Die Kritiker: «Herbstkind»

Der ARD-Film «Herbstkind» greift ein immer aktuelles Thema auf: Emilia, selbst Hebamme, wird Mutter eines Kindes, kommt mit dieser Rolle aber nicht zurecht und wird depressiv.

Inhalt
Emilia, eine junge Hebamme, begleitet täglich Frauen durch Schwangerschaft und Geburt in einen neuen Lebensabschnitt voller Herausforderungen. Nun steht sie vor ihrem eigenen „Meisterstück“: In wenigen Wochen erwarten sie und ihr Mann Christoph ihr erstes Kind. Mit professioneller Gelassenheit und voller Vorfreude bereitet Emilia die Ankunft ihres Kindes vor.

Und dann kommt alles anders. Die Hausgeburt muss abgebrochen werden, Emilia kommt in eine Klinik. Und sie spürt vom ersten Augenblick an, dass sie dieses Kind nicht lieben kann. Spürt, dass sie in ihrem Zuhause in dem kleinen bayerischen Ort plötzlich wie aus der Welt gefallen ist. Alles ist ihr fremd: Ihre fröhliche Schwiegermutter Monika, die auch mit 50 noch ein unkonventionelles Hippieleben führt, ihre Nachbarin Gretel, die neben dem Bauernhofbetrieb fünf Kinder großgezogen hat. Und ihr liebevoller Mann, für den das Leben mit Frau, Kind und Kirchenchor doch eigentlich so perfekt sein könnte.

Emilia gleitet immer stärker ab in eine postpartale Depression, die das Leben ihres Kindes und ihr eigenes in Gefahr bringt.

Darsteller
Katharina Wackernagel («Stralsund – Blutige Fährte») ist Emilia Schneider
Felix Klare («Tatort») ist Christoph Schneider
Saskia Vester («Jeder Tag zählt») ist Monika Wilson
Monika Baumgartner («Familie für Fortgeschrittene») ist Gretel
Heinz Hoenig («Manche mögen’s glücklich») ist Gustav Pellmann
Lena Stolze («Tage die bleiben») ist Hannah Brenner
Alice Dwyer («Ins Blaue») ist Sandrina Keil
Ella-Maria Gollmer («Vorstadtkrokodile 3») ist Tini Hofleitner

Kritik
Mutter zu sein bedeutet nicht automatisch glücklich zu sein. Das zeigt auch der neue Mittwochsfilm im Ersten, der sich um eine Hebamme dreht, die zwar Frauen dabei hilft, Kinder zu bekommen, bei der Geburt ihres eigenen Kindes aber alles andere als solide wirkt.

Gespielt wird die Hauptrolle von Katharina Wackernagel, die anfangs glaubhaft die fürsorgliche Krankenschwester mimt, später dann immer mehr in Depressionen verfällt und mit verschmiertem Make Up sowie feuchten Augen durch die Gegend läuft. Man merkt ihr deutlich an, dass ihr neuer Fulltime-Job als Mutter kaum Glücksgefühle auslöst und sich stattdessen Stress, Panik und Überforderung breit machen. Wackernagel gelingt die Zeichnung ihrer Figur ansprechend, sodass man trotz der schwer verständlichen Taten immer noch Mitgefühl hat.

Allerdings bewegt sich «Herbstkind» stets auf einer Ebene und findet kaum nennenswerte Steigerungen. Mit Sandrina stellt man Emilia eine Antagonistin zur Seite, die jedoch für zu wenige Reibungen sorgt. Der Konflikt von Kindesabtreibung und –austragung wird auch mit der minderjährigen schwangeren Tini angerissen, aber nicht tiefgründig weitererzählt. Die Eine will das Kind nicht, weil es ja schließlich nicht ihre Idee, sondern die des Fötus war, sich in ihr einzunisten. Die Andere bekommt Dresche von der eigenen Mutter. Klischees, die hätten vermieden werden können.

Über weite Strecken kann man den Gemütszustand der frischgebackenen Mutter gut nachempfinden, in anderen Momenten – wenn Emilia den Säugling samt Bettdecke in die Waschmachine stecken will – erscheint das Ganze seltsam. Wie in Trance bewegt sich Emilia durchs Haus und macht damit fast schon einen lethargischen Eindruck. Das bleibt nahezu über die gesamte Filmdauer so und wird etwas zu sehr ausgereizt. Wackernagels Schauspiel und auch das ihrer Kollegen, darunter Heinz Hoenig als Großvater, ist gelungen, die Geschichte kommt durch das statische Drehbuch jedoch nicht wirklich in Gang.

Das Erste strahlt «Herbstkind» am Mittwoch, den 24. Oktober, um 20.15 Uhr aus.
22.10.2012 23:20 Uhr  •  Janosch Leuffen  •  Quelle: Inhalt: ARD Kurz-URL: qmde.de/59918