Weltrekorde ohne große Inszenierung

Ausgerechnet RTL II zeigte am Mittwochabend, wie man die «Guinness World Records» angenehm und dezent präsentieren kann - ohne jedoch zu langweilen.

Die Faszination vieler Menschen an besonderen Leistungen aller Art macht sich das Fernsehen bereits seit vielen Jahren gerne zu Nutze. Ob schräge Ideen bei «Wetten, dass..?», verblüffende Gehirnakrobatik bei «Deutschlands Superhirn» oder schlicht und einfach die regelmäßige Rekordjagd bei den Olympischen Spielen: Auf ganz unterschiedliche Art und Weise stellt man außergewöhnliche Leistungen einiger Menschen zur Schau. Dementsprechend beliebt für das Fernsehen sind auch die «Guinness World Records», die Rekordversuche verschiedenster Couleur festhalten und in regelmäßigen Abständen im so genannten "Guinness Buch der Rekorde" publizieren. Nachdem RTL die zuletzt nicht mehr wirklich erfolgreiche Zusammenarbeit mit der bekannten Marke Guinness Ende 2008 aufgab, versucht sich RTL II aktuell an einer Wiederbelebung der Rekordjagd. Was aus Sicht der Einschaltquoten bislang prima funktionierte, macht sogar inhaltlich Spaß. Dabei überrascht insbesondere die sehr zurückhaltende Aufmachung positiv.

Präsentiert werden dem Zuschauer pro Sendung mehrere Versuche, entweder einen bereits bestehenden Weltrekord zu brechen oder einen Erstrekord in einer ganz neuen Disziplin aufzustellen. Präsentiert wird das Format von Sonja Zietlow und Micky Beisenherz, die an unterschiedlichen Orten am oder auf dem Europapark Rust die Wettbewerbe begleiten. Wie es sich für eine Guinness-Show bereits seit der Gründung im Jahr 1955 gehört, tritt zudem stets mindestens ein offizieller Schiedsrichter hinzu, der beurteilen soll, ob die Versuche erfolgreich bewältigt wurden. Anders als bei «Die größten Weltrekorde» auf RTL befindet man sich nicht in einem Fernsehstudio, sondern unter freiem Himmel mitten auf besagtem Freizeitpark – wodurch es der Show etwas an Atmosphäre mangelt, da oftmals überhaupt kein Publikum vorhanden ist und Stimmung während der Wettbewerbe kaum aufkommt.

Generell dürfte es gerade den Gelegenheitszuschauer überraschen, wie zurückhaltend die Aufmachung der Show ist. Während beim «Supertalent» geheuchelte Emotionen regieren und die Sendergruppe gerne dazu neigt, jede etwas stärkere Windböe zu einem zerstörerischen Tsunami aufzubauschen, merkt man hier nicht einmal wirklich, dass es überhaupt um offizielle Weltrekorde geht. Dies ist in Anbetracht der gerne bis zur Pervertierung übersteigerten Sensationsgier in vielen modernen Shows des Privatfernsehens sehr sympathisch und angenehm anzuschauen, wirkt aber bisweilen auch so, als ob man sich ein wenig unter Wert verkauft. Dieser Eindruck verfestigt sich noch durch einen eher dahinnölenden Kommentator, gegenüber dem sogar Tom Bartels fast schon wie eine Stimmungskanone wirkt. Etwas mehr Euphorie und möglichst authentisch geheuchelte Begeisterung für die Wettbewerbe könnte hier schon sein.

