Fernsehen muss man lieben. Man muss damit aufgewachsen sein und die Klassiker im Nachtprogramm der ARD schon etliche Male gesehen haben. Nur was ist mit dem Rest?
Mein Bruder war vor einiger Zeit mit meiner Nichte im Museum. Die Kleine ist nicht einmal fünf Jahre alt und sorgte in dieser Kultureinrichtung schon für einen Zwischenfall der Fernsehgeschichte. In einem Museum werden heute gern die Informationen auf Infoscreens präsentiert. Oftmals sind es einfach klassische Fernseher, welche mit einer Grafik bespielt werden. Meine Nichte ist allerdings mehr gewohnt. Schnell versuchte sie mit ihren Händen neue Informationen auf den Schirm vor ihr zu wischen. Nichts passierte und so lautete ihr Fazit bei jedem Fernseher im Museum: „Papa! Der ist auch kaputt!“.
Selbst bei ihrem Onkel daheim versucht Lisa die Charaktere bei einem Nintendo-Spiel auf meinem 50 Zoll Fernseher mit dem Finger anzutippen. Lisa kennt keine Bildschirme mehr ohne Touch-Funktion. Sie wächst damit auf und zeigt mir ganz selbstverständlich Clips auf YouTube von der Sesamstraße. Die «Sesamstraße» hat für Lisa keine Uhrzeit mehr. Wo der Inhalt abgerufen wird? Ist das eine Datei aus dem Internet als Videostream? Ist das klassisches Fernsehen nach Programm? Lisa kennt diesen Unterschied nicht mehr. Für sie zählt wirklich nur der Inhalt. Dieses Beispiel mag vielleicht klein und humorig wirken, doch beschreibt es schon jetzt eine nahe Zukunft für uns alle.
Ich persönlich liebe das Fernsehen. Ich bin damit aufgewachsen und würde bei «Die glorreichen Sieben» in der «ARD» um Mitternacht niemals abschalten. In meinen kühnsten Träumen wünsche ich mir gar wieder nette Programmansagerinnen zurück. Würde Dagmar Berghoff im Supermarkt an der Kasse immer den vollen Respekt einer Mrs. Tagesschau zollen und vor Ehrfurcht glatt in den Tragetaschen versinken. Nur ist man damit heute schon ein kleiner Spießer. Schon für meine Generation und die Jugend danach zählen nur noch Serien aus Amerika. Wir trauern keiner Showgröße aus Deutschland hinterher, sondern teilen Clips von Jon Stewart und Jimmy Kimmel auf Facebook. Ich frage mich manchmal wie meine Nichte bald zum Fernseher Haltung beziehen wird? Werden sie überhaupt noch Sender und Programmchefs interessieren? Wird sie diesen Bildschirm gar nicht mehr als Fernseher erachten, sondern nur noch als bespielbare Fläche im Wohnzimmer? Ganz ehrlich? Ich hoffe es nicht. Bei aller Liebe zum Web und meinen eigenen Aktivitäten im Netz wünsche ich mir doch irgendwann eine Zukunft für sie mit den glorreichen Sieben im Nachtprogramm der «ARD».
Wahrscheinlich wird sie mich aber einfach für einen alten Spießer halten. Kaputt halt.
Ihr
Rob Vegas
13.01.2013 11:12 Uhr
• Rob Vegas
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