«Hangover» ohne Hangover?

Der Film des Monats: Das Wolfsrudel ist zurück! Der Abschluss der kultigen «Hangover»-Trilogie macht vieles anders als seine beiden Vorgänger. Doch weiß er auch ohne deren unterhaltsames Grundkonzept zu überzeugen?

R-Rated-Filme

In allen drei Fällen bekamen die «Hangover»-Filme in den USA das so genannte R-Rating verpasst, welches den Film für Zuschauer ab 17 Jahren empfiehlt. Ein solches Rating erhalten unter anderem Filme, in denen es zum häufigen Gebrauch von Schimpfworten kommt. Diesem Kriterium wurden die ersten beiden «Hangover»-Teile mehr als gerecht, durch ihre Grundthematik und dem weit über 100-fachen Gebrauch des Wortes „Fuck". Anders als bei der deutschen FSK handelt es sich bei den meisten US-amerikanischen Ratings lediglich um Empfehlungen. Dennoch meiden die großen Hollywood-Studios gerade bei Blockbuster-Produktionen Gewaltspitzen oder Schimpfworte, um das lukrativere PG-13-Rating (Empfehlung für Zuschauer ab 13) zu erhalten und ihren Film einem breiteren Kinopublikum zugänglich zu machen. Jedoch konnten auch die R-Rated Vorgänger von «Hangover 3» große Erfolge erzielen und zusammen nur in den USA schon 500 Mio. Dollar einspielen.
Im Jahr 2009 lieferte der bis dato als Regisseur von durchaus solider, wenn auch keinesfalls bahnbrechender Komödienkost wie «Road Trip» (2000), «Old School» (2003) und «Starsky & Hutch» (2004) bekannt gewordene Filmemacher Todd Phillips mit dem vergleichsweise günstig produzierten «Hangover» recht überraschend eine Comedy-Meisterleistung ab, die bald ein großes Publikum fand und schließlich völlig zu Recht zum Kult avancierte. Das ebenso simple wie geniale Handlungskonzept eines völlig aus dem Ruder gelaufenen Junggesellenabschieds und der nachträglichen Auffrischung der verloren gegangenen Erinnerungen an die durchzechte Nacht machte «Hangover» im Zusammenspiel mit der smarten Herangehens- und Erzählweise, einem sympathischen Hauptdarstellergespann sowie jeder Menge zündender Gags und skurriler Einfälle zu einer der erfolgreichsten und beliebtesten Erwachsenenkomödien der jüngsten Zeit. So war es wohl nur eine Frage der Zeit bis die bei solchen Erfolgen übliche Hollywoodsche Fortsetzungs-Nebenwirkung auftreten sollte.

Todd Phillips Antwort auf die Frage, wie ein abgeschlossenes Werk mit einer solch besonderen Ausgangssituation sinnvoll fortgeführt werden konnte, ist zweifellos umstritten, prinzipiell aber fast naheliegend, kopierte er doch einfach die grundlegende Prämisse sowie die grobe Erzählstruktur und einzelne Elemente nahezu eins zu eins vor exotischer Kulisse. Dieses konsequente Vorgehen, welches sich nicht nur auf den bloßen Inhalt, sondern auch teilweise auf die Bildsprache und den Musikeinsatz erstreckte, bot gerade in seiner bewussten Dreistigkeit schon wieder einen gewissen Unterhaltungswert, verwehrte «Hangover 2» als Kehrseite der verkaterten Medaille aber die Chance, mit der Originalität und Frische zu glänzen, die den Erstling so sehr auszeichneten. Der enorme Erfolg des Streifens war jedoch bereits vorprogrammiert und so verwunderte es auch kaum, dass schon mit dem Kinostart des Sequels im Jahr 2011 ein weiterer Teil der Reihe angekündigt wurde. Für diesen versprach Phillips dann auch direkt, neue Handlungswege zu gehen. Mit «Hangover 3» löst er dieses Versprechen nun wahrlich ein. Was grundsätzlich zunächst erfreulich klingen mag, hat am Ende rein inhaltlich jedoch leider nicht mehr allzu viel zu bieten.

