360 Grad: Jugend statt Kultur... oder doch beides?
Intendant Thomas Bellut will ZDFkultur schnellstmöglich einstellen. Ein richtiger Schritt? Ein Kommentar von Julian Miller.
Thomas Belluts Entscheidung, ZDFkultur rasch auf den Weg zur Einstellung zu bringen, kommt sicherlich nicht zu früh.
Denn obwohl die Digitalkanäle des ZDF für ihr oftmals innovatives Programm gelobt werden, sind das leider Randerscheinungen. Sicher: «NeoParadise», «Roche und Böhmermann», «Götter wie wir» und «Number One» sind/waren grandiose Formate. Doch einen Großteil ihres Programms gestalten diese Sender mit Wiederholungen alter Serien oder der Ausstrahlung von Formaten, die bereits im Hauptprogramm zu finden sind, bzw. im ZDFinfo-Fall mit der Drölftverwertung alter Guido-Knopp-Sendungen. Es reicht nicht, allein die Sender zu haben – man muss sie auch mit Content fühlen.
Und man braucht auch das nötige Kleingeld. Die ca. 30 Millionen Euro Jahresbudget für ZDFneo (ZDFkultur und ZDFinfo operieren Medienberichten zufolge mit noch einmal deutlich geringeren Summen) wirken angesichts der astronomischen Gebühreneinnahmen der öffentlich-rechtlichen Sender wie blanker Hohn.
Der Wegfall vieler großartiger Formate wie «Roche & Böhmermann», «NeoParadise» und «Stuckrad Late Night» hat dabei ein bestehendes Problem noch einmal verschärft: nämlich die fehlende Unterscheidbarkeit von ZDFneo und ZDFkultur. Denn die Eigenproduktionen beider Sender sind nahezu ausnahmslos auf ein junges, intellektuelles und engagiertes Publikum zugeschnittene Unterhaltungsformate. «Roche und Böhmermann» hätte genauso gut bei ZDFneo laufen können, «Stuckrad Late Night» ebenso bei ZDFkultur. Und auf welchem der beiden Sender man nun die alten «Magnum»-Wiederholungen platziert, scheint ebenso zweitrangig.
Die Lösung wäre so einfach: Man schließt ZDFkultur, schiebt die noch laufenden eigenproduzierten Formate zu ZDFneo hinüber und stattet gleichzeitig den noch bestehenden Sender mit einem höheren Budget aus, um sich nicht mehr die zielgruppenaffinen Gesichter vom Privatfernsehen wegkaufen lassen zu müssen, wenn man sie einmal aufgebaut hat.
Aber der nächste Spartensender steht schon in den Startlöchern. Ein „Jugendkanal“ soll es werden – wobei man bei den Öffentlich-Rechtlichen bitte daran denken möge, dass mit dieser Bezeichnung bei der angestrebten Zielgruppe wohl kein Staat zu machen ist. Seit seiner Ankündigung, ZDFkultur einstellen zu wollen, scheint ZDF-Intendant Thomas Bellut seine Zurückhaltung bei der Umsetzung dieses Gemeinschaftsprojekts mit der ARD abgelegt zu haben: „In der Sache spricht viel dafür, diese Herausforderung anzugehen.“
Es ist also gut möglich, dass der positive Effekt, den die Einstellung von ZDFkultur mit sich bringen kann, so schnell verpuffen wird, wie er einsetzen könnte. Auch ein Jugendkanal braucht Content und eine klare Ausrichtung. Sich von ZDFneo abzugrenzen, wird schwer fallen – was letztlich auch ZDFkultur nun das Genick gebrochen haben könnte.
Die Jugend von heute...