Angeklickt: Die YouTube-Originalkanäle kommen

In der vergangenen Woche sind die ersten zwölf deutschen YouTube-Channels an den Start gegangen. Unter den Machern befinden sich auch namhafte TV-Produktionsfirmen wie Endemol und UFA. Ein Blick auf die neuen Unterhaltungs-Angebote im Netz.

Neu ist das Konzept nicht, das YouTube nun auch in Deutschland gestartet hat: Die sogenannten Original Channels – von unabhängigen Produzenten gemachte und von YouTube selbst unterstützte Kanäle – haben sich in den USA bereits fest als Teil der kollektiven Videoklick-Kultur etabliert. Offensichtlichster Unterschied zu „normalen“ Amateurvideos ist die Professionalität, mit der die Videos hergestellt werden. Eine Professionalität, die nicht ohne Grund Assoziationen zum Fernsehprogramm weckt – aber sonst nicht allzu viel mit ihm gemein hat: Bei den YouTube-Channels wird Kurzzeit-Unterhaltung geboten, mit Videos, die Unterhaltung, Wissen oder Informationen in Fast-Food-Manier vermitteln – schnell, abwechslungsreich, aber vielleicht mit weniger inhaltlichem Gehalt.

Die Vorteile der YouTube-Plattform sind offensichtlich: Betreiber der Channels können mit ihren Usern in Kontakt treten, zielgruppenaffine Formate ohne größere inhaltliche Beschränkungen produzieren und senden, wann oder wie oft sie wollen. Dass Fernsehproduzenten diesen Trend nicht verpassen wollen, scheint selbstverständlich. Und so finden sich unter den ersten zwölf deutschen Original Channels auch einige, hinter denen TV-Macher stehen.

So ist beispielsweise Endemol durch seine eigens für Internetaktivitäten gegründete Tochterfirma Endemol beyond mit gleich drei Kanälen am Start. Unter anderem findet sich hier eine Art inoffizieller Nachfolger des eingestellten ZDFneo-Kinomagazins «Moviacs»: «Shortcuts – Movies in Your Face» soll die Welt der Filme vorstellen, mit ihren Machern und Hintergründen, mit Blockbuster-Kritiken und mit einem Schwerpunkt auf die Welt des Kurzfilms. Die Moderatoren sind Tina Kaiser (früher bei 9live) und Nilz Bokelberg, der schon bei «Moviacs» mitgewirkt hat. Bisher ist nur ein Teaser-Video zum Kanal „Shortcuts“ online, der von Endemol beyond in Zusammenarbeit mit Wiedemann & Berg hergestellt wird – dem Produktionsunternehmen also, das zuletzt mit «Add a Friend» die erste richtige Pay-TV-Serie in Deutschland gemacht hat.

Weiterhin von Endemol beyond produziert: Der «Survival Guide for Parents», ein Kanal für junge und moderne Eltern oder solche, die es werden wollen. Hier finden sich in der Rubrik „Kantine Gold“ mehr oder weniger hilfreiche Tipps zur Zubereitung schneller und schmackhafter Gerichte oder in der Rubrik „Elternabend“ einen unterhaltsamen Ratgeber für alle Lebenslagen. Kulinarisch-musikalisch geht es zu im Kanal «What’s for (b)eats?», der mit TV-Koch Steffen Henssler («Topfgeldjäger») einen prominenten Namen vorweisen kann. In den Videos begrüßt Henssler verschiedene Künstler aus der Musikszene – und verbinden Kochen und Musizieren auf ungewöhnliche wie innovative Weise. Außerdem gibt’s kompakte Zubereitungstipps für angehende Hobbyköche.

Neben Endemol mischt auch die Fernsehproduktionsfirma UFA kräftig bei YouTube mit: «eNtR berlin» kommt aus der Bundeshauptstadt und beleuchtet die Berliner Kultur – ob Popkultur, Esskultur, Zeitgeist, Mode oder mehr. Vorgestellt werden in den Videos oft ungewöhnliche Berliner Ikonen oder Künstler – beispielsweise der Betreiber der Szene-Disco „Golden Gate Club“ oder der „Hair nomad“, ein Frisör mit Hausbesuch-Garantie. Ebenfalls von UFA kommt der Kanal «Trigger», der hinter die Kulissen der Kriminalität blickt. So wird beispielsweise der vieldiskutierte Mord an Jonny am Berliner Alexanderplatz thematisiert und von Experten analysiert. Aber auch User können sich direkt einbringen: In Rechtsfragen hilft Udo Vetter vom bekannten Lawblog, der strittige Themen in kurzen Videobotschaften anspricht.

Ebenfalls unter den YouTube-Originalkanälen befindet sich First Entertainment, die Produktionsfirma solcher TV-Sendungen wie «Die große Show der Naturwunder» oder der früheren Testreihe «Pisa» mit Jörg Pilawa. First Entertainment stellt «Onkel Bernis Welt» her, eine Late-Night-Show für YouTuber. Mit mehr als einer halben Stunde sind die ersten beiden Folgen von „Onkel Bernis Butze“ für Internet-Verhältnisse sehr lang und haben Fernsehcharakter. Onkel Berni, die zwei verrückten Berliner WGler, sind bereits bekannt von ihrer Show bei Bild.de, nun geht es bei YouTube weiter. Bereits etabliert und bekannt ist auch der Videokanal von «Motorvision»: Mit fast 35.000 Abonnenten gehört der Kanal über die Faszination Auto seit längerer Zeit zu einem der erfolgreichsten professionellen YouTube-Angebote im Netz.

Auffallend bei vielen Kanälen: Die Macher produzieren nicht nur Fernsehen light fürs Internet, sondern nutzen die Vorteile des Mediums direkt aus. Durch Community-Videos mit Reaktionen der Zuschauer, durch die unterhaltsame Rechtsberatung mit Udo Vetter oder durch andere unterhaltsame Web 2.0-Videos. Alle der neuen Kanäle – auch jene ohne direkte Beteiligung durch TV-Produktionsfirmen – sind einen Blick wert; angesichts des breiten Themenspektrums dürften sich für alle Interessen entsprechende Angebote finden. Bleibt zu hoffen, dass die neuen Original Channels die Möglichkeiten des Mediums Internet weiterhin ausnutzen und somit eine Alternative, keine Konkurrenz zum gewöhnlichen Fernsehprogramm schaffen. Der Start klickt sich vielversprechend.
30.11.2012 09:16 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/60676