Peter Rütten: ‚Harald Schmidt zeigt kaum noch Engagement‘

…sagt der ehemalige Chefautor der «Harald Schmidt Show». Wir sprachen mit ihm auch über TV-Käse wie «We Love Lloret» und schlechte Filme.

Herr Rütten, Sie präsentieren ab Freitag um 22.15 Uhr die schlechtesten Filme bei Tele5. Wird denn viel zu viel Käse produziert?

Zur Person: Peter Rütten

Erste Erfahrungen als Comedy-Autor im TV sammelte Rütten in den 80ern bei «RTL Samstag Nacht» oder in der «Dirk Bach Show». Mitte der 90er wurde er Chefautor der Late Night von Thomas Koschwitz, ging dann zu Brainpool und zur «Harald Schmidt Show». Zwischen 1998 und 2003 war er Chefautor. Ein Jahr vor Schmidts "Kreativpause" ging Rütten dann zu «Was guckst du?». Ende 2003 trennte er sich von der Schmidt-Produktionsfirma, arbeitete fortan u.a. für die «Freitag Nacht News» bei RTL. Weitere Engagements bei «Die Niels Ruf Show», «Krügers Woche» und der «Oliver Pocher Show» folgten. Seit Oktober 2012 macht er für Tele5 «Rüttens Bullshit Universum».
Das kann man durchaus so sagen. Man müsste Käse in diesem Sinne aber noch mal näher definieren. Es gibt jedenfalls genug, worüber man sich als Filmfan und –kenner auslassen kann. Man muss auch unterscheiden: Es gibt Filme, die mit einer gewissen Freude und Lust am Scheitern gedreht wurden und dann gibt es Blockbuster, die mit hohem Budget regelrecht versenkt wurden.

Welcher ist denn jetzt der schlechteste Film?
Ich will da nicht nur einen nennen. «Frogs – Die Killer aus dem Sumpf» ist einer meiner Favoriten. Aber auch «Piranhas II – Die Rückkehr der Killerfische» hat gute Chancen, vor allem, weil es nie «Piranhas I» gegeben hat. Was mein Empfinden für schlechte Filme aber geändert hat, ist auch «Battlefield Earth». Hut ab vor so einer Grütze. Es ist schon eine Leistung, was die Autoren aus der Vorlage, dem Buch von Ron Hubbard, gemacht haben. Es gibt übrigens auch schlechte Filme, denen man attestieren kann, dass die Macher zumindest viel gewollt haben, letztlich aber wohl am Budget gescheitert sind. Sie sind dann wenigstens noch liebevoll gemacht.

Wenn wir mal über das Fernsehen sprechen: Wird noch gutes Fernsehen gemacht?
Natürlich. Im Verhältnis zur ganzen Masse selbstverständlich zu wenig. Wenn wir jetzt nur den Comedy-Bereich betrachten, dann haben wir da noch Dittsche, die «heute-show», den ewigen Pastewka und Anke Engelke, die dafür sorgen, dass man da nicht ganz verloren ist. In der Masse ist es schon Scripted Reality, wo man tatsächlich an die Grenze des Idiotischen stößt. Dennoch sollte man nie aufhören auch auf die Blüten hinzuweisen.

Die andere Frage ist doch aber, ob gutes Fernsehen vom Zuschauer überhaupt noch goutiert wird.
Es ist ein bisschen wie die Frage mit dem Huhn und dem Ei. Ich habe damals zu meiner Zeit bei der «Harald Schmidt Show» gemerkt, dass irgendwann immer mehr Leute Einzug gehalten haben, die eine andere Herangehensweise hatten. Ihnen hat das Herzblut für die Qualität im Fernsehen gefehlt. Natürlich hat die damals von Herrn Thoma frei erfundene Zielgruppe einen Teil dazu beigetragen, dass es letztlich von den Senderredakteuren aus nur noch um Quote ging. Es ist eine Generation gekommen, die einfach ziemlich unkritisch mit allem umgeht. Da wächst eine Ballermann-Jugend heran, was sich dann auch in Fernsehformaten wie «We love Lloret», «Villa Germania» oder anderen Geschmacklosigkeiten niederschlägt.

Wer dafür der Motor ist, weiß ich nicht. Keine Ahnung, ob das Publikum wirklich so schlechtes Programm sehen will. Wir hatten damals bei der «Harald Schmidt Show» eine Diskussion, ob wir die Gewinner der ersten «Big Brother»-Staffel zu uns einladen sollen. Ich war dagegen, weil ich der Meinung war und bin, dass wir zu wenige Berührungspunkte mit ihnen hatten. Letztlich hat sich dann Manuel Andrack durchgesetzt und Zlatko war bei uns. Dieser Trash mit Anlauf ist für mich inzwischen relativ langweilig – das sieht man momentan auch an Bushido und anderen Kulturträgern. Wenn man nicht mehr weiß, wo man den Trash-Hebel ansetzen soll, führt es zu einer Nivellierung. Aber Formaten wie «Bauer sucht Frau» stehe ich wirklich ratlos gegenüber.

Sie haben gerade öfter Harald Schmidt angesprochen für dessen Show Sie lange gearbeitet haben. Wie sehen Sie seine Entwicklung?
Wir sind damals als erste Umsetzung einer eigenständigen Late-Night gestartet und haben uns auch relativ schnell freigeschwommen. Und bis heute ist es so, dass Harald Schmidt einfach Late Night ist. Sämtliche Versuche Late-Night mit anderen Köpfen zu machen, haben nicht geklappt. Ich halte Harald Schmidt auch heute noch für den unterhaltsamsten Zyniker des Landes. Deswegen brauchen wir ihn eigentlich jetzt gerade ganz besonders. Aber: Harald zeigt kaum noch Engagement für seine Sendung, ist wohl nicht mehr bereit sich für sein Format zu strecken. Der Weg zu Sky war für mich eine Trotzreaktion mit der er sagen konnte: Ha, ich finde trotzdem noch statt.

Von den schlechten Filmen, Herr Rütten, zur schlechten Comedy. Wo schalten Sie da weg?
Eine schwere Frage. Tom Gerhardt hat mal ganz früher als Assi-Figur sein Programm „Dackel mit Sekt“ gemacht. Das hat mich damals wirklich gerissen. Aber: Er tourte dann vier Jahre später immer noch mit genau diesem Programm durch die Gegend. Das ist etwas, das eine Sarah Silverman aus den USA niemals machen würde. Eine gewisse Wandelbarkeit ist unendlich wichtig. Ich mag diese Mario Barth- und Cindy aus Marzahn-Figuren nicht, die über Jahre hinweg durchgeknüppelt werden. Das sind Komiker mit einem Spielraum von höchstens zwei Millimetern.

Neben den schlechten Filmen machen Sie im Fernsehen künftig was?
Es geht weiter mit dem «Bullshit Universum» bei Tele5 – wir werden bei den neuen Folgen ein Facelifting bekommen. Ich denke, dass ich mich da im Oktober dransetzen werde. Jetzt mache ich mit Oliver Kalkofe erst mal die schlechtesten Filme aller Zeiten und dann brauchen wir zunächst ein wenig mentale Erholung.

Die wünschen wir Ihnen. Danke für das Gespräch.
22.07.2013 11:46 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/65060