Die Kritiker: «Revenge»

In den USA sind die Quoten eher durchwachsen. VOX probiert’s trotzdem. Lohnt das Einschalten?

Inhalt:

«Revenge»-Staff

  • Executive Producer: Melissa Loy, Ted Babcock, Marty Bowen, Wyck Godfrey, Mike Kelley, Sunil Nayar.
  • Kamera: Cynthia Pusheck u.a.
  • Musik: iZLER
  • Darsteller: Emily VanCamp, Madeleine Stowe, Gabriel Mann, Henry Czerny, Ashley Madekwe, Nick Wechsler u.a.
  • Produktion: Page Fright, Temple Hill Entertainment, ABC Studios
Die junge Frau Amanda Clarke ist zurück in den Hamptons. Hier hatte sie schon einmal ein Zuhause. Als junges Mädchen lebte sie mit ihrem Vater David in dem wunderschönen Haus am Meer, mitten auf Long Island, umgeben von der dortigen High Society. Jahre liegen dazwischen. Jahre, in denen ihr alles genommen wurde, und Jahre, die schreckliche Erinnerungen hervorrufen. Alles begann, als ihr Vater genau dort in ihrem Haus vor den Augen seiner kleinen Tochter verhaftet wurde - für ein furchtbares Verbrechen, das er nie begangen hat. Die Anklage lautete auf Mord. Amanda sah ihren Vater nie wieder. Als gebrochener Mann fiel er einem Komplott zum Opfer und starb schließlich unter dubiosen Umständen im Gefängnis. Amanda landete im Waisenhaus und erduldete eine lange Zeit voll Wut, Trauer und Einsamkeit.

Doch jetzt ist alles anders. Amanda ist zurück - unter dem Namen Emily Thorne, mit dem Wissen um ein furchtbares Verbrechen an ihrer Familie, gestählt, gerissen und mit einem Plan, der Vergeltung bringen soll. Um jeden Preis! Ganz oben auf ihrer Liste steht die bildschöne Patriarchin Victoria Grayson. Doch die ist mit allen Wassern gewaschen...

Darsteller
Emily van Camp («Everwood») als Emily Thorne/Amanda Clarke
Madeleine Stowe («Short Cuts») alsVictoria Grayson
Gabriel Mann («The Bourne Supremacy») als Nolan Ross
Henry Czerny («The Tudors») als Conrad Grayson
Ashley Madekwe («Bedlam») als Ashley Davenport
Nick Wechsler («Roswell») als Jack Porter
Josh Bowman («Holby City») als Daniel Grayson

Kritik

Hunks aus den Hamptons, die Polo spielen und in dicken Maseratis quer durch Long Island donnern. Cougars, die den lieben langen Tag am Champagnersaufen und Intrigenspinnen sind. Augenscheinlich bumsfidele Investmentbanker, die nach dem Seitensprung mit der Gattin schlimmster Feindin kollabieren. Der Handlungsort letztgenannter Szene heißt Southfork Inn – «Dallas»-Freunde werden die Anspielung verstehen. Man weiß, was man hier produziert:

Soap, Soap und nochmal Soap. Bleibt die Frage: Totalausfall oder Guilty Pleasure?

Wer nur den Piloten sieht, landet bei ersterem Ergebnis: Denn zu Beginn wirkt das alles viel zu Daytime-«Days-of-our-Lives»-haft für das bisherige Jahrzehnt im Networkfernsehen seltsam anachronistisch: große, pathetische Gesten, Figurenzeichnungen wie in «Melrose Place», ständige bedeutungsschwangere Close-Ups emotionsverzerrter Gesichter. Dazu die fast Rosamunde-Pilcher-esken Überzeichnungen und Reduzierungen auf das Banale, gepaart mit einer Synchro, die die hin und wieder aufkommende ironische Brechung der Originalfassung nicht in die deutsche Version übertragen kann.

Glücklicherweise wird es aber nach den ersten, ziemlich desaströsen vierzig Minuten besser. Man erzählt nicht mehr so langsam, nicht mehr so klischeehaft verkitscht, zumindest nicht mehr ganz so oberflächlich. Sicher: An intellektueller Schärfe wäre in den gesamten bisher vorliegenden zwei Staffeln deutlich mehr drin gewesen. Aber man will Soap. Da gehört die Oberflächlichkeit dazu wie der Maserati zum Landhaus in Upstate New York.

Und dieses Gesoape funktioniert vom Ende der ersten Folge an auch recht passabel. Vielleicht weil der narrative Tiefgang im Abschluss-Voice-Over ein wenig Fahrt aufnimmt und das Rache-versus-Vergebungs-Thema ein paar neue Facetten erhält. Sicherlich: vorhersehbare und manchmal ziemlich plumpe Facetten. Aber immerhin.

Emily van Camp spielt im Rahmen der Möglichkeiten ihre mysteriöse Rolle recht ansehnlich: soapig, aber ansprechend; überzeichnet, aber glaubwürdig. Glaubwürdig genug, dass man schreiend davon liefe, wenn sie einem einen Amontillado anbieten würde. Madeleine Stowe als intrigante Society-Tussi mit dem Hang zum gespielten Altruismus und zur Selbstdarstellung und Gabriel Mann als genialer, aber versnobter und sozial eher schwerfälliger Internetmultimillionär spielen derweil genregemäß überzeichnet, aber lassen im Rahmen des Willing Suspense of Disbelief so viel Glaubwürdigkeit zu, dass man nicht in den narrativen Totalausfall abrutscht, sondern trotz all der Überzeichnungen halbwegs nahbar bleibt.

«Revenge» ist kein neues «The O.C.», erst recht kein «Friday Night Lights». Aber, bis auf den misslungenen Piloten, funktioniert das Format als eskapistisches Guilty-Pleasure, das man vielleicht gerade wegen der überkandidelten Banalitäten konsumiert. Erzählerische Schlüssigkeit strebt man jedenfalls trotz fehlender Charaktertiefe an, auch wenn die Oberflächlichkeit hier das Maß aller Dinge bleibt. Darauf einen Amontillado?

VOX sendet «Revenge» mittwochs um 20.15 Uhr in Doppelfolgen.
18.06.2013 12:21 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/64408