Mehrere Jahre sind seit den verhängnisvollen Geschehnissen in Las Vegas und Bangkok ins Land gezogen. Die vier ungleichen Freunde Phil (Bradley Cooper), Stu (Ed Helms), Doug (Justin Bartha) und Alan (Zach Galifianakis) scheinen die Ereignisse endgültig hinter sich gelassen zu haben, doch eines Tages holt sie ihre Vergangenheit wieder ein. Nachdem der ohnehin schon psychisch labile Alan seine Medikamente absetzt und auch noch durch den plötzlichen Tod seines Vaters schwer mitgenommen wird, sind sein mentaler Zustand und sein Verhalten für seine Familie und Freunde nur noch schwer tragbar. So sind sich bald alle einig, dass es wohl das Beste wäre, ihn in eine psychiatrische Klinik einzuweisen. Daher möchten sich Phil, Stu und Doug gemeinsam mit ihm eine entsprechende Einrichtung anschauen, kann doch am ehesten Alans geliebtes „Wolfsrudel“ ihm einen dortigen Aufenthalt schmackhaft machen.

Auf dem Weg zur Klinik werden die Vier jedoch plötzlich Opfer eines Überfalls, an dessen Ende sie dem finsteren Gangsterboss Marshall (John Goodman) gegenüberstehen. Dieser hat es auf den kürzlich aus dem thailändischen Gefängnis ausgebrochenen und nun wieder auf den amerikanischen Kontinent zurückgekehrten Kriminellen Mr. Chow (Ken Jeong) abgesehen, der ihn einst um Goldbarren im Wert von 21 Mio. US-Dollar erleichtert und bereits früher mehrfach die Wege des „Wolfsrudels“ gekreuzt hat. Da Alan nach wie vor eine skurrile Freundschaft zu Chow pflegt und mit ihm in Kontakt steht, verlangt Marshall, dass Alan, Stu und Phil dies ausnutzen, um ihn ausfindig zu machen und zu ihm zu bringen. Als Absicherung entführt er Doug, den er droht umzubringen, sollten die Drei seinen Forderungen nicht nachkommen. So haben jene keine andere Wahl, als dem Folge zu leisten. Die Spur führt sie wenig später ins mexikanische Tijuana, wo sie tatsächlich auf Chow treffen. Aber damit geht der Schlamassel erst richtig los, verfolgt der sehr spezielle Exzentriker doch seine ganz eigenen Interessen.

Direkt zu Beginn macht «Hangover 3» deutlich, dass die folgenden 100 Minuten tatsächlich einer anderen Struktur folgen als seine beiden Vorgänger. Die wundervoll inszenierte Eröffnungssequenz, die den Ausbruch Chows aus einem thailändischen Gefängnis zeigt, macht in der Tat Lust auf mehr und lässt so die Erwartung an das Kommende ein wenig steigen. Hier kommt auch schon eine wesentliche Stärke zum Tragen, die bereits Teil 1 und 2 der Reihe gekennzeichnet hat und von der Teil 3 ebenfalls mehrfach zehren kann. So ist auch «Hangover 3» insbesondere für das Komödien-Genre an vielen Stellen ein echter Augenschmaus. Todd Phillips beweist mehr als einmal ein Händchen dafür, ansehnliche Hochglanzbilder in vorzüglich gewählten Einstellungen gekonnt zu komponieren.

Gerade auch angesichts des gelungenen Einstiegs des Films lässt sich spätestens nach der Rezeption des Gesamtwerks eine gewisse Ernüchterung ob des Endergebnisses allerdings nicht leugnen. Schön und gut, dass das bewährte Grundkonzept der Reihe komplett über den Haufen geworfen wurde, um für Abwechslung zu sorgen. Doch macht dies nun einer eher uninspirierten Thrillerkomödienhandlung Platz, die nur für sich betrachtet nicht so recht zünden will und umso mehr hervorhebt, wie sehr «Hangover» vom spannenden nachträglichen Rekapitulieren einer irrsinnigen Nacht gelebt hat. Wenn schon unbedingt eine weitere Fortsetzung her musste, ist es durchaus löblich, wenn nicht gar mutig, einen neuen inhaltlichen Ansatz zu wagen. Dieser kann den Film zwar einigermaßen zusammenhalten, fällt jedoch hinsichtlich seines Einfallsreichtums meilenweit hinter dem Erstling ab. Im Grunde blitzt eine ähnlich wendungsreiche Originalität nur bei einem einzigen kleinen, wenn auch nicht wirklich handlungsdominierenden Kniff auf, der in seiner Ausführung in der Tat zu gefallen weiß und kurzzeitig an bessere «Hangover»-Tage erinnert. Ansonsten bezieht der Verlauf der Geschichte ihren Reiz am ehesten noch aus den zahlreichen und häufig auch gelungenen Anspielungen und Verweisen auf die ersten beiden Teile der Reihe.

