Das war 2012 – Der große Quotenmeter.de-Jahresrückblick

Teil I: Januar bis April – Thomas Gottschalk beherrschte die Schlagzeilen ebenso wie Christian Wulff, der Anfang 2012 mit seiner Affäre die Polit-Talkshows bestimmte.

Januar
Kaum hatte das Jahr begonnen, konnte man eigentlich schon wieder rückwärts zählen: nämlich die Tage bis zu Christian Wulffs Rücktritt. Pünktlich am 1. Januar berichtete die FAZ von einem Anruf des Bundespräsidenten bei „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann. Die Krise um das ohnehin schon schwer angeschlagene und nicht mehr glaubwürdige Staatsoberhaupt ging mit einem Kracher in die zweite Runde. In einem Interview mit den öffentlich-rechtlichen Sendern konnte er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht einmal ansatzweise entkräften, eine angedachte Sendung bei ProSieben, in der er seine Sicht der Dinge hätte präsentieren können, lehnte er sogar ab. Keine Polit-Talk-Show ohne Wulff als Hauptthema – und keine dieser Gesprächsrunden ohne das Ergebnis, dass der Mann aus dem Amt musste, wenn es nicht so bedeutungslos wie das des Dschungelkönigs werden sollte.

À propos Z-Promis: RTL lud im Januar wieder in den australischen Busch (zumindest wenn man ein hoch-technisiertes Gebiet mit rufbereitem medizinischen Notfalldienst und einer vor Regen schützenden Abdeckplane noch „Busch“ nennen kann). Das Sarah-Dingens-Niveau vom Vorjahr konnte die neue Staffel zwar nicht halten, aber auch diesmal fand man wieder genug sonderbare Protagonisten, die das In-der-Scheiße-Baden und Geschlechtsteileverzehren amüsant anzusehen machten. Entwürdigung live und zur besten Sendezeit – und das nicht als das letzte Assi-Fernsehen, sondern hochwertig produziert und clever geschrieben. Muss man auch erst mal schaffen. Nur nicht Tom Hanks zeigen. Wem schon «Wetten, dass..?» zu viel ist, hält das sicher nicht aus.

Und wenn wir schon von Entwürdigungen in der Prime-Time sprechen: Dem RTL-Casting-Sumpf konnte ProSiebenSat.1 zu Beginn des Jahres gleich zwei Formate entgegen setzen. Zum Einen war die Fernsehwelt zum Jahreswechsel immer noch stark von der hervorragenden ersten Staffel von «The Voice of Germany» geprägt – und im selben Monat legte ProSieben mit «Unser Star für Baku» nach und zeigte, wie man in Casting-Shows wirkliche Talente finden kann. Nämlich ganz einfach dadurch, dass man sich ansieht, wie Dieter Bohlen es macht. Und genau das Gegenteil davon tut.

Und dann war da noch der Beginn der wohl größten Medienlachnummer des Jahres: Am 23. Januar ging «Gottschalk live» auf Sendung – mit ständigen Werbeblöcken, „Bohemian Like You“ und einem Gottschalk, der nicht so recht wusste, was er da eigentlich sollte. Viel verändert hat sich bis zur Absetzung im Sommer daran nicht. Viermal in der Woche völlig konzeptloses Senden am Vorabend der ARD. Und dafür hatte man sich zweistellige Marktanteile erhofft. Die Enttäuschung kam bereits am zweiten Sendetag, als der Marktanteil um fast die Hälfte einbrach – und damit der zweitbeste aller Ausgaben bleiben sollte.

