Die Kino-Kritiker: «World War Z»

Zombiehorror für die ganze Familie? «World War Z» geizt zwar mit expliziter Gewaltdarstellung, weiß aber auch positiv zu überraschen.

Filmfacts: «World War Z»

  • Kinostart: 27. Juni 2013
  • Genre: Action/Horror
  • Laufzeit: 110 Min.
  • FSK: 16
  • Kamera: Ben Seresin
  • Musik: Marco Beltrami
  • Drehbuch: Matthew Michael Carnahan, Drew Goddard, Damon Lindelof
  • Regie: Marc Forster
  • Darsteller: Brad Pitt, Mireille Enos, Fana Mokoena, James Badge Dale, David Morse, Matthew Fox
  • OT: World War Z (USA 2013)
Zombies so weit das Auge reicht. Noch immer scheint die moderne Zombiewelle, die durch das Revival der eher ungemütlichen lebenden Toten zu Beginn des neuen Jahrtausends in Gang gesetzt wurde, allgegenwärtig in den unterhaltenden Massenmedien. Vor nunmehr rund zehn Jahren war es vor allem Danny Boyles atmosphärischer Horrorthriller «28 Days Later» (2002), der den Menschenfleisch verzehrenden Ungetümen zu einem Filmcomeback verhalf. Auch wenn Puristen gerne darauf beharren, dass es sich hierbei doch gar nicht um wandelnde (Un-)Tote, sondern lediglich um mit einem „Wutvirus“ infizierte und im Grunde noch lebende Menschen handelte, sind die bewussten Parallelen zum Zombiefilm nicht von der Hand zu weisen.

Dies machte nicht zuletzt auch der Einfluss von «28 Days Later» auf ebenjenes Genre deutlich. Mit dem Brechen von dessen gängigen Regeln, welche im Filmbereich in erster Linie vom Horroraltmeister George A. Romero mit seiner legendären «Living Dead»-Reihe geprägt wurden, gelang es dem späteren Oscarpreisträger Boyle («Slumdog Millionär», «127 Hours») gemeinsam mit seinem Drehbuchautor Alex Garland («The Beach», «Dredd») dem Bild des Zombies im Kino mit Tempo und Härte einen modernen Anstrich zu verpassen und ihm so nicht nur innerhalb von Filmwelten zu einer Auferstehung zu verhelfen.

Im Zuge dessen tobten sich bald wieder zunehmend ganze Horden von Untoten auf verschiedenste Art und Weise auf den Leinwänden der Welt aus, sei es nun in ernst zu nehmenden Genreperlen wie das unter Federführung von Zack Snyder («300», «Man of Steel») entstandene und ebenfalls die neue Zombieflut mit initiierte «Dawn of the Dead»-Remake (2004), komödiantische Annäherungen an die Thematik wie «Shaun of the Dead» (2004) und «Zombieland» (2009) sowie der zusätzlich noch romantisch angehauchte «Warm Bodies» (2013) oder gar das mehr oder weniger erfolgreiche Comeback von Zombiepapst George A. Romero selbst, mit Filmen wie «Land of the Dead» (2005) und «Diary of the Dead» (2007). Auch wenn das massenmediale Phänomen mit der großartigen TV-Serie «The Walking Dead» derzeit einen unzweifelhaften Höhepunkt feiert, stellt sich insbesondere im Kino jedoch allmählich eine Zombie-Übersättigung ein.

Auftritt «World War Z». Von Produktionsschwierigkeiten, stetigen Handlungsänderungen und umfangreichen Nachdrehs geplagt, startet die Verfilmung des von Max Brooks verfassten Beststellers «Operation Zombie: Wer länger lebt, ist später tot» (OT: «World War Z: An Oral History of the Zombie War») nun über ein halbes Jahr später als ohnehin schon geplant in den Lichtspielhäusern. Damit hinkt der Horrorthriller dem gegenwärtigen Zombiehype in vielerlei Hinsicht hinterher, kann er diesem doch auch leider kaum neue Seiten abgewinnen. Dennoch gelingt es dem deutsch-schweizerischen Regisseur Marc Forster («Monster’s Ball», «Ein Quantum Trost») die Spannung konstant hochzuhalten, wobei allerdings nicht zuletzt auch aufgrund der profitorientierten und genreuntypischen Orientierung des Films an einem jüngeren Publikum letzten Endes einiges an Potential verschenkt wird.