Die Rekordversuche sind gut ausgewählt und bieten eine breite Palette an Spektakel, Witz und Skurrilität. Zu Beginn überwiegt noch der sportliche Wettkampf, als sich zunächst zwei junge Männer erfolgreich daran versuchen, einen Ball durch einen Trampolinsprung aus über 7,50 Meter in den Basketballkorb zu dunken und anschließend ein altbekannter Teilnehmer einen Wagen in eine gerade einmal 14 Zentimeter breite Parklücke manövriert. Mit einem Waschmaschinenweitwurf über vier Meter und der rasanten Entwachsung zweier Männerbeine versucht man sich im zweiten Teil der Show eher daran, das Publikum zu amüsieren. Und damit auch die Hauptzielgruppe des Senders auf ihre Kosten kommt und sich an der weiblichen Oberweite weiden kann, darf zwischendurch eine leicht bekleidete junge Frau ihren BH gleich neun Mal innerhalb einer Minute an- und wieder ausziehen. Schließlich sei RTL II ja "erheblich seriöser geworden", wie Micky Beisenherz ironisch anmerkt.

Eine wirklich nette Idee ist zudem die "Rekord-Box", in der sich ganz normale Menschen an einem bestimmten Weltrekord die Zähne ausbeißen können. In dieser Ausgabe versuchen sie sich daran, eine 210 Gramm schwere Zwiebel in unter 44 Sekunden komplett zu verspeisen – und scheitern allesamt kläglich. Die unbeholfenen Versuche der ausnahmslos männlichen Teilnehmer zu beobachten, macht insbesondere deshalb Spaß, weil man auch hier auf inszenatorische Mittel und somit auf eine unnötige Bloßstellung der Menschen verzichtet. Zudem wird die Rekord-Box kurz und bündig gezeigt und nimmt gerade einmal rund zwei Minuten Sendezeit ein. Auch der zweite Einspieler des Abends ist eine willkommene Abwechslung zu den präsentierten Wettbewerben. In wenigen Sekunden werden hier die fünf nach Meinung der Redaktion größten Massenrekorde präsentiert, bevor man umgehend weiterschaltet.

Eine eher unwichtige Rolle nehmen Zietlow und Beisenherz bei der Moderation ein, denn hauptsächlich besteht ihre Arbeit darin, die Wettbewerbe grob zu beschreiben sowie Kandidaten und Schiedsrichter vorzustellen. Zu sehen ist dabei nur jeweils einer der beiden, wobei sich Beisenherz deutlich eher zu profilieren versucht. Immer wieder versucht er sich an weitgehend vorhersehbaren Gags, die kaum spontan, sondern eher einstudiert wirken und somit nur selten ihre Wirkung entfalten. Wirklich störend ist dies nicht, aber es trägt auch nur selten positiv zur Sendung bei. Kaum in Erscheinung tritt seine Kollegin Sonja Zietlow, die sich zumeist darauf beschränkt, Grimassen zu ziehen. Verbal ist sie so zurückhaltend, dass man sich schon wenige Minuten nach der Sendung fragt, ob sie überhaupt wirklich an der Show mitgewirkt hat.

Insgesamt läuft «Guiness World Records» so ziemlich allen Vorurteilen zuwider, die man gegenüber Formaten des Senders RTL II hat. Die Sendung ist eher zu zurückhaltend als zu schrill und bunt, präsentiert ihre Weltrekorde zu keinem Zeitpunkt, als ob gerade ein großer Schritt für die Menschheit vollbracht worden wäre und versucht sich niemals daran, Menschen bloßzustellen. Plump ist die Sendung vielleicht, wenn das Anziehen eines BHs gleich mehrere Minuten Sendezeit einnimmt. Allerdings kann man als Zuschauer auch das recht gut verschmerzen, da es selbstironisch und sogar mit leichten Spitzen gegenüber dem Niveau des ausstrahlenden Senders verpackt wird. Und unterhaltsam ist sie vor allem aufgrund vieler interessanter und guter Ideen – was jedoch ohnehin bislang so gut wie jede Guinness-Show ausmachte. Das Fernsehen wird man hiermit sicher nicht revolutionieren können, für eine Stunde voll leichter, aber keinesfalls primitiver Unterhaltung reicht es hingegen auf jeden Fall.
20.09.2012 01:55 Uhr  •  Manuel Nunez Sanchez Kurz-URL: qmde.de/59261