Mit «Revolution» bringt NBC den alljährlichen «Lost»-Klon auf die Bildschirme. Qualitätsrevolution oder Ausfall?
«Lost»- und «Fringe»-Produzent J. J. Abrams, «Supernatural»-Schöpfer Eric Kripke und «Iron Man»-Regisseur Jon Favreau: Drei Namen, die NBCs Sci-Fi-Drama «Revolution» zu einer Serie machen, die schwer zu ignorieren ist. Jedoch gibt es ebenso gute Gründe, misstrauisch gegenüber dem Format zu sein. Sci-Fi-/Mystery-Dramen, die noch immer auf den Nachwellen von «Lost» entstanden sind, scheiterten in der jüngeren Vergangenheit an durchsichtig konstruierten Storys, sperrigen Konzepten, die die Figuren überlagerten, und letztlich auch an den davon beeinflussten schwachen Einschaltquoten. Ob «Flash Forward», «Jericho» oder «The Event»: Dieses Genre ist derzeit gleichbedeutend mit Enttäuschungen. Kann «Revolution» mit seiner Handlung über eine Zukunft ohne Elektrizität diesen Fluch brechen?
Er hat den schweren Schicksalsschlag für die gesamte Menschheit vorhergesehen, doch kaum jemand wollte ihm glauben: Ben Matheson (Tim Guinee) prophezeite, dass der Strom für immer ausfallen wird. Kein elektrisches Licht mehr, kein Kühlschrank, kein Fernsehen, kein Internet. Doch auch keine Handys, Autos oder Taschenlampen mehr, denn nicht nur das Stromnetz bricht zusammen, sondern jegliche Elektrizität, auch die in Batterien. Da sie dort größere Überlebenschancen vermuten, ziehen Ben und seine Frau (Elizabeth Mitchell) mitsamt ihren Kindern aufs Land. Zeitsprung um 15 Jahre: Die Bevölkerung hat sich infolge des Stromausfalls ausgedünnt, die Regierung der Vereinigten Staaten ist zusammengebrochen und es gelten wieder die vagen Gesetze des Wilden Westens. Das Schicksal von Bens Frau ist uneindeutig, angeblich soll sie aber verstorben sein.
Als Captain Neville (Giancarlo Esposito) mit seiner Miliz in das Farmersdorf einfällt, wo Ben sich mit der Ärztin Maggie (Anna Lise Phillips) niederließ, nehmen sie ihn ins Verhör. Es kommt zu einer Auseinandersetzung, die Ben das Leben kostet. An Bens Stelle entführt Neville Bens Sohn Danny (Graham Rogers), woraufhin sich sein bester Freund Aaron (Zak Orth), Maggie sowie Bens Tochter Charlie (Tracy Spiridakos) auf den Weg nach Chicago machen, wo Dannys und Charlies Onkel Miles (Billy Burke) lebt und von dem sie sich Hilfe versprechen ...
Selbst wenn man das Konzept eines globalen Stromausfalls schluckt, der mit einem Schlag auch sämtliche elektrischen Geräte gebrauchsunfähig macht, die nicht am Netz hängen, verlangt «Revolution» einen Schuss Gutglaubens: In der zwischen postapokalyptischem Chaos, Wildwest und Distrikt 12 aus «Die Tribute von Panem» angesiedelten Zukunftswelt der Eric-Kripke-Serie gibt es keine von Wasser- oder Dampfkraft angetriebenen Maschinen, obwohl solche Gerätschaften den Menschen das Leben lange vor der Glühbirne erleichtert haben. Die Vermutung liegt nahe, dass große Dampfmaschinen schlicht nicht in die Ästhetik passen, die den Serienmachern vorschwebte, aber wenn sie das allumfassende Versagen der Elektrizität (vorerst) damit begründen können, dass eines nachts die physikalischen Gesetze Kopf standen, dann hätte ihre Kreativität auch für eine Pseudobegründung hinsichtlich der Abwesenheit von Dampfkraft genügen dürfen.
Aufgrund dieser und ähnlicher Oberflächlichkeiten im Bezug auf das zentrale Seriengeheimnis gewinnt man schnell den Eindruck, dass das Mysterium hinter «Revolution» den Autoren nur zu zwei Dingen dienlich ist: Es erschafft mit Fragen wie "Was wusste Ben über den Vorfall?" mittelfristige Spannung und es ist die notwendige Begründung für die in der Serie dargebotene, rückschrittliche Zukunftswelt. Zumindest die Pilotfolge erweckt den Anschein, dass es den Serienmachern mehr daran gelegen war, an moderne Bequemlichkeiten gewöhnte Menschen zu zeigen, die plötzlich in einer rauen, stromlosen Welt leben. In «Lost» war es der Flugzeugabsturz, der moderne Menschen aus diesem Komfort riss. Besagte Serie, man mag über ihr Finale denken, was man möchte, hat allerdings auch von den ersten Minuten an eine eigene Mythologie gesponnen. Davon ist in «Revolution» zunächst nichts zu spüren, weshalb die Grundidee zwar interessant ist, aber längst nicht so packend umgesetzt wurde, wie es denkbar wäre.
Auch die Charakterisierung befindet sich auf eher durchschnittlichem Niveau. Zak Orth hat als trockenhumoriger Aaron schnell die Sympathien auf seiner Seite, auch wenn er auffällig nah an «Lost»-Publikumsliebling Hurley orientiert ist. «Breaking Bad»-Fiesling Giancarlo Esposito zieht als freundlich lächelnder, eiskalt dreinblickender Captain einer Miliz in seinen wenigen Szenen durch seine bedrohliche Ausstrahlung jegliche Aufmerksamkeit auf sich und auch Billy Burke weiß als undurchschaubarer Onkel Miles zu überzeugen. Die Hauptrollen dagegen sind seitens des Skripts schwach umrissen und erhalten auch von ihren Darstellern wenig Profil. Weder Graham Rogers noch Tracy Spiridakos können als Bens Sprösslinge genügend Empathie erzeugen, um es berechtigt erscheinen zu lassen, dass ihre beiden charakterarmen Jugendhelden (sie sind nett und sehen gut aus, sonst weiß man nicht viel über sie) die größte Aufmerksamkeit in der Serie erhalten.
Die Ausstattung der Pilotepisode ist durchaus beeindruckend, allerdings steht erfahrungsgemäß abzuwarten, wie stark diese visuelle Komponente in nachfolgenden, budgetärmeren Episoden heruntergeschraubt wird. Zwar ist die postapokalyptische Welt von «Revolution» unnatürlich sauber, allerdings strotzt sie auch vor atmosphärischen Details und die geräumigen Sets erlauben komplex choreographierte Actionszenen, wie etwa den finalen Schwertkampf, der sich mühelos zum Höhepunkt des sonst etwas träge erzählten Piloten aufschwingt.
«Revolution» möchte Fragen darüber stellen, was die Menschheit durch das Abhandenkommen der Elektrizität gewinnt und verliert. Jedoch scheint den Serienmachern noch mehr daran gelegen, eine Art postapokalpytischen Western zu erzählen, bei dem aber die selbstgefällige Miliz die blassen Helden an die Wand spielt. Hinzu kommt, dass die eigene Mythologie der Serie bislang eher dünn ausfällt. Das Potential zu einem Genrehit hat «Revolution» zwar, allerdings muss das Format dieses Potential schneller ausschröpfen und an Charakter gewinnen, wenn es nicht in die Beliebigkeit abrutschen möchte.