Wie in zahlreichen anderen Filmen seiner Art, hält auch in «World War Z» das Grauen urplötzlich und unvermittelt Einzug in das alltägliche Leben. Der ehemalige UN-Mitarbeiter und nun frisch gebackene Hausmann Gerry (Brad Pitt) gerät mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Philadelphia in einen Stau, als auf einmal Panik ausbricht. Menschenmassen rennen aufgescheucht umher und werden von scheinbar wildgewordenen Mitmenschen attackiert und gebissen. Nach einem solchen Biss verwandelt sich das jeweilige Opfer innerhalb von Sekunden selbst zu einer aggressiven Bestie. Nur sehr knapp entkommt Gerry mit seiner Familie aus der im Chaos versinkenden Stadt und findet dank seiner Beziehungen schließlich Zuflucht auf einem Flugzeugträger der US Navy, wo er erfährt, dass es sich bei den jüngsten Geschehnissen um eine globale Katastrophe handelt. Um seiner Frau und seinen Kindern einen längerfristigen Platz auf dem geschützten Flugzeugträger zu sichern, soll der durch frühere Ermittlerjobs erfahrene Gerry für die US-Regierung daraufhin einer Spur nachgehen, um die Zombiepandemie zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen und so eventuell die Chancen auf die Herstellung eines Heilmittels zu erhöhen. Sein erster Anhaltspunkt führt ihn nach Südkorea. Doch bereits kurz nach der Landung wird sein dortiger Aufenthalt zum Desaster.

«World War Z» dürfte in erster Linie zwei potentielle Zuschauergruppen verprellen. Die erste wären die wirklich eingefleischten Fans der Buchvorlage. Deren Autor Max Brooks beleuchtet darin die weltweite Zombieseuche in Form von mehreren vermeintlichen Augenzeugenberichten unterschiedlicher, auf verschiedene Weise mit der allgegenwärtigen Bedrohung in Berührung gekommener Menschen. Die Leinwandadaption wirft dieses Konzept nun komplett über den Haufen und stellt stattdessen einen einzelnen Protagonisten in den Mittelpunkt, sodass bis auf den Originaltitel und eine gewisse Vermittlung der Globalität der Problematik von Brooks’ Werk im Grunde nicht mehr viel übrig geblieben ist. Der Fokus der Filmhandlung liegt hier alleinig auf dem von Brad Pitt gewohnt souverän verkörperten, wenn auch charakterlich sehr flach bleibenden Gerry, dessen Reise, mitsamt den manchmal etwas holprig und unglaubwürdig miteinander verknüpften Stationen, der Zuschauer miterlebt.

Das zweite von der Grundthematik gegebenenfalls angesprochene, vom filmischen Endergebnis aber wahrscheinlich enttäuschte Rezipientenlager dürfte sich ausgerechnet aus leidenschaftlichen Anhängern des Zombiegenres zusammensetzen. Mal ganz davon abgesehen, dass es sich auch hier bei den Infizierten gemäß „klassischer“ Genreregeln eigentlich nicht um Zombies in Reinkultur handelt (obwohl der Begriff sogar direkt innerhalb der Handlung benutzt wird), lässt der Film ein essentielles Element theoretisch artverwandter Werke vermissen: die explizite Gewaltdarstellung, welche zum ernsthaften Zombiefilm dazu gehört wie das Fleisch zum Burger. Es könnte auf dem Papier vielleicht auch ohne funktionieren, schmeckt in der Praxis aber irgendwie nicht richtig.

Dies ist dabei keineswegs im Sinne einer ungezügelten Blutrünstigkeit, sondern schlicht und ergreifend als Wertschätzung eines bedeutsamen Stilmittels zu verstehen, kann die Visualisierung von Brutalität hier doch gerade dazu dienen, den Schrecken und das Grauen der unvorstellbaren Vorkommnisse in deren vollem Ausmaß zu verdeutlichen und so eine gewisse beklemmende und intensive Grundstimmung aufzubauen, durch welche die Bedrohung wesentlich greifbarer wäre. Von der angeführten Problematik betroffen ist auch der vergleichsweise harmlose Einsatz des Zombie-Make-Ups, welcher beispielsweise meilenweit hinter der ausgezeichneten und oftmals furchteinflößenden Arbeit der Maskenabteilung von «The Walking Dead» zurückbleibt.

