Die Auftaktfolge der Krimireihe überrascht zwar nicht aus Sicht der Handlung, sieht für eine deutsche Krimiserie allerdings überragend gut aus. Ob einmaliges Experiment oder dauerhaftes Stilmittel: Antje Wessels erklärt, warum man auf "Die Verurteilten" durchaus einen Blick riskieren sollte.
Inhalt:
Ein anonymer Anrufer lotst Jan in die Innenstadt, wo ein hilfloser Mann mit einem Bombengürtel in Todesangst Jans Namen ruft. Zwar gelingt es Jan in letzter Sekunde, die Bombe zu entschärfen, aber sein eigentliches Abenteuer beginnt erst jetzt. Der Anrufer meldet sich wieder und schickt Jan auf eine Schnitzeljagd quer durch Leipzig. Seine Mission: weitere Bomben entschärfen, bevor sie explodieren. Helfen sollen Jan dabei Fragen, die er sich selbst beantworten muss. Erst mit der Zeit wird Jan klar, dass der Unbekannte viel über sein Leben weiß. Er zwingt ihn, sich mit den Schicksalen der Menschen auseinanderzusetzen, die Jan in den letzten Jahren ins Gefängnis gebracht hat. Jans Jagd nach den Bomben wird gleichzeitig zu einer Reise in seine Vergangenheit, in das Leben der Verurteilten.
Fieberhaft versuchen Jans Kollegen, den Anrufer zu ermitteln. Handelt es sich um einen aus der Haft entlassenen Täter, der sich an Jan rächen will? Als ein letzter Anruf Jan ins Polizeipräsidium lockt, kommt es zu einer überraschenden Begegnung, mit der niemand rechnen konnte.
Darsteller:
Andreas Schmidt-Schaller («Der Clown», «Polizeiruf 110») ist Hajo Trautzschke
Marco Girnth («Mit Herz und Handschellen», «Alarm für Cobra 11» ist Jan Maybach
Melanie Marschke («Die Cleveren», «Kein Sex ist auch keine Lösung») ist Ina Zimmermann
Steffen Schroeder («KeinOhrHasen», «Der Alte») ist Tom Kowalski
Michael Brandner («Der Untergang», «Heiter bis tödlich: Hubert und Staller») ist Dr. Manfred Wörnle
Caroline Scholze («In aller Freundschaft», «Der Landarzt») ist Leni Trautzschke
Kritik:
Während das ZDF erst kürzlich Schlagzeilen mit der Absetzung einiger alteingesessenen Serienformate machte, baut der Sender auf der anderen Seite seine Krimi-Schiene weiter aus. Ab Freitag, dem 16. November laufen 25 neue Folgen von
«SOKO Leipzig». Doch tut dies Not, wo es dem ZDF doch nicht wirklich an Krimi-Kost mangelt? Um aus der Masse hervorzustechen, braucht es konsequenterweise ein über allem stehendes Alleinstellungsmerkmal, welches die Zuschauer am Dranbleiben hält. Was das angeht, so zeigt bereits die erste Folge, „Die Verurteilten“, einen Weg auf, welcher nicht recht erkennen lässt, ob hier für eine Episode einfach nur ordentlich experimentiert wurde, oder ob man beschloss, «SOKO Leipzig» ab sofort gänzlich anders zu gestalten, als all die anderen Krimi-Kollegen.
Vom Aufbau her ist die Auftaktfolge von «SOKO Leipzig» gar nicht so viel anders, als vergleichbare Krimifolgen. Wenngleich die Ausgangslage des Falles – ein Unbekannter schickt einen Kommissar in Form einer Schnitzeljagd quer durch die Stadt – etwas Besonderes an sich hat, so ist die Entwicklung dessen nicht sehr außergewöhnlich. Falsche Fährten, das Voranschreiten der Ermittlungsarbeiten und der buchstäbliche „große Knall“ zum Schluss der Folge sind nicht besonders originell, doch Originalität kann man bei derart vielen Krimiserien in Deutschland auch nicht stetig von jeder Folge erwarten. Was hingegen äußerst überrascht, ist die Optik. Und die schafft es stellenweise, das relativ unspektakuläre, da überraschungsarme Drehbuch auszugleichen.
Die Macher greifen hier nicht nur in eine, sondern in mehrere Trickkisten gleichzeitig und vereinen derart viele unterschiedliche Stilmittel in knapp 45 Minuten, dass einem im wahrsten Sinne des Wortes Hören und Sehen vergeht. Dies ist bisweilen fast zu viel des Guten, da man versucht, möglichst viele verschiedene Looks in einer Dreiviertelstunde aneinanderzureihen und auszuprobieren. So greift man auf die mittlerweile fast zum Standard gewordene Handkameraoptik zurück, man nutzt allerlei Farbfilter für unterschiedliche Erzählzeiten, man teilt das Bild im «24»-Stil auf und zeigt dabei gleichzeitig ein und dieselbe Person aus verschiedenen Perspektiven.
Diese kleine Ansammlung an Beispielen macht deutlich: Langweilig wird es in „Die Verurteilten“ definitiv nicht, denn dafür ist es doch reichlich spannend zu beobachten, mit was für Ideen die Macher beim Schnitt, bei den Kamerafahren und der Optik auftrumpfen können. Dadurch gelingt es ihnen sogar tatsächlich, den Zuschauer über Schwächen im Drehbuch hinwegsehen zu lassen. Auch das durchgehend hohe Tempo lässt es kaum zu, sich über so etwas Gedanken zu machen. Die erste «SOKO Leipzig»-Folge kommt für einen deutschen Krimi nahezu wie eine Achterbahnfahrt auf internationalem Niveau daher, die durch ihr Aussehen einen zusätzlichen Reiz ausstrahlt. Auch dem fast in Echtzeit ablaufenden Plot gelingt es, zu fesseln, obwohl er thematisch nicht herausragend spannend ist.
Die Darsteller präsentieren sich solide. Doch gerade die Hauptfigur Jan Maybach, verkörpert von Marco Girnth, gibt sich auf Augenhöhe mit dem Publikum. Dadurch strahlt er viel Sympathie aus und ist in seiner Rolle top besetzt. Da „Die Verurteilten“ hauptsächlich Girnths Rolle im Fokus hat, bleiben die anderen Darsteller eher Randfiguren. Hier sticht keiner hervor, weder besonders positiv, noch negativ.
Fazit: Die Macher der ersten neuen «SOKO Leipzig»-Folge „Die Verurteilten“ überraschen weniger mit einer bahnbrechenden Story, denn vielmehr mit einer überraschend actionreichen, ansehnlichen und mutigen Herangehensweise. Diese spiegelt sich vor allem in einer Optik mit internationalem Flair wieder und sorgt dafür, dass sich die Serie, so wie sie sich in Folge eins präsentiert, einen Namen als bestaussehendste Krimireihe Deutschlands machen könnte. Nun muss man auf der Handlungsebene nur noch ebenso mutig werden.
Das ZDF zeigt die neuen Folgen der 16. Staffel ab dem 16. November um 21:15 Uhr.