Die Kritiker: «Tatort: Machtlos»

Im neuen «Tatort» aus Berlin bekommen es die Ermittler Dominic Raacke und Boris Aljincovic mit einem Entführer zu tun, der Lösegeld verschenkt.

Inhalt
Benjamin Steiner, der Sohn wohlhabender Eltern, wird nach seinem Musikunterricht entführt. Sofort schaltet die verängstigte Mutter Linda die Polizei ein. Die Kommissare Ritter und Stark stehen ihr und ihrem Mann Herrmann bei. Doch zunächst gehen keine Lösegeldforderungen ein. Dann endlich meldet sich der Entführer: 500.000 Euro sollen ihm zunächst am Alexanderplatz ausgehändigt werden. Doch bei der Übergabe geschieht etwas Ungewöhnliches, denn der Entführer verschenkt das Geld überraschend an umstehende Passanten und lässt sich anschließend bereitwillig festnehmen. Im Polizeipräsidium stellt sich der Mann stur, will seine weiteren Forderungen nur den Eltern persönlich mitteilen. Und diese Forderungen haben es in sich, denn der Mann will zehn Millionen Euro! Irgend woher kennt Vater Steiner den Mann. Wann sind sich der Entführer und der Bankchef schon mal begegnet?

Die Zeit rennt den Ermittlern davon, denn der neunjährige Benjamin hat nur noch Wasser für wenige Stunden. Die Kommissare Ritter und Stark versuchen, die Identität des Entführers zu lüften.

Besetzung
Dominic Raacke («Offroad», «Staudamm») als Till Ritter
Boris Aljinovic («Rillenfieber», «Acht auf einen Streich») als Felix Stark
Ernst-Georg Schwill («Türkentaube», «Der Turm») als Lutz Weber
Edgar Selge («Poll», «Feuchtgebiete») als Uwe Braun
Lena Stolze («Northern Star», «Tage die bleiben») als Linda Steiner
Horst Günter Marx («Deckname Luna») als Hermann Steiner
Jakob Walser als Michael Braun
Rainer Sellien («Drei», «Bermuda Dreieck Nordsee») als Einsatzleiter Baumann
Mika Seidel («Halt auf freier Strecke», «Lore») als Benjamin
Antje Widdra («Großstadtrevier», «Kopfüber») als Polizistin

Kritik
Gerade als Gelegenheitsgucker macht es einem der neue Tatort nicht leicht. Das Tempo ist sehr langsam, im Vergleich zu anderen Filmen der Reihe nahezu entschleunigt. Man hat so ein bisschen den Eindruck, David Finchers «Zodiac» zu sehen. Hier wie dort wird eigentlich nur geredet und werden tiefe Blicke ausgetauscht. Mal sehen, wer zuerst wegschaut. Verhöre – und gefühlte 90 Prozent des Films spielen sich im Verhörzimmer ab – sind in der Realität Kräftemessen und sicher Nervenkrieg pur. Die Ermittler stellen die immer gleichen Fragen und Forderungen und der Entführer wiederholt immerzu, dass er nichts sagen werde und dass er nun müde sei. Oder Hunger habe. Authentizität auf Teufel komm raus.

So eine Herangehensweise muss nicht negativ sein, schließlich gibt es genug Hauruck und Krachbumm im Fernsehen. Da tut es ganz gut, wenn mal nicht ständig was explodiert und eine halsbrecherische Verfolgungsjagd auf das nächste Brutaloverhör folgt. Das mag auch alles authentisch und belegt sein (wie das Presseheft nicht müde wird zu betonen, schließlich habe man besonders eng mit der Berliner Polizei zusammengearbeitet), doch dreht die Spannungsschraube irgendwann hohl.

Ein Pluspunkt in «Tatort: Machtlos» sind die authentischen Charaktere. Raacke und Aljinovic agieren zwar stoisch und irgendwie auf Autopilot, doch lassen sie den Zuschauer auch am Gefühlsdilemma ihrer Figuren teilhaben. Persönliches Betroffensein darf nicht die Sichtweise der Arbeit beeinflussen. Auch die Eltern des entführten Benjamin wirken echt: Lena Stolze als Mutter Linda ist krampfhaft gefasst und authentisch, Horst Günter Marx als ihr Mann Herrmann hat zwar nur wenige Auftritte, die absolviert er aber souverän. Dafür ist die Kommandozentrale der Sonderkommission ein Ärgernis. Da wo alle Fäden zusammenlaufen, da wo die Entscheidungen getroffen werden, sitzen gefühltermaßen nur Stichwortgeber, die geschäftig tun und einsilbig murmeln. Die Kommandozentrale aus den Jason-Bourne-Filmen im Westentaschenformat möchte man meinen.

Wenn dann mal was passiert, zum Beispiel, als die vermeintliche Wohnung des Entführers gestürmt wird, ist das zwar dynamisch erzählt, jedoch wird die Verdächtige vor Ort nur angebrüllt und als Zuschauer denkt man, was soll das denn jetzt? Wie gesagt, ist das bestimmt authentisch ob des Adrenalins in der Luft und der Dringlichkeit der Situation, aber ein Sehvergnügen (und darum geht es schließlich auch irgendwie) will sich nicht einstellen.

Dass Regisseur (und Drehbuchautor) Klaus Krämer («Drei Chinesen mit dem Kontrabass») sein erfahrenes Ensemble sicher durch diesen betont ruhigen und bedächtig erzählten «Tatort» lenkt, ist offensichtlich. Auch können die schön geleuchteten Bilder von Kameramann Ralph Netzer (Licht: Thomas Krückl) überzeugen. Doch leider wirkt dieser ambitionierte «Tatort» wie schaumgebremst und nicht vorankommend. Was schade ist. Ein strafferes Drehbuch und mehr Tempo hätten hier sehr gut getan. Wie seinerzeit auch «Zodiac».

Das Erste zeigt «Tatort: Machtlos» am 6.1.2013 um 20:15
05.01.2013 10:00 Uhr  •  Renatus Töpke Kurz-URL: qmde.de/61303