Am Montag startet Sat.1 seine neue Vorabendsoap um zwei Berliner Großfamilien, die in ein gemeinsames Haus ziehen. Das Format kommt von den Machern von «Berlin - Tag & Nacht»: Wie viel Krawall die Zuschauer erwartet und wie die ersten Geschichten ausfallen...
Grundstory:
Großstadtdschungel meets Wahlverwandtschaftswirrwarr: Wenn zwei Großfamilien in Berlin zusammenziehen, wird’s mal kuschelig, mal chaotisch – aber immer aufregend. Die neue Sat.1-Soap «Patchwork Family» begleitet zwei Berliner Familien unter einem Dach durch ihren turbulenten Alltag. Im Mittelpunkt des Familienclans stehen Polizistin Christina (37) und Fahrlehrer Michael (41). Beide sind seit anderthalb Jahren ein Paar und leben seit zwei Wochen unter einem Dach. Doch aus dem Liebesnest wird ein bunt zusammen gewürfeltes Auffangbecken, denn beide bringen jeweils vier Kinder in die Ehe. Das ist längst nicht genug an Verwandtschaft: Christinas Eltern Kurt (68) und Marlies (65) sind nicht die einzigen, die den Familienfrieden gefährden. Auch Michaels Eltern Toni (71) und Sissi (68), Bruder Olaf (43) oder Christinas Schwester Niki (30) sorgen – gerne auch unfreiwillig – für den alltäglichen Wahnsinn.
Kritik:
Wer damit rechnet, dass Sat.1 mit seinem neuen «Patchwork Family» einen nahezu 1:1-Abklatsch von «Berlin – Tag & Nacht» auf die Schirme bringt, der täuscht sich. Vielmehr erinnert die neue Vorabendsoap von der Optik her an eine Mockumentary – allen voran an die in Amerika beim jungen Publikum sehr erfolgreiche Sitcom «Modern Family». Dass beim Zuschauern Ähnlichkeiten auffallen, darf durchaus als Lob für die Produktionsfirma filmpool gewertet werden. Unterschiede gibt es natürlich dennoch: Das Autoren-Team muss bei den Storys selbstverständlich andere Wege gehen, um den Zuschauer möglichst jeden Abend vor dem Fernseher zu fesseln.
Als ein Erfolgsrezept von «Berlin – Tag & Nacht» gilt, dass das Tempo der Geschichten massiv höher ist als bei gewöhnlichen Soaps. Wer nun «Patchwork Family» schaut, der kann bei der Betrachtung der ersten Ausgaben zur Vermutung kommen, dass filmpool noch einmal eine Schippe draufgelegt hat. Krass ist das besonders beim Piloten, in dem zwölf, dreizehn Figuren binnen der ersten Minuten vorgestellt werden. Das ist zwar nicht überfordernd, weil die Verbindungen durch das Familien-Konstrukt allesamt recht simpel gestrickt sind, allerdings fällt es deshalb schwer, direkt von Beginn an eine Verbindung zu den Charakteren aufzubauen.
Das gelingt im Grunde genommen zunächst bei nur zwei Figuren: Dem Fahrlehrer Michi, der zugleich auch männliches Oberhaupt der «Patchwork Family» ist und mit die stärkste schauspielerische Leistung im Ensemble abliefert. Und dann wäre da noch Töchterchen Käthe, in der Serie süße 15, die recht viel Screentime bekommt. Nein, die Darstellerin ist nicht tattoowiert, hat keine rot-grün-blauen Haare, sondern sieht endlich mal wieder normal – man könnte auch sagen – sehr hübsch aus. Dass die Story rund um die Teenagerin nicht neu ist (durchzechte Partynacht, Schule schwänzen, abends heimlich ausbüchsen) fällt zunächst einmal weniger ins Gewicht. Im Laufe der Woche wird Käthes Geschichte noch um das Thema „Erster Sex“ erweitert, weil sich herausstellt, dass ihr neuer Freund eine Art „Jungfrauen-Knacker“ ist. Für das junge Publikum ist in der Sat.1-Serie also genug getan.
Neben Michael und dem allgemeinen Chaos nehmen zu Beginn noch Michaels Bruder Olaf und dessen Lebensgefährte Henning eine größere Rolle ein: Die beiden Homosexuellen sind wahre Paradiesvögel – und offenbar ein bisschen aus dem amerikanischen «Modern Family» abgeschaut: Sei’s drum – sie lockern die Sat.1-Serie auf angenehme Art und Weise auf. Und dann wären da noch Holger und Peggy, die wegen eines Schadens in ihrer Wohnung samt Wohnwagen im Vorgarten der «Patchwork Family» parken – und wohl eine ganze Weile dort bleiben werden.
Die Sat.1-Soap konzentriert sich also auf die komplette Bandbreite der Familienzwistigkeiten – präsentiert diese aber nicht im Doku-Stil wie bei den RTL II-Soaps, sondern deutlich fiktionaler angelegt. Werden «Köln 50667» und «BTN» wirklich nur mit einer Kamera gedreht, um den Eindruck der Dokumentation zu verstärken, arbeitet man bei «Patchwork Family» mit zwei Kameras – in den Fahrschulautos zum Beispiel auch mit fest-installierten. Die Schnitte sind schnell und zackig, die Bilder immer ein bisschen verwackelt, was der Ästehtik eine sehr moderne Anmutung gibt. Auf Voice-Overs wird meist verzichtet, stattdessen gibt es immer wieder kurze Interview-Passagen mit einem, zwei oder mehreren Familienmitgliedern, die allesamt brav in die Kamera guckend auf ihren Sofas sitzen.
Angenehm ist zudem, dass bei «Patchwork Family» die aggressive Grundstimmung, die viele Szenen der RTL II-Soaps beherrscht, komplett außen vor ist. Natürlich: In der Großfamilie gibt es auch Zwistigkeiten, die allerdings auf anderer Ebene (auch mal laut) ausgetragen werden. Trotzdem ist das Niveau der Serie ein ganz anderes. Das mag auch daran liegen, dass die Darsteller in den überwiegenden Fällen in Folge eins schon eine erstaunliche Leistung abrufen und man das Wort „Laie“ irgendwie gar nicht gebrauchen möchte. Mutig ist, jede Folge mit einem Resümee zu beenden, das die wichtigsten Protagonisten der Folge noch einmal in ihren aktuellen Situationen zeigt – das sind dann meist die doch sehr leisen Momente von «Patchwork Family». Ob sich ein solcher Schluss als cleverer als ein klassischer Cliffhanger erweist, wird sich noch zeigen.
Grundsätzlich hat Sat.1 mit dem Format eine Daily kreiert, die nach den Regeln 2013 funktioniert – das war zuletzt bei täglichen Produktionen des Senders nicht mehr der Fall. Allein von der produktionstechnischen Qualität ist es der Serie zuzutrauen, vom Soap-Quotenkuchen ein gutes Stück abzubekommen. Vorausgesetzt natürlich die Autoren arbeiten die Stärken der bislang noch nicht so in den Vordergrund getretenen Figuren (also einiger Geschwister, der Großeltern, eventuell auch mancher Arbeitskollegen oder Fahrschüler) noch heraus – und schaffen somit eine noch größere «Patchwork Family».
Sat.1 startet seine «Patchwork Family» am Montag, 28. Januar 2013, um 18.00 Uhr.