Die Kritiker: «Der große Schwindel»

In der äußerst seichten Fernsehkomödie «Der große Schwindel» wird Mariele Millowitsch von ihrem Mann verlassen.

Inhalt:
Elli Sänger betreibt zusammen mit ihrem Mann Georg einen Steinmetzbetrieb. Als Georg nicht zu einem wichtigen Termin erscheint, ist das der Anfang vom Ende: Georg lässt Elli sitzen, brennt mit seiner Sekretärin Richtung Himalaya durch und lässt die Firma auch noch auf 90.000 Euro Steuerschulden hocken. Das ist selbst für Elli zu viel, die unisono umkippt und ihr Gedächtnis verliert. Alles, was nach ihrer Hochzeitsreise vor 25 Jahren passiert ist, ist nun erst mal weg. Um sie zu schonen, verheimlichen Ellis Kinder Florian und Rieke die... nun ja Bergflucht des Vaters. Das rät schließlich auch der behandelnde Arzt. Doch Elli sucht schon bald erste Antworten. Und die Steinmetzfirma braucht Führung, denn ein lukrativer Auftrag des Kölner Doms steht an. Was liegt da näher, als den zerstrittenen Zwillingsbruder von Georg – den gutmütigen Finanzbeamten Günther – ins Boot zu holen. Dieser soll sich für Ellis Ehemann ausgeben. Unter Protest macht Günther schließlich mit. Doch was am Anfang noch gut geht, wird schließlich zunehmend kompliziert. Und eines Tages steht dann auch noch Georgs Sekretärin vor der Tür: Georg wurde von einer Lawine getötet.

Darsteller:
Mariele Millowitsch (Die Familienanwältin, Idiotentest) ist Elli Sänger
Walter Sittler (Weihnachten im Morgenland) als Georg/Günther Sänger
Ludwig Trepte (Rat mal, wer zur Hochzeit kommt) als Florian Sänger
Carolyn Genzkow (Wunschkind, Der Kriminalist) als Rieke Sänger
Julia Dietze (Oktoberfest, Iron Sky) als Sekretärin
Idil Üner (Im Juli, Einmal Hans mit scharfer Soße) als Freundin von Elli
Rainer Furch (Mein Leben im Off, SOKO Köln) als Bestatter

Kritik:
Der Fernsehfilm «Der große Schwindel» geht dahin, wo's weh tut. Nämlich in die seichtesten Untiefen, in die eine TV-Komödie gehen kann. Schrecklich biedere Witzchen, miese Kalauer und eine spannungsarme Inszenierung lassen die 90 Minuten quälend langsam vergehen. Obwohl die Szenen hektisch abgehandelt werden und es nicht schnell genug zur nächsten vermeintlich haarstäubenden Entwicklung gehen kann, kommt nie so etwas wie Dynamik oder Dramatik auf. Man hat vielmehr das Gefühl, Regisseur Josh Broecker kann es nicht erwarten, zur nächsten Szene zu gelangen, um aus der Nummer rauszukommen. Ein Klischee jagt das Nächste, wenn zum Beispiel Ersatzvater Günther dem Sohn seines Bruders schweren Herzens offenbart, dass in Wirklichkeit er sein leiblicher Vater ist. Keine Angst, das war jetzt kein doller Spoiler, der einem den Film vermiest; die Beichte ändert im Grunde gar nichts in «Der große Schwindel»...

Andere Filme würden aus diesem dunklen Familiengeheimnis ein dramatisches, weiteres Fass aufmachen. Hier ist es eine Fußnote, die bloß dem von Weitem vorhersehbaren Happy End zuspielt.

An einer Stelle fragt Mariele Millowitsch als Elli ihren Mann, warum sie denn nur zwei Mal im Jahr Sex hätten. Er antwortet darauf, dass der Stress und die viele Arbeit schuld seien. Sie entgegnet, dass er ja auch Berge besteigt. Er sinngemäß „Was soll ich denn sonst besteigen.“ Ha! Das ist kein Schenkelklopfer. Das ist einfach nur schlecht. Das ist unterstes Mario Barth-Niveau, das zum Fremdschämen animiert. Peinliche Situationen geben sich mit nervigen Szenen die Hand, ein Aufatmen gibt es nicht. Eher Verschlimmbesserungen; wenn zum Beispiel die Kinder Florian und Rieke vom Tod ihres Vaters erfahren. Plötzlich haben wir großes Drama, dramatisches Hände-überm-Kopf-zusammenschlagen und Tränen der Trauer. Nach gefühlten zehn Sekunden geht das 'Goodbye, Lenin für Arme'-Getue munter weiter. Es nervt einfach kolossal, wie hier auf Teufel komm raus eine dumme Szene plump an die nächste geklatscht wird, in der Hoffnung, die nächste, gewollt absurde Situation oder der nächsten blöde Kalauer ergattert einen Schmunzler beim Publikum. Es funktioniert aber weit und breit nicht.

Überzeugen dann zumindest die Darsteller? Mitnichten. Auch wenn Mariele Millowitsch und Walter Sittler schon unzählige Folgen «Nikola» und «Girl Friends» zusammen gedreht haben, vertun beide ihr Talent in diesem mäßigen Fernsehfilm. Die im Vorfeld viel beschworene Chemie zwischen den beiden wirkt schlicht herbeigeredet – wie auch der beliebige Filmtitel selbst. Die
Nebendarsteller Ludwig Trepte als Sohn Florian (ein Lichtblick in diesem Film) oder Carolyn Genzkow als Tochter Rieke (macht oft große Augen) liefern einen soliden Job, sollten sich aber in Zukunft nach besseren Drehbüchern umschauen. Wirklich schade ist, dass Idil Üner als Ellis Freundin verheizt wird und im Grunde nur einen nennenswerten Auftritt hat. Wenigstens weiß die technische Umsetzung von «Der große Schwindel» zu überzeugen, obwohl Kameramann Eckhard Jansen («Mandy will ans Meer») und sein Oberbeleuchter Gilmar Steinig («Danni Lowinski») es in manchen Szenen mit dem Licht zu gut meinen und ein Soap-Effekt entsteht; alles zu hell, viele Szenen zu bunt, übertrieben stylisch-neblig mancher Innenschuss. Dafür gibt es schöne Kamerafahrten vor dem Kölner Dom und das schöne (Film-)Haus der Familie Sänger zu sehen.

Unwillkürlich fragt man sich, wie es solch eine vorhersehbare Geschichte, frei von jeglichen originellen Ideen, vollgestopft mit 08/15 Klischees bis zur Realisierung geschafft hat. Gibt es nicht wesentlich originellere, spannendere, ja bessere Drehbücher in diesem Land? Und müssen es immer wieder – und dieser Vorwurf richtet sich auch an wesentlich größere Produktionen – diese ganz miesen Photoshop-Arbeiten sein, wenn im Film ein Foto gezeigt wird? Wieder auf den letzten Drücker vom Requisitenpraktikanten zusammen gebastelt worden?

«Der große Schwindel» macht einfach keinen Spaß. Einen solch offensichtlichen Reißbrettfilm sollte man an Filmhochschulen als Negativbeispiel zeigen. Ein mahnendes Beispiel, wie man Gebührengelder verschwendet und Schauspieler verheizt.

Das ZDF zeigt Der große Schwindel am Mittwoch, 30. Januar um 20:15 Uhr.
29.01.2013 11:30 Uhr  •  Renatus Töpke Kurz-URL: qmde.de/61768