Die Kritiker: «SOKO Leipzig: Das Monster»

Die neuste Folge der beliebten ZDF-Krimireihe «SOKO Leipzig» bietet weit mehr als dröge Standard-Krimikost und wagt sich an ein ebenso hitziges wie kontroverses Thema: den Umgang mit verurteilten Sexualstraftätern.

Inhalt
Hajo Trautzschke ist zutiefst beunruhigt: Noch zu DDR-Zeiten hatte er in seinem ersten spektakulären Fall den Sexualstraftäter Peter Jaspersen überführt, einen siebenjährigen Jungen missbraucht und getötet zu haben. Den Eltern hatte Hajo am Grab des Jungen versprochen, dass Jaspersen nie wieder freikommen wird.

Doch durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, die nachträglich angeordnete Sicherungsverwahrung aufzuheben, kommt Jaspersen nun doch wieder auf freien Fuß. Hajo weiß, dass Jaspersen eine tickende Zeitbombe ist. Deshalb schließt er sich den Beamten um Dagmar Schnee von der Leipziger Sitte an, die den Entlassenen rund um die Uhr bewachen. Trotzdem gelingt es Jaspersen, seine Bewacher abzuschütteln. Als am helllichten Tag ein maskierter Mann versucht, einen Jungen zu entführen, und bald darauf tatsächlich eine Kinderleiche gefunden wird, steht für alle fest, dass Jaspersen wieder zugeschlagen hat. Während für Jaspersen ein Spießroutenlauf beginnt, ist es ausgerechnet Hajo, dem Zweifel an der neuerlichen Schuld von Jaspersen kommen.

Darsteller
Andreas Schmidt-Schaller («Der Clown») ist Hajo Trautzschke
Marco Girnth («Die Strandclique») ist Jan Maybach
Melanie Marschke («Kein Sex ist auch keine Lösung») ist Ina Zimmermann
Steffen Schroeder («Der Alte») ist Tom Kowalski
Petra Kleinert («Mord mit Aussicht», «Doppelter Einsatz») ist Dagmar Schnee
Torsten Ranft («Polizeiruf 110») ist Peter Jaspersen
Günter Junghans («Die Anstalt – Zurück ins Leben») ist Michael Vostell
Karin Düwel («Unser Charly» ist Maria Vostell
Kai Malina («Das weiße Band») ist Manuel Vostell

Kritik
Mit dem Thema „Umgang mit Sexualstraftätern“ greift die neuste Folge der Krimi-Reihe «SOKO Leipzig» ein ebenso hitziges wie schwieriges Thema auf. Die Art, wie Regisseur Patrick Winczewski das Drehbuch von Jeanet Pfitzer, Frank Koopmann und Roland Heep inszenierte, macht aus „Das Monster“ eine schwer verdauliche Story, die in ihrem Schwermut fast zu ertrinken droht. Eine andere Art der Aufmachung hätte diesem Thema allerdings nicht gut getan, jedoch bekommt das Publikum eine Folge vorgesetzt, die für einen ZDF-Krimi einen überaus pessimistischen Tonfall besitzt. An dieser Ausrichtung gibt es nichts zu bemängeln, wie das ungeahnte Publikum darauf reagiert, bleibt jedoch abzuwarten.

Zu weiten Teilen erzählten die Macher die Geschichte aus der Perspektive des Täters. Somit ist schnell für eine unangenehme Intensität gesorgt, die an Filme wie das deutsche Drama «Das letzte Schweigen» mit Wotan Wilke Möhring erinnert. Überhaupt gibt es einige Parallelen zu bereits gesendeten Formaten. So werden vom Aufbau der Story schnell Erinnerungen an eine ähnlich ausgerichtete Folge der Serie «Danni Lowinski» wach, die in der zweiten Staffel mit dem gleichen Thema um die Ecke kam. Die – skurrilerweise fast identisch klingende – Folge „Monster“ erzählt ebenfalls von einem aus der Haft entlassenen Sexualstraftäter, der von seiner Umwelt bedroht wird und sich wenig später mit einer seine Handschrift tragenden Straftat auseinandersetzen muss. Ob sich die Verantwortlichen beider Formate hier gegenseitig ein wenig unter die Arme griffen, ist natürlich reine Spekulation. Teilweise sind sich die Abläufe beider Folgen jedoch extrem ähnlich.

