Der Fernsehfriedhof: Der Quiz-Show-Betrug

Folge 244: Eine wirre «Wer wird Millionär»-Kopie, die einen Kandidaten um 700.000 DM gebracht haben soll.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir einer Sendung, die zuweilen als eine der schlechtesten Game-Shows aller Zeiten bezeichnet wurde.

«Das Millionenquiz» wurde am 03. September 2000 in Sat.1 geboren und entstand zu einer Zeit, als die deutschen Fernsehmacher nach dem sensationellen Erfolg von «Wer wird Millionär?» das Land mit unzähligen Kopien überschwemmten. Obwohl mit Vertretern wie «Einundzwanzig» , «Die Quiz Show» und «Die Chance Deines Lebens» der Markt längst als gesättigt galt, wagte man den Start einer weiteren Version. In ihr versuchte man das klassische Frage-Antwort-Prinzip jedoch stärker mit taktischen Elementen zu kombinieren, was jedoch zu einem undurchsichtigen Konzept führte.

In der ersten Runde spielten nämlich zunächst sechs Kandidaten gegeneinander, von denen einer nach der Beantwortung von einer Reihe von Multiple-Choice-Fragen üblich blieb. Das Gemeine dabei war, dass derjenige, der eine Frage zuerst korrekt beantworten konnte, entschied wer aus der Show flog. So kam es regelmäßig vor, dass die stärksten Kontrahenten bereits in der Vorrunde ausschieden. Dieses Prozedere wurde pro Ausgabe zwei Mal durchgeführt, sodass zwei Kandidaten in der Zwischenrunde landeten. In dieser erspielten sie gemeinsam die letztlich mögliche Gewinnsumme. Dazu galt es das zur Verfügung gestellte Ausgangskapital taktisch auf die richtigen Antworten zu setzen, um eine möglichst hohe Summe erspielen zu können. Insgesamt war auf diese Weise ein Höchstbetrag von 1,5 Millionen DM möglich. Unterstützt wurden die beiden Spieler jeweils von einem Partner ihrer Wahl.

In der Vorschlussrunde spielten die beiden Duellanten dann wiederum gegeneinander um den Einzug ins Finale, in dem der Gewinner um jenen in der Zwischenrunde erzielten Jackpot spielte. In der Endrunde galt es erneut Quizfragen zu beantworten, wobei das gesamte verbliebene Geld auf die richtige Antwort gesetzt werden musste. War sich der Kandidat unsicher, konnte er die Summe auch auf mehrere Möglichkeiten verteilen. Weil nur das Geld behalten werden konnte, was auf die richtige Antwort gesetzt wurde, sank der Jackpot immer weiter ab – oft auf unter 100.000 DM. Im Kontrast zu den anderen Vertretern des Genres wuchs damit die Gewinnsumme nicht allmählich an, sondern schmolz sukzessive ab. Der Partner war dabei vom Kandidaten wieder getrennt, verfolgte das Geschehen aber aus der Ferne und durfte einmal ein Veto einlegen und die Frage stattdessen beantworten.

Präsentiert wurde das Format vom ehemaligen «7 Tage, 7 Köpfe»- und «Punkt 12»-Gesicht Milena Preradovic, die Sat.1 vom Konkurrenten RTL bereits im Jahr 1997 abgeworben hatte. Großes Glück bescherte ihr der Wechsel nicht, denn die Magazine «Spot», «echt wahr!», «Planetopia» und «Die Tricks der größten Magier» waren weder qualitative noch quotenmäßige Highlights. Als gute Wahl für das Quiz stellte sie sich ebenfalls nicht heraus, denn sie vermochte weder witzig, charmant noch spannend durch das Konzept zu führen. Vielmehr hatte man das Gefühl, sie müsste den komplizierten Ablauf möglichst sachlich abhaken. Entsprechend negativ fielen auch die Reaktionen in damaligen Foren und Blogs aus, die auffallend oft das Wort „langweilig“ im Zusammenhang mit ihrer Person enthielten. Zusammen mit dem undurchsichtigen Spielsystem, wirkte die Show damit überhaupt nicht rund. In der Mitteldeutschen Zeitung war daher damals zu lesen: „Dem «Millionenquiz» fehlte all das, was «Wer wird Millionär?» auszeichnet: klares Regelwerk und charismatischer Moderator.“

