«Rommel» - ein streitbarer Fernsehfilm?

Schon vor einem Jahr ist die Teamworx-Produktion kontrovers diskutiert worden - unter Anderem auch von einer Historikerin, die selbst als Beraterin an ihr beteiligt war. Gestern Abend wurde der Film nun im Ersten ausgestrahlt. Julian Miller hat hingeschaut.

Dass ein Film über Erwin Rommel hohe Wellen schlagen würde, war keine Überraschung. Schließlich handelt es sich hier um eine der kontroversesten Figuren der deutschen Geschichte. Denn Rommels Einstellung zur nationalsozialistischen Ideologie gilt in der Forschung nach wie vor als hoch umstritten.

Weitgehend einig ist man sich darüber, dass Rommel zumindest im Jahr des Kriegsausbruchs eine große Bewunderung für Adolf Hitler hatte. Gleichzeitig wird er vielfach als „politisch naiv“ beschrieben, soll entweder ein vollständiges Desinteresse an der verbrecherischen Nazi-Politik gehabt haben oder schlicht nicht dazu imstande gewesen sein, sie zu verstehen. Sicherlich war Rommel mehr als nur ein Rädchen im Getriebe. Er war einer der Hauptverantwortlichen dafür, dass das Dritte Reich ganze zwölf Jahre gedauert hat – auch wenn er sich der ekelhaften Nazi-Ideologie nicht bewusst gewesen sein mag oder um eine Rechtfertigung für seine Beteiligung an ihrer Umsetzung in seinem Selbstbild dadurch herumgekommen ist, dass er sich als loyaler Soldat und Befehlsempfänger sah.

Aber auch für unseren Gehorsam tragen wir Verantwortung. Dieses Zitat von Hannah Arendt hat Regisseur und Drehbuchautor Niki Stein an den Anfang des Films gestellt. ARD-Programmdirektor Volker Herres betont ihn im Presseheft zu «Rommel» noch ein weiteres Mal. Vielleicht ist das die große Tragik dieser Person und somit auch des Stoffs dieses Films, dass dieser Mann unfähig war, letztlich für seinen Gehorsam Verantwortung zu übernehmen und damit maßgeblich an einer der größten Katastrophen der Menschheitsgeschichte beteiligt war. „Wir sind Soldaten, wir haben doch nichts mit Politik zu tun“, lässt Stein Rommel in seinem Film sagen.

Schon kurz nach den Dreharbeiten gingen einige in der Öffentlichkeit ausgetragene Debatten durch die Presse. Dr. Cornelia Hecht, eine Historikerin, die auch als Beraterin an der Produktion von «Rommel» beteiligt gewesen war, äußerte sich kritisch über die historische Akkurarität des Films, da aktuelle Erkenntnisse der Forschung nicht berücksichtigt worden seien und eine der Quellen die Rommel-Biographie des verurteilten Holocaust-Leugners David Irving gewesen sein soll. Teamworx-Chef Nico Hoffmann wies all die Äußerungen Dr. Hechts zurück; die Geschichtswissenschaftlerin soll daraufhin laut „Focus“ eine Unterlassungserklärung unterzeichnet haben, dass sie sich nicht mehr öffentlich über den Film äußern würde. Dies sei branchenüblicherweise ohnehin eine Klausel in ihrem Vertrag gewesen, so Teamworx in einer Stellungnahme im vergangenen November.

Wo die führenden Köpfe der Forschung heiß diskutieren und sich die Renommiertesten des Faches nicht einig sind, wird ein Film, auch wenn er sich haarklein an den historischen Begebenheiten orientieren will, keine abschließenden Antworten finden können. Vielmehr geht es, zumindest als ein tragender Aspekt des Projekts, um einen Diskussionsanstoß über einen Teil unserer Geschichte. Klar, dass es da nicht unbedingt förderlich ist, einer renommierten Historikerin eine Unterlassungserklärung zu präsentieren, selbst wenn sie sich über Produktionsinterna geäußert haben sollte. Denn ein Film, der eine Diskussion anregen will, muss sich auch selbst dieser Diskussion stellen – inklusive seiner Produktionshintergründe.

Dramaturgisch legt der Film sein Gewicht auf das Gehorsamkeitsdilemma Rommels, eines Mannes, der für einen despotischen Führer mit der abscheulichsten Politik kämpft, sie gleichzeitig aber so weit ignoriert, wie er kann, oder ihr gar kritisch gegenübersteht (Rommel verbietet seinem Sohn den Eintritt in die Waffen-SS und tut in diesem Film alles in seiner Macht Stehende, um den Krieg möglichst rasch zu beenden).

Ein wenig fühlt man sich an einen Satz aus dem «Vorleser» erinnert, in dem eine ehemalige KZ-Aufseherin vor Gericht steht und sich dafür verantworten muss, dass sie bei einem Feuer tatenlos zugesehen hat, wie die Häftlinge verbrannten: „Sechs Frauen haben dreihundert Menschen verbrennen lassen. Was gibt es da zu verstehen?“ Aber man muss zumindest versuchen, all diese menschlichen Perversionen zu verstehen, wenn man die deutsche Geschichte verstehen will. Und «Rommel» ist eine Schlüsselfigur unseres tragischsten Kapitels.

Stein und Hauptdarsteller Ulrich Tukur gelingt es dabei nahezu vortrefflich, dieses Hadern, dieses Zögern, diese permanente Unentschlossenheit zwischen unbedingtem Gehorsam und der Erkennung der Notwendigkeit eines Widerstandes gegen den widerwärtigen Führer zu inszenieren und glaubwürdig zu machen, auch wenn man sie intellektuell beim besten Willen nicht nachvollziehen können mag. Die Figur Rommel wirkt in diesem Film plastisch, vielschichtig, weder abstoßend noch sonderlich sympathisch. Es ist eine Gratwanderung, die leicht hätte schief gehen können. Wenn man der Komplexität einer derartigen Person überhaupt gerecht werden kann, dann schafft das dieser Film so weit, wie dies möglich ist. Und hat durch ein packendes und differenziertes Drehbuch, eine filigrane Umsetzung und einen äußerst fähigen Cast seine Aufgabe erfüllt.
02.11.2012 09:30 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/60122