristina Popovic, Goran Jevtic, Goran Navojec und Dejan Acimovic
12.09.2012 15:30 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/59100