Die Kritiker: «Tatort: Das Wunder von Wolbeck»

Das gewöhnungsbedürftige Jubiläum triumphiert dank eines grandiosen Ermittlerduos, enttäuscht jedoch aufgrund einer für «Tatort»-Verhältnisse sehr seichten Story.

Inhalt
Kommissar Thiel und Prof. Boerne ermitteln dieses Mal im dörflichen Umland von Münster, auf Weiden, in Ställen, bei großen und kleinen Tieren. Auf einem restaurierten Hof bei Wolbeck wird der Heilpraktiker Raffael Lembeck eines Morgens von seiner Frau Stella tot aufgefunden. Das Opfer war offensichtlich in seiner Praxis zu Fall gekommen und ist dann verblutet, erklärt Prof. Boerne am Tatort. Besonders bei Frauen waren Lembecks alternative Behandlungsmethoden sehr beliebt, sogar aus dem Ausland reisten vermögende Patientinnen an. Gleich auf dem Nachbarhof hingegen, bei der Familie von Bauer Moritz Kintrup, war er nicht immer gern gesehen. Außerdem sind da noch die drei Krien-Brüder in Wolbeck, die nicht recht herausrücken wollen damit, was sie mit dem Opfer zu tun hatten.

Darsteller:
Jan Josef Liefers («Knockin' on Heaven's Door», «Mann tut was Mann kann») ist Prof. Boerne
Axel Prahl («Der Schimmelreiter», «Die Patin») ist Frank Thiel
Friederike Kempter («Ladykracher», «Kokowääh») ist Nadeshda Krusenstern
Julia Krynke («Die Besucherin», «Muse») ist Milena Kintrup
Jan-Peter Kampwirth («Neue Vahr Süd») ist Bert krien
Stephan Kampwirth («23», «Das Duo») ist Moritz Kintrup

Kritik
Der «Tatort» als eine der beliebtesten Institutionen im deutschen Fernsehen bietet Woche für Woche spannende Krimiunterhaltung vom Feinsten. Mal experimentell, mal sozialkritisch oder, wie im Fall des Münsteraner Tatorts gerne auch mal tierisch komisch, präsentieren die verschiedenen Ermittlerduos jeden Sonntag einen neuen Kriminalfall. So auch an diesem und diesmal ist es sogar ein ganz besonderer. „Das Wunder von Wolbeck“ markiert das zehnjährige Jubiläum des Münsteraner Tatorts und zeigt, weshalb das Ermittlerduo, bestehend aus Axel Prahl alias Hauptkommissar Thiel und Jan Josef Liefers in der Rolle des Rechtsmediziners Boerne so beliebt ist. In diesem Fall hat man bei der Besetzung und bei der Figurenzeichnung alles richtig gemacht und präsentiert dem Publikum einen Krimi der heiteren, weniger schwerfälligen Art.

Die Kulisse des ländlichen Münster bietet hier viel Platz für komische, bisweilen sogar überdrehte Charaktermomente. Es mutet gewöhnungsbedürftig an, wenn Professor Boerne mit einer Ziege auf dem Beifahrersitz in die Gerichtsmedizin fährt, oder selbiger einheimischen Bauern Tipps im Bereich der Rinderzucht gibt. Der lockere Tonfall der Folge lässt sich so wohl kaum in all die düsteren, schwerfälligen «Tatort»-Episoden vergangener Zeiten einreihen, dafür steht der «Tatort Münster» allerdings auch gar nicht. Das Publikum weiß, dass ihn bei dieser Figurenkonstellation eher gediegenere Abendunterhaltung erwartet. Im Falle von „Das Wunder von Wolbeck“ meinte man es mit der Seichtigkeit jedoch ein wenig zu gut.

Nach klassischem Krimi-Schema wird der Fall mit einem Mord eröffnet. Anschließend folgen die obligatorischen Ermittlungen, die in dieser Folge jedoch nur eine Nebenrolle spielen. Regisseur Mathias Tiefenbacher realisierte das Drehbuch von Wolfgang Stauch im Stile eines Vorabendkrimis, dessen Funken partout nicht überspringen mag. Dies liegt jedoch zweifelsfrei nicht an den herausragenden Darstellerleitungen. Der Cast, welcher bis in die Nebenrollen hochklassig besetzt ist, harmoniert in jeder Sekunde. Vor allem die humoristischen Wortgefechte der beiden Hauptdarsteller sind hervorragend ausgearbeitet und werden mit einer Spielfreude ausgetragen, dass der geneigte «Tatort»-Fan aus dem Schmunzeln nicht mehr herauskommt. Dies täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass die Storyline die gesamte Laufzeit über weitgehend blutleer bleibt und sich nur sehr schleppend entwickelt. Während die Dialoge zwischen Tiel und Boerne zeigen, wie viel Dynamik in dem Drehbuch zu stecken scheint, wirken andere Gespräche in die Länge gezogen und lassen die Handlung auf der Stelle treten. Zudem fehlt den meisten Nebenfiguren die notwendige Charakterisierung, um so etwas wie Spannung aufzubauen. Die sucht man in diesem «Tatort» leider vergebens. Viel hierzu trägt vor allem die Musikuntermalung sowie die optische Aufmachung bei. Der Instrumentalscore ist zu weiten Teilen leicht, beschwingt und untermalt vor allem die komischen Momente. Das zieht – passt es doch zur gesamten Aufmachung von „Das Wunder von Wolbeck“. Diese ist hell, freundlich und der friedlich-ländlichen Umgebung entsprechend. So passiert es allzu oft, dass der Zuschauer glatt vergessen könnte, dass er sich gerade in einem Krimi befindet.

Eigentlich würde dieser «Tatort» auch hervorragend als Dramödie funktionieren. Dann jedoch wirkt der eingebettete Mordfall fast fehl am Platz und das Fazit fällt relativ ernüchternd aus. Die Jubiläumsfolge des «Tatort Münster» hat ganz klar große Stärken. Diese liegen nach wie vor im Bereich der Besetzung, denn Prahl und Liefers sind in ihren Paraderollen nicht nur unfassbar komisch, sondern authentisch und beweisen eine Gespür für ihre Rollen. Ihnen ist es zu verdanken, dass „Das Wunder von Wolbeck“ ungeheuer Spaß macht, solange man nicht erwartet, tiefsinnige Krimi-Unterhaltung zu erhalten. Denn die tollen Darstellerleistungen gehen auf Kosten der Spannung, sodass das Ende, in welchem der Film dann endlich Fahrt aufnimmt, zu bemüht wirkt. Einen tiefsinnigen Krimi wird das Publikum nicht bekommen, doch dafür sind dann eben wieder die Kollegen der anderen Wachen zuständig.

Das Erste zeigt «Tatort: Das Wunder von Wolbeck» am Sonntag, 25. November 2012 um 20.15 Uhr.
24.11.2012 09:00 Uhr  •  Antje Wessels  •  Quelle: Inhalt ARD Kurz-URL: qmde.de/60545