Nur wer Gegner hat, kann zur Höchstform auflaufen
Antagonisten sind wichtig, denn nur so können Protagonisten gut aussehen - sagt Berater Uwe Walter.
Stellt euch mal vor, «Germany's Next Topmodel» hätte nur eine Kandidatin. Oder zehn Kandidatinnen – die alle gleich nett wären, gleich gut laufen könnten und gleich gute Fotos bekommen würden. Klar, das funktioniert nicht. Schließlich ist es genau der Unterschied zwischen gut und herausragend, zwischen ganz nett und unglaublich sympathisch, der entscheidet, wer am Ende aufs Cover kommt. Und genau da beginnt das Problem.
Denn: Um als Zuschauer unterscheiden zu können, wer wie gut ist, müssen die Kandidatinnen deutliche Persönlichkeitsmerkmale aufzeigen. Und zwar am besten solche, die diametral in verschiedene Richtungen deuten. Das Prinzip ist seit den Gebrüdern Grimm klar und wurde von Walt Disney hundertfach in Farbe umgesetzt. Dagobert Duck versus die Panzerknacker. Schneewittchen versus die böse Stiefmutter. Daraus wurde ein ungeschriebenes Gesetz. Keine Bella ohne Edward. Und keine Macht ohne die dunkle Seite.
Heute wissen wir: Jeder Protagonist ist nur so gut wie sein Antagonist. Und das ist beileibe nicht nur der Schurke.
Bleiben wir nochmal kurz bei den Topmodels. Wenn ein Model Höhenangst hat und das Shooting auf dem Dach eines Wolkenkratzers stattfindet – dann ist das ein Antagonismus. Genauso wie eine gemeine Konkurrentin, ein verstauchter Knöchel, ein zu kleiner Schuh und ein zu glatter Laufsteg. Manchmal sogar Heidi Klum selbst – vor allem wenn sie einen schlechten Tag hat. Je mehr Gegenwind eine Topmodelkandidatin bekommt, desto eher wird sie Superkräfte entwickeln. Denn ganz ehrlich – wann im Leben tun wir schon mal mehr, als wir unbedingt müssen?
Die gute Nachricht: Gegenwind kann man konstruieren. Einer der führenden Drehbuchlehrer Amerikas, Robert McKee, zeigt uns, wie das geht. Man nehme den Hauptwert, der auf dem Spiel steht. Bei Castingshows: Der Sieg. Man setze dagegen das allgegenwärtige, bedrohliche Gegenteil: die Niederlage. Dann gibt es noch eine Art Niederlage, die aber nicht gleich das Ausscheiden zur Folge hat. Heimweh, Zickenkrieg und eben auch die verstauchten Knöchel oder Stimmbandentzündungen. Und am Ende noch die Negation der Negation – nicht Niederlage, sondern Tod.
Eine Sendung, die starke positive und starke negative Kräfte gegeneinander aufstellt, hat immer eine gute Quote. Wenn – Vorsicht, Haken – diese Gegensätze in der authentischen Persönlichkeit und dem echten Erleben der Protagonisten gründen. Weil das sowohl beim «Supertalent» als auch bei «DSDS» in dieser Saison nicht so ist, bleiben die Zuschauer aus. Aber irgendwie sind das ja auch gute Nachrichten. Wir dürfen wieder kontrastreicher werden im deutschen Fernsehen. Das könnte spannend werden.