Ärgerlich ist es allerdings wiederum, dass «Hangover 3» trotz aller Veränderungen dann doch auf ein wesentliches Element der beiden Vorgänger leider nicht verzichtet. So scheidet der arme Doug erneut sehr früh aus dem größten Teil der Haupthandlung aus und muss sein Dasein als Druckmittel des Gangsterbosses Marshall abseits des Leinwandgeschehens fristen. Running Gag hin oder her, hier wurde ohne Frage eine dankbare Chance verschenkt, um auch Doug gerade für das (vermeintliche) Finale der Reihe endlich mal mehr zum Zug kommen zu lassen und somit wirklich noch ein wenig mehr Frische und neue Dynamik in die ganze Angelegenheit zu bringen. Fakt ist jedoch, dass es auch beim dritten Mal Spaß macht, den bewährten lieb gewonnenen Protagonisten bei ihren absurden Erlebnissen beizuwohnen, wobei diesmal ohne Frage Alan um einiges stärker in deren Mittelpunkt steht als seine Mitstreiter. Nicht zuletzt dank des nach wie vor perfekt funktionierenden Hauptdarstellertrios gelingt es den Figuren durch ihre bloßen Auftritte wunderbar zu unterhalten und somit auch stets der Langeweile vorzubeugen sowie den Film quasi im Alleingang zu tragen. Trotz der merklichen Handlungsdefizite ist das Mitfiebern mit dem „Wolfsrudel“ weiterhin durchweg gewährleistet. Dabei kann der Film wieder auf den bewährten Humor der Reihe und die zu diesem gehörenden absurd-komischen Dialoge zurückgreifen, lässt hier allerdings diesmal wahre Kracher und eine ausgeprägte anarchische Note weitestgehend vermissen.

Sowohl auf der Handlungs- als auch auf der Humorseite fehlen schlicht und ergreifend die erinnerungswürdigen Höhepunkte, die vor allem den ersten «Hangover»-Teil zu etwas so Besonderem machten. Jener gestaltete sich von vorne bis hinten, von der vorausdeutenden Einstiegsszene bis zum großartigen Fotoabspann, als ein absolut rundes Vergnügen, bei dem nahezu alle Bereiche, perfekt ineinander gegriffen haben. Ein vergleichbares Gefühl will sich nun bei «Hangover 3» nicht einstellen. Vom im Vorfeld angekündigten epischen Finale der Trilogie ist kaum etwas zu spüren. Hierbei mag das Marketing zum Film bewusst der gezielten Übertreibung gefrönt haben, dennoch hätte man gerade mit der unvermeidbaren Rückkehr ins verhängnisvolle Las Vegas etwas noch Spektakuläreres erwarten können.

«Hangover 3» kann für sich genommen durchaus als solide Komödie durchgehen, weiß jedoch insbesondere mit den Bezügen zu seinen beiden Vorgängern zu überzeugen, weshalb es schwer fällt, ihn überhaupt losgelöst von diesen zu betrachten. Den sich naturgemäß aufzwingenden Vergleich verliert der Abschluss der Trilogie dann doch um ein ganzes Stück. Das Endprodukt ist schlicht zu arm an wahren Höhepunkten und ikonischen Szenen, wie man sie in erster Linie vom ersten Teil der Reihe kennt. Trotzdem dürften aber vor allem Fans der Hauptfiguren Freude daran haben, das von nach wie vor wunderbar harmonierenden Darstellern verkörperte „Wolfsrudel“ noch einmal in Aktion zu erleben. Für Spaß und Kurzweil ist hier trotz der müden Handlung und der sonstigen Defizite skurrilerweise fast durchgehend gesorgt, wenn auch keinesfalls auf solch einem hohen Niveau wie beim Beginn der Reihe. Dennoch bleibt im Nachhinein eher Ernüchterung zurück, da einfach irgendetwas zu fehlen scheint, um den Funken wirklich überspringen zu lassen. Mit einer besonderen Szene im Abspann wird das Ganze aber zumindest noch einmal überaus unterhaltsam und adäquat abgerundet, wodurch der Film endgültig einen recht ambivalenten Eindruck hinterlässt. Alles in allem demonstriert «Hangover 3», dass es kein wirklicher Verlust für die Filmwelt gewesen wäre, stünde der erste Teil der nun zur Trilogie angewachsenen Comedy-Reihe auch heute noch alleine da. So innovativ und prägend «Hangover» war, so belanglos fällt im Großen und Ganzen leider sein zweiter Ableger aus, auch wenn dies schlimmer klingen mag, als der Film insgesamt tatsächlich ist.

«Hangover 3» ist ab dem 30. Mai in den deutschen Kinos zu sehen.
30.05.2013 10:30 Uhr  •  Markus Trutt Kurz-URL: qmde.de/64059