Die Kritiker: «Mobbing»

Mit der Angst vor der Arbeitslosigkeit nimmt sich Regisseurin Nicole Weegmann eines Themas an, das sie in ein intensives Psychodrama kleidet.

Inhalt

Hinter den Kulissen

  • Regie: Nicole Weegmann
  • Drehbuch: Eva Zahn, Volker A. Zahn
  • Musik: Birger Clausen
  • Kamera: Alexander Fischerkoesen
  • Schnitt: Nicole Kortlüke, Andrea Mertens
Ein wohnliches Heim, ein sicheres Einkommen, zwei prächtige Kinder, ein großer Freundeskreis: Anja liebt ihr Leben mit Jo, in dem Glück und Zufriedenheit regieren. Der charismatische Jo ist im Kulturreferat der kleinen Stadt für die großen Projekte zuständig und wegen seiner engagierten und zupackenden Art beliebt. Nur die neue Vorgesetzte scheint das nicht so zu sehen. Anja bemerkt, wie Jos Stimmung von Tag zu Tag an Gereiztheit zunimmt. Dann werden ihm sukzessive seine Kompetenzen entzogen und schließlich wird er zum Handlanger degradiert. Die Kollegen wenden sich ab. Der Druck in der Arbeit überträgt sich auf das Familienleben und beginnt, Jo und Anja zu verändern. Dann wird Jo fristlos gekündigt.

Eine Intrige seiner Kollegen? Er verschweigt Anja zunächst den Grund dafür. Angst, aber auch gegenseitiges Misstrauen machen sich zwischen den beiden breit. Jo reicht beim Arbeitsgericht Einspruch gegen die Kündigung ein, doch der Prozess dauert und dauert. Anjas Umgang mit der belastenden Situation schwankt zwischen Empathie und Hilflosigkeit, Pragmatismus und ohnmächtiger Wut. Denn Jo verschließt sich, ist neuen Ideen gegenüber resistent. Er setzt alles auf eine Karte – das Urteil am Arbeitsgericht. Er bekommt schließlich Recht. Ein Pyrrhussieg?

Darsteller
Susanne Wolff («Dreileben», «Die drei Musketiere») ist Anja Rühler
Tobias Moretti («Jud Süss», «Yoko») ist Jo Rühler
Andreas Lust («Eine ganz heiße Nummer», «Grenzgänger») ist Markus Roth
Bettina Mittendorfer («Sommer in Orange», «München 7») ist Katrin Vogt
Krista Stadler («Der Fall des Lemming», «Der Atem des Himmels») ist Helga Rühler
Margret Völker («Wenn die Welt uns gehört», «Adel Dich») ist Petra Müller

Kritik
Das Drama «Mobbing» von Nicole Weegmann («Solange du schliefst») bedient sich einer Angst, die heutzutage, aktueller denn je, jeden in dieser Gesellschaft betreffen kann: die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Die Regisseurin, die sich einen Namen durch hochkarätige TV-Filme machte, inszenierte den namhaft besetzten Streifen als unheimliches, teils horrendes Psychostück und lässt den Antagonisten dabei völlig im Dunkeln. Die Chefin des Protagonisten Jo bleibt als Phantom stets im Hintergrund und wird ausschließlich namentlich erwähnt. Diese Art, mit dem Bösewicht umzugehen, lässt es zu, dass sich das Publikum leicht mit der im Mittelpunkt stehenden Familie identifizieren kann.

In eineinhalb Stunden wird der Zuschauer Zeuge, wie ebenjene Chefin es schafft, eine ganze Familie zu zerstören, indem sie die von Tobias Moretti herausragend verkörperte Hauptfigur Jo erst schikaniert, anschließend feuert und schließlich einen Keil zwischen ihn, seine Familie und Freunde treibt. Mit verstohlener Nüchternheit, ohne jegliche Effekthascherei, gelingt es Weegmann, diese Situation ungeheuer realistisch zu halten und den Fokus vollständig auf die seelische Entwicklung der Hauptfiguren zu lenken. Dabei überzeugt vor allem Susanne Wolff als Morettis Ehefrau, die fast noch mehr leidet, als Morettis Hauptfigur selbst.

Die Entwicklung der Figuren unterstreicht neben deren Spiel vor allem auch das sich drastisch verändernde Äußere. Wenn Tobias Moretti im Schlafanzug durch den Tag schlurft und sein vom Stress gezeichnetes Gesicht voller Resignation steckt, hat das Publikum keinen Schauspieler vor sich, sondern einen vom Leben gezeichneten Mann. Leider bleibt vor allem Andreas Lust in der Rolle von Morettis Kollegen Markus ungewohnt farblos.

Das gemächliche Tempo von «Mobbing» verleiht dem Psychodrama die notwendige Intensität und das Gefühl, als könne diese grauenvolle Szenerie auch im wahren Leben passieren. Gleichzeitig hätte Nicole Weegmann gut daran getan, in einzelnen Sequenzen wenigstens ein bisschen aufs Gas zu drücken. Einfach um der Spannung Willen. Dass die Regisseurin es nicht tut, trägt andererseits seinen Teil zur hohen Authentizität bei, die auch von den unverfälschten, farbfilterfreien Bildern, die ein bisschen weniger Einheitsgrau hätten vertragen können, untermalt werden. Auch der Soundtrack zeigt sich minimalistisch. Nur in den seltensten Fällen lugt ein ruhiger Instrumentalscore hervor. Lediglich das Ende enttäuscht, da sich gerade bei solch einer Thematik, gepackt in eine derartige Inszenierung, ein radikales Ende angeboten hätte. Stattdessen hielten die Macher es mehr oder weniger offen, was «Mobbing» ein wenig der Konsequenz beraubt.

Fazit: Das gelungene Psychodrama überzeugt in allen Bereichen, schrammt aufgrund kleiner Schwächen in der Inszenierung, wie dem Ende oder einer unnötigen Liebelei, und bei der Besetzung jedoch knapp am Prädikat „herausragend“ vorbei.

Das Erste zeigt «Mobbing» am 15. Mai 2013 um 20:15 Uhr.
14.05.2013 11:09 Uhr  •  Antje Wessels  •  Quelle: Inhalt ARD Kurz-URL: qmde.de/63743