Insgesamt ist das Leipziger „Monster“ jedoch wesentlich intensiver, wozu unter anderem auch die immer bedrückender werdende Stimmung beiträgt, die sich über die knappen eineinhalb Stunden bis ins Unerträgliche steigert. Spaß macht das Anschauen nicht, diesen Anspruch hatten die Macher an das krimiaffine Publikum wohl auch kaum. Vielmehr griffen sie ein Reizthema der Gesellschaft auf, welches, eingebettet in die persönliche Story eines üblicherweise als Antagonisten ausgerichteten Charakters, zum Nachdenken anregt. Mit dieser Vorgehensweise riskieren Autoren und Regie jedoch zwangsläufig negative Publikumsreaktionen. Baut man eine in der Gesellschaft gehasste Figur zu einer auf, die innerhalb der Geschichte immer mehr zu einem bemitleidenswerten Charakter wird, könnte diese Idee schnell als Verharmlosung aufgefasst werden. Zu weiten Teilen gelang es den Machern jedoch, die Möglichkeit einer derartigen Auslegung zu vermeiden. Die anspruchsvolle Folge verleitet stattdessen mehr dazu, über sich selbst und seine Denkweisen nachzudenken und eventuelle Geschehnisse im realen Leben genauer zu hinterfragen.

Ein wenig mehr Realismus hätte „Das Monster“ stellenweise wahrlich gut getan. Man ist um Bodenhaftung bemüht, baut jedoch vor allem in der zweiten Hälfte arg viele Wendungen ein. Dies führt dazu, dass man als Zuschauer schnell dazu verleitet ist, genervt an die Decke zu schauen, weil nach und nach jede noch so kleine Nebenfigur in den Fokus der Ermittlungen rückt. Dramatische Ereignisse wie ein halbherzig bemühter Amoklauf, der in seiner Einarbeitung in die Story vollkommen fehl am Platz wirkt und ein angedeuteter Bezug auf die rechte Szene sind für ein insgesamt extrem ernst aufgezogenes Thema einfach over the top. Manchmal ist weniger mehr. Die Kurve kriegt die zweite Hälfte jedoch vor allem durch eine realistische Auflösung, sowie ein sehr deprimierendes Ende, das nicht jedem gefallen wird, in seiner Konsequenz jedoch vortrefflich gewählt ist. Dies gilt auch für die Darsteller. Der Stammcast gibt sich gewohnt souverän, hat aufgrund der Dialoglastigkeit und des pessimistischen Tonfalls der Folge jedoch relativ wenig Möglichkeiten, aus sich herauszukommen. Vor allem Torsten Ranft als Ex-Straftäter Jaspersen verleiht seiner Rolle eine eindrucksvolle Intensität und wandelt stets knapp daran vorbei, seiner Rolle eine bemitleidenswerte Melancholie zu verleihen. In den eineinhalb Stunden ist er das Monster, das zu jedem Zeitpunkt explodieren könnte.

Hervorzuheben ist außerdem ein, hauptsächlich aus Piano-Klängen bestehender Score von Arnold Fritzsch. Die Melodien sind eingängig und klingen gleichsam Hoffnung versprechend wie verzweifelt. Ab und an hat man das Gefühl, dass sie sich, vor allem in den Dialogpassagen, ein wenig in den Vordergrund drängen, dies stört jedoch nicht so extrem, dass es die Gesamtwertung schmälern würde.

Fazit: Die Folge „Das Monster“ der «SOKO Leipzig»-Reihe ist vom Anspruch und der Message her kein Film für schwache Nerven. Für einen netten Krimi-Abend ist das Thema der Episode zu mitfühlend inszeniert und zu anspruchsvoll, um sie nebenher laufen zu lassen. Sie geht an die Nieren, was vor allem an der Glanzdarstellung von Torsten Ranft und dem für zartbesaitete Zuschauer vielleicht unbefriedigenden Ende liegt. Den positiven Eindruck schmälert das Gefühl, die Macher hätten schlussendlich doch ein wenig zu viel gewollt. Zudem bleibt eine lückenlose Aufklärung des eigentlichen Falles – trotz obligatorischer Festnahme des Täters – aus. Alles in allem ist „Das Monster“ jedoch eine Serienfolge, die sich weit über dem Durchschnitt herkömmlicher Krimikost befindet.

Das ZDF zeigt die neuste Folge von «SOKO Leipzig» am Freitag, den 04. Januar 2013 um 21:15 Uhr.
03.01.2013 00:00 Uhr  •  Antje Wessels  •  Quelle: Inhalt ZDF Kurz-URL: qmde.de/61240