Wie eingangs schon erwähnt, macht die Ausrichtung auf die lukrativere US-amerikanische Altersempfehlung ab 13 Jahren all dem einen Strich durch die Rechnung, obgleich diese wohl voll ausgereizt wurde (In Deutschland ist «World War Z» immerhin ab 16 Jahren freigegeben.). Bei einem Produktionsbudget von rund 200 Mio. US-Dollar wird lieber kein Risiko eingegangen, sondern der Gewinn mithilfe der problemlosen Einbeziehung eines breiteren Publikums maximiert. Dabei ist es eine Sache, wenn grundsätzlich mit übermäßigen Gewaltspitzen gegeizt wird. Wenn allerdings entsprechende Geschehnisse tatsächlich stattfinden und sogar von den agierenden Figuren direkt wahrgenommen werden, lediglich die Kameraführung oder der Schnitt dem Zuschauer allerdings ganz bewusst und überdeutlich den Blick darauf verwehrt, nimmt das Ganze schon regelrecht ärgerliche Züge an. Im schlimmsten Fall lenkt dieses Sichtbarwerden außerfilmischer Entscheidungen mitunter gar völlig von der Handlung ab.

Letztere bekleckert sich hinsichtlich ihrer Originalität aber auch nicht gerade mit Ruhm und liefert obendrein nur wenig Antworten auf aufgeworfene Fragen. Gerade angesichts des filmischen Zombie-Overkills, wäre etwas mehr Einfallsreichtum wünschenswert gewesen. Abgesehen von einem kleinen Kniff am Ende, beschränken sich die frischen Ideen noch am ehesten auf das gelegentliche Verhalten der Zombiehorden als eine Art rasender Schwarm. Die dabei aufkeimende interessante Dynamik und Opulenz wird jedoch mehr als einmal durch einen allzu deutlichen, da nicht immer überzeugenden Einsatz von Computereffekten gestört. Da sich die Gesamtdauer solcher Massenszenen allerdings noch in Grenzen hält, findet dies glücklicherweise längst nicht so exzessiv statt, wie es die Trailer im Vorfeld eventuell vermuten ließen. So setzt «World War Z» erfreulicherweise und insbesondere im starken letzten Drittel auch auf ausgedehntere Passagen ohne übertriebene Action, in denen spannungsgeladene Momente groß geschrieben werden und die auch dank wohl dosierter Schockeffekte bestens funktionieren. Wenn die Zombies plötzlich Richtung Kamera springen, entfaltet auch der ansonsten eher unauffällige 3D-Effekt seine volle, kurzzeitig Herzrasen verursachende Wirkung.

Bei «World War Z» überzeugt daher weniger das große Gesamtbild als vielmehr die teils wirklich gelungenen Einzelszenen. Trotz der angesprochenen und bisweilen überaus hinderlichen Defizite, allen voran die überdeutlichen Restriktionen durch eine niedrigere Altersfreigabe, ist es Marc Forster und seinem Team am Ende gelungen, von Beginn an ein rasantes Tempo zu fahren und dabei nur wenige Verschnaufpausen zu lassen. Innerhalb ihrer Möglichkeiten haben sie letztlich doch oft die richtigen Entscheidungen getroffen, was vor allem die übertriebenen und mitunter verbesserungswürdig animierten Massenszenen betrifft, welche die Marketingkampagne dominiert haben. Mehrere äußerst spannend aufgebaute Passagen und Brad Pitts durchweg tadelloses Spiel machen den Film im Hinblick auf seine krisengeplagte Produktionsgeschichte am Ende durchaus zu einer recht positiven Überraschung. «World War Z» mag zwar nicht als waschechter Zombiegenrefilm funktionieren, als unterhaltsamer und massentauglicher Sommerblockbuster aber sicherlich allemal.

«World War Z» ist ab dem 27. Juni in den deutschen Kinos zu sehen.
26.06.2013 09:38 Uhr  •  Markus Trutt Kurz-URL: qmde.de/64578