Popcorn und Rollenwechsel: Warners neue Trickfamilie
Warner Bros. verlässt sich auf ein neues Regie- und Autorenteam, um im Tricksegment durchzustarten.
Einst waren die Warner Bros. Studios der ärgste Trickfilmkonkurrent Disneys. Dies galt jedoch noch zu einer Zeit, zu der Kurzfilme die im Kino vorherrschende Form der Animationskunst darstellten. Nachdem Disney in den 80ern vor allem Konkurrenz von den Don Bluth Studios erhielt, starteten im Fahrwasser des immensen Erfolgs von Disneys «Aladdin» und «Der König der Löwen» zahlreiche Trickstudios mit ihren Langfilmen durch. Während DreamWorks Animation nach gezeichneten Erfolgen auch in der Computeranimation Fuß fasste, den Zeichentrick aufgab und dann zu einem der Platzhirsche im Animationsbereich wurde, verloren andere der Durchstarter rasch an Zugkraft. Darunter auch Warners Tricksparte, die kurz vor ihrem Ende immerhin noch das Kleinod «Der Gigant aus dem All» schuf.
Der Zeichentrick-Boom der 90er war bekanntlich von kurzer Dauer, aber das moderne Hoch des Animationsfilms ist, wie man seit Jahren im Kino miterleben kann, sehr ausdauernd. Neben Disney/Pixar und DreamWorks Animation haben sich dank «Ice Age» und «Rio» auch die den 20th Century Fox angehörigen Blue Sky Studios zu einem kommerziellen Trickgiganten emporgeschwungen. Mit Sony Pictures Animation ist ein weiterer Hollywood-Riese im Trickgeschäft, Universal hat eine Partnerschaft mit dem «Ich – Einfach unverbesserlich»-Studio Illumination Entertainment und seit «Rango» bei den Kritikern abräumte, bereitet sich auch Paramount Pictures darauf vor, den Trickmarkt zu erobern. Los geht es für das letztgenannte Studio aber erst 2014, und zwar mit einem neuen SpongeBob-Film. Und Warner?
Warner veröffentlichte zuletzt zwar vereinzelte Animationsfilme, aber bislang blieb die Konstanz aus. Bislang. Denn wie das Studio in einer überraschenden Ankündigung bekannt gab, gewann es eine Gruppe an Animationskünstlern und Comedy-Machern für sich. Sie bilden gemeinsam einen „Think Tank“, eine kooperative Gruppe, die einander hilft, die eigenen Trickfilmideen ihrer Mitglieder zu perfektionieren. Vorbild dieser Idee ist Pixars „Brain Trust“ rund um die alteingesessenen Regisseure des Trickstudios. Das Warner-Kollektiv begründet kein festes Trickstudio, an das es exklusiv gebunden ist – die Mitglieder dürfen auch weiter Filme für andere Studios machen, die Animation wird von einem etablierten, kleinen Trickstudio abgewickelt. Alles in allem soll dieser „Think Tank“ Warner zu einem neuen Trickgiganten aufbauen – und zwar mit mindestens einem Animationsfilm pro Jahr.
Den Anfang machen zwei Trickveteranen, nämlich die Regisseure des Überraschungserfolgs «Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen». Phil Lord und Chris Miller widmen sich nach ihrem Seitensprung ins Realfilmfach («21 Jum Street») der schwierigen Aufgabe, einen Lego-Film zu verwirklichen. «Lego: Piece of Resistance» startet im Februar 2014 und wird eine Originalstory erzählen, aber auch Legos blockartigen Umsetzungen von Filmlizenzen berücksichtigen – wie auch immer das in Praxis aussehen mag. 2015 folgt ein weiteres Mitglied des neuen „Think Tanks“, nämlich «Die Muppets»- und «Nie wieder Sex mit der Ex»-Co-Autor Nicholas Stoller, der einen Trickfilm über Störche entwickelte. Als Regisseur wurde Doug Sweetland gewonnen, ein früherer Pixar-Regisseur, der unter anderem den Kurzfilm «Presto» gestaltete.
Weitere „Think Tank“-Mitglieder sind das Regie-Duo John Requa & Glenn Ficarra sowie Jared Stern. Während der «Mr. Poppers Pinguine»-Macher bislang kein Projekt vor sich hat, schreiben Requa und Ficarra einen Film namens «Smallfoot». Bislang ist darüber nur bekannt, dass es Warners Trickfilm des Jahres 2016 wird und die Idee zum Projekt von Sergio Pablos stammt, der auch das Ursprungskonzept von «Ich – Einfach unverbesserlich» entwickelte. Pablos wird zudem die Regie bei «Smallfoot» führen.
So erfreulich es für jeden Animationsfilm sein mag, dass sich ein weiteres Studio ins Geschäft wagt und so womöglich das eine oder andere Trickjuwel erschafft, kommt diese „Think Tank“-Schöpfung arg plötzlich. Der Pixar-„Brain Trust“ wuchs über viele Jahre zusammen, entstand völlig natürlich. Das Warner-Kollektiv wirkt sehr zusammengecastet – was nicht heißen muss, dass die Talente nicht miteinander harmonieren können. Es gilt also wieder einmal: Abwarten und Tee trinken.