Erschwerend kam hinzu, dass der Redaktion bereits in der zweiten Ausgabe ein Fehler unterlief, der in einem Quiz unter allen Umständen vermieden werden muss. Sie wertete nämlich die Antwort des Kandidaten Uwe Krings als falsch, obwohl diese richtig war. Zu lösen war die Frage, aus welcher Epoche die Mumie Ötzi stammt? Krings setzte eine Summe von 700.000 DM auf „Steinzeit“, die ihm dann abgezogen wurde, weil die richtige Antwort „Bronzezeit“ gewesen wäre. Durch den Anruf eines Archäologen beim Sender nach der Ausstrahlung wurde der Fehler dann jedoch entdeckt und öffentlich bekannt. Einige Zeitungen warfen der Show anschließend Betrug vor. Aufgrund der öffentlichen Diskussion entschied sich der Kanal dazu, dem Kandidaten zusätzlich zu seiner dennoch erzielten Gewinnsumme von 150.000 DM einen weiteren Bonus von 80.000 DM auszuzahlen. Dieser Betrag hatte sich angeblich aus einer fiktiven Berechnung über einen identischen Spielverlauf ergeben. Zudem erhielt Krings die Möglichkeit, in der Ausgabe vom 25. September noch einmal beim alten Spielstand an der selben Stelle des Quiz’ einzusteigen. Die Delle für die ohnehin schon geringe Reputation und Glaubwürdigkeit der Produktion konnte dadurch jedoch nicht ausgeglichen werden.

Es war daher nicht verwunderlich, dass die Sendung nur auf eine geringe Zuschauerresonanz stieß. Am Montagabend um 21.15 Uhr sahen meist nur unter drei Millionen Menschen zu und ließen den Marktanteil nicht wesentlich über zehn Prozent klettern. Wenig hilfreich war es auch, dass sie stets direkt nach «Wer wird Millionär?» gezeigt wurde. Darin sahen die Verantwortlichen bei Sat.1 sicherlich eine Möglichkeit, einige der RTL-Zuschauer übernehmen zu können. Tatsächlich führte die nahtlose Ausstrahlung (auch über die Sender hinweg) zu einem direkten Vergleich, der die Schwächen der Kopie noch deutlicher hervortreten ließ. Auch ihre Verlegung von Montag auf den Freitagabend brachte kaum eine Änderung, weil dort «Wer wird Millionär?» ebenfalls direkt im Vorprogramm zu sehen war.

Obwohl es nach dem Ende der ersten Staffel Ankündigungen über eine Rückkehr des Programms in überarbeiteter Form gab, verschwand es letztlich endgültig. Auch wenn es damit weitestgehend im Schleier der Vergessenheit unterging, wurden Teile des Konzepts in den späteren Quizshows «Das Quiz mit Jörg Pilawa» (Zweier-Spielteams mit Veto-Recht) und «Rette die Million!» (Setzen einer Ausgangssumme auf verschiedene Antwortmöglichkeiten) wieder aufgegriffen.

«Das Millionenquiz» wurde am 15. Dezember 2000 beerdigt und erreichte ein Alter von 13 Folgen. Die Show hinterließ die Moderatorin Milena Preradovic, die zwischen 2005 und 2010 wieder als Nachrichtensprecherin bei N24 arbeitete und parallel die Redaktionsleitung für die ersten Ausgaben der Talkshow von Markus Lanz übernahm. Seit 2009 führt sie eine Redaktion beim österreichischem Sender Servus TV an. Übrigens, den Ende des Quiz-Booms läutete der Flop indessen noch nicht ein, denn es folgten wenig später noch die Formate «Ca$h – Das eine Million Mark-Quiz», «Allein gegen alle», «Multi Millionär», «Greif an!», «Quizfire» und «Der Schwächste fliegt».

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der Gameshow-Variante von «Galileo».
20.06.2013 11:00 Uhr  •  Christian Richter Kurz-URL: qmde.de/64455