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Februar
Im Februar endete bei RTL das letzte Dschungelcamp mit Dirk Bach. Die Siegerin hieß Brigitte Nielsen, die sich im Finale gegen Micaela Schäfer, Rocco Stark und dessen Neufreundin und Ex-«DSDS»-Kandidatin Kim Gloss durchsetzen konnte. Eigentlich keine allzu große Überraschung für halbwegs erfahrene Dschungelcamp-Zuschauer. Immerhin passt Nielsen perfekt in das Schema der potentiellen «Ich bin ein Star, holt mich hier raus!»-Sieger. Zudem setzte sich die ebenso charismatische wie toughe Dänin schon im italienischen Pendant gegen ihre Mitkandidaten durch. Jedoch: Ein dauerhaftes Abo auf die Präsenz in der Regenbogenpresse sollte der Gewinnerin nach ihrer Teilnahme nicht vergönnt sein. So war Brigitte Nielsen nach der Ausstrahlung noch des Öfteren in seichten Unterhaltungsformaten zu Gast, machte jedoch ab Mitte des Jahres fast ausschließlich Schlagzeilen aufgrund ihrer wiederkehrenden (und öffentlichen) Alkoholexzesse. Da ging es beim Vize-Dschungel-Königspaar doch wesentlich romantischer zu. Auch wenn viele noch an einen PR-Gag dachten und wohl kaum einer an eine dauerhafte Beziehung zwischen Kim und Rocco geglaubt hätte, so erwarten die beiden Anfang 2013 ihr erstes gemeinsames Kind.

Während man im australischen Regenwald die Dschungelkrone verlieh, wurde in Los Angeles mit ganz anderen Auszeichnungen um sich geworfen. Am 26. Februar fand im ehemaligen Kodak Theatre die 84. Verleihung der Academy Awards statt. Zu den großen Gewinnern zählte in diesem Jahr der von Michel Hazanavicius inszenierte Stummfilm «The Artist», welcher bei insgesamt zehn Nominierungen fünf Preise, unter anderem als „Bester Film“ abräumte. Ebenso erfolgreich schlug sich Martin Scorseses 3D-Wunderwerk «Hugo Cabret». Von 11 Nominierungen konnte das starbesetzte Märchen (in Haupt- und Nebenrollen sind u.a. Ben Kingsley, Sir Christopher Lee und Sasha Baran Cohen zu sehen) ebenfalls fünf Oscars für sich verbuchen. Großem Blockbuster-Kino blieb eine Auszeichnung in diesem Jahr verwehrt. «Transformers 3» sowie «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, Teil 2» gingen in jeweils drei (technischen) Kategorien an den Start, mussten sich jedoch immer von «Hugo Cabret» geschlagen geben. Als beste Hauptdarstellerin wurde Meryl Streep für ihre Rolle der Margeret Thatcher in «Die eiserne Lady» geehrt, die goldene Trophäe als bester Hauptdarsteller erhielt Jean Dujardin, Protagonist in «The Artist». Für eine Überraschung sorgte die Auszeichnung von Kirk Baxter und Angus Wall, die in der Kategorie «Bester Schnitt» für ihre Arbeit an David Finchers US-Adaption des Schweden-Thrillers «Verblendung» ausgezeichnet wurden und ihren Preis sichtlich überrascht entgegen nahmen.

Während Martin Scorsese in LA Triumphe mit «Hugo» feierte, musste sich Kollege J.J. Abrams hierzulande mit seiner Serie «Alcatraz» etablieren. Was das miteinander zu tun hat? Ganz einfach: Die beiden Sender RTL Nitro und glitz* gaben – ebenfalls im Februar – ihre Programmausrichtung bekannt. Während der eher männlich ausgerichtete Kanal RTL Nitro mit Serienklassikern wie «Knight Rider», «Simon & Simon» und später auch neuen Formaten wie eben «Alcatraz» punktete, richtete sich glitz* eher an ein feminines Publikum und kann damit momentan noch nicht an die Erfolge des sich ähnlich orientierenden Senders sixx anknüpfen. Das Aus-dem-Boden-Stampfen neuer Sender schien 2012 zu einem neuen Trend zu werden. Neben RTLs Nitro und glitz* kündigte auch die ProSiebenSat1-Gruppe für 2013 zwei Spartenkanäle an: Sat1 Gold und ProSieben Maxx.

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März
Im März hat man auch bei der ARD erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. «Gottschalk live» sollte „ein neues Konzept“ bekommen. Oder wie man damals gewitzelt hat, überhaupt ein Konzept. Eine Woche lang wurde umgebaut, das liebevoll im Yuppiestil eingerichtete Zimmer zerlegt, dafür das «Markus Lanz»-Einheitsset aufgebaut und die Fenster im Humboldt Carré vernagelt. Natürlich hat das von Anfang an keinen Sinn gemacht, aus einer so exklusiven Location zu senden, wenn man genauso gut in irgendeinem Bunker in Köln-Ossendorf produzieren könnte. Und so war es auch keine sonderliche Überraschung, dass der Umbau weder eine Quoten- noch eine inhaltliche Besserung mit sich brachte. Ein Konzept hatte man nämlich immer noch nicht; von einem möglichen Alleinstellungsmerkmal einmal ganz zu schweigen.

Und während «Gottschalk live» schon zwei Monate nach Sendestart in den letzten Zügen lag und man auch trotz des Sendungstitels den Live-Betrieb einstellte, machte Sat.1 mit seinem Aushängeschild Harald Schmidt Nägel mit Köpfen und stellte das Format ein, nachdem der damalige Sat.1-Geschäftsführer Joachim Kosack im Januar noch verkündet hatte, bei der Sendung nicht auf die Quote zu schauen. Die große Rückkehr zum eigentlichen Heimatsender musste damit als gescheitert abgeschrieben werden. Obwohl die Absetzung die besten Ausgaben dieser Inkarnation der «Harald Schmidt Show» einleiten sollte.

Beim ZDF konnte man sich dagegen langsam wieder aus dem Sauerstoffzelt heraustrauen: Markus Lanz hat sich erbarmt, «Wetten, dass..?» weiterzuführen und dort weiterzumachen, wo Gottschalk als sympathischer Entertainer in einem sinn- und würdevollen Format aufgehört hat – seitdem hat man ihn in einer Sendung, die diese Kriterien erfüllt, allenfalls als Gast gesehen.

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April
Der April zeigte sich dieses Jahr Show-freudig. Während Linda de Mol in Sat.1 ihr langerwartetes Comeback feierte und als Gastgeberin durch die groß angekündigte Talent-Gameshow «The Winner is» führte, lud der ehemalige «Schlag den Raab»-Moderator Matthias Obdenhövel zu seinem eigenen «Countdown». Aus Quotensicht lief es jedoch verbesserungswürdig. Vor allem beim Publikum von Sat.1 schien die interessante Mischung aus Spiel- und Castingshow nicht anzukommen. Zwar konnte sich die Show nach einem durchwachsenen Start vor einem gut eineinhalb Millionen starken Publikum auf immerhin 1,7 Millionen Zuschauer steigern, bei einer durchschnittlichen Anzahl von 1,66 Millionen und einem Marktanteil von round about zehn Prozent pro Sendung, bewegte sich die Show jedoch lediglich auf dem Senderschnitt. Eine zweite Staffel ist fraglich, qualitativ jedoch wusste diese doch andersartige Show zu überzeugen. Ähnlich erging es «Opdenhövels Countdown». Vielleicht sollte es ein zweites «Schlag den Raab» werden. Da Matthias Opdenhövel in opulenten Action- und Gameshows leichtes Spiel hat, schien Das Erste es der privaten Konkurrenz und Opdis ehemaligem Arbeitgeber gleichtun zu wollen und stampfte eine Family-Gameshow aus dem Boden. Vor gut drei Millionen Interessierten gestartet, musste bereits die zweite Ausgabe ordentlich einstecken und verlor fast eine Million Zuschauer. So hatte sich die ARD dieses Experiment – von unserem Kritiker damals liebevoll als „Action-Dalli-Dalli“ bezeichnet – wohl nicht vorgestellt.

Doch so befand sich wenigstens Thomas Gottschalk in guter Gesellschaft. Der ehemalige (und mittlerweile wieder) Samstagabend-Entertainer musste Ende April mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, dass sich kaum noch jemand für sein allabendliches Potpourrie in der ARD-Todeszone interessierte. So zogen die Köpfe hinter der Sendung die Konsequenzen und Gottschalk alsbald den Stecker. Aus der Traum von der eigenen Personality-Show, doch immerhin sollte er noch bis zum Sommer Zeit haben, sich auf seinen Ruhestand – pardon – seine RTL-«Supertalent»-Karriere vorzubereiten.
25.12.2012 10:00 Uhr  •  Antje Wessels und Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/61102