Die Kritiker: «Diese Kaminskis»

Drei Halbbrüder, ein Bestattungsunternehmen, null Ahnung: ZDFneo testet im TVLab eine schwarzhumorige Parodie auf Scripted Reality.

Inhalt
Die Halbbrüder Kaminski wittern das große Geld: Die drei ungleichen Gebrüder kauften das Unternehmen eines örtlichen Bestatters auf, der sich aus dem Geschäft zurückgezogen hat. Frei nach der smarten Feststellung, dass jedermann mal stirbt und daher in dieser Branche todsichere Gewinne warten, stürzen sich die unerfahrenen Jungunternehmer direkt in ihre neue Beschäftigung. Mit einem heruntergekommenen Büro und minimaler sowie mangelhafter Ausstattung fällt es den Kaminskis allerdings schwer, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Als dann der gutmütige Peter Mettmann die Bestatter-Novizen damit beauftragt, seine Mutter zu Grabe zu tragen, kommt die erste große Bewährungsprobe für die Gebrüder.

Dass sich diese zur Tortur wandelt, dürfte niemanden überraschen: Bernd ist ein neurotischer, von Phobien geplagter Nervösling, der den Auftraggeber mit übertriebener Anteilnahme erschlägt. Michael ist naiver als die Polizei erlaubt und Marco ein aggressiver, partyversessener Volldepp, dessen Freundin Sandy ein Bilderbuchbeispiel für oberflächliche, sonnenbankgebräunte Blondchen darstellt. Da bräuchte es eine ungeheuerliche Portion Glück, wenn die Kaminskis nicht gleich Konkurs anmelden wollen ...

Darsteller
Peter Bronsema als Peter Mettmann
Nick Hein als Marco Kaminski
Kimberly Michel als Sandy
David Scheller als Michael Kaminski
Steffen Will als Bernd Kaminski

Kritik
Wie kann man das Genre der Scripted Reality besser zu Grabe tragen als mit einer Mockumentary über drei planlose Bestatter? Das von Torsten Fraundorf und Sven Nagel erschaffene und in Zusammenarbeit mit Produzent Rainer Marquass produzierte TVLab-Format «Diese Kaminskis – Wir legen Sie tiefer!» übt sich bis zur Perfektion darin, den Stil solcher ernstgemeinter Dokusoaps wie «Mitten im Leben», «Berlin – Tag & Nacht» oder «Die Geldeintreiber» zu imitieren – dreht inhaltlich aber den Wahnsinn so konsequent hoch, dass diese Farce das ganze Genre seiner Lächerlichkeit preisgibt. Handwerklich unterscheidet sich «Diese Kaminskis» kaum von den die Sendewellen verpestenden Fakedokus: Der sonore Erzähler verkauft selbst idiotischste Momente als weltbewegende Dramen, der Soundtrack besteht aus klischeehaften, das Geschehen kommentierenden Popsongs. Die „dokumentierte“ Handlung wird von kurzen Interview-Statements unterbrochen, durch die die agierenden Personen noch dämlicher wirken. Und zeitweise ragt auch das Angelmikrofon ins Bild.

Phasenweise vollführt «Diese Kaminskis» seine Mimikry der persiflierten Sendungen sogar zu gut – bevor nach rund der halben Laufzeit der Irrsinn richtig aufdreht, können die üblichen Fakedoku-Stilmittel durchaus anstrengend werden, da sie eingangs allein dazu genutzt werden, die billige und pseudodramatische Machart der ihre Hohlheit schwach verdeckenden Sendungen abzubilden. Erst im weiteren Verlauf der Testballon-Ausgabe unterstreicht «Diese Kaminskis» auch stilistisch die Schwächen des beißend parodierten TV-Schrotts.

Die Grundkonstellation dieser „Doku-Sitcom“, wie die Macher ihre Produktion selber beschreiben, ist wiederum ein stimmig geschriebener Kommentar auf Scripted Reality: Die Idee, verpeilte Nichtskönner in einem Beruf zu zeigen, den sie nicht beherrschen, ist diversen Auswanderer- und Nischenberuf-Dokusoaps entliehen. Mit Bernd und Michael Kaminski als ambitionierte, doch ungeeignete Neu-Bestatter sind auch zwei der Hauptfiguren klar diesen Dokuformaten entlehnt. Marco Kaminski, seine Freundin Sandy und ihr gemeinsamer Freundeskreis hingegen bringen in diese Konstellation aber noch einen zünftigen Schuss «Berlin – Tag & Nacht» oder «Köln 50667» rein: Dumm, laut, prollig, stets scharf aufs Partymachen und mit simpelsten Aufgaben überfordert. Gerade bei Marco Kaminski läuft das Drehbuch zur Hochform auf zieht die „Helden“ diverser Proll-Dokusoaps böse, aber herrlich beiläufig durch den Kakao. So schwärmt Marco von einem YouTube-Schminkkurs, bei dem überzüchtete Kleintiere gesundgeschminkt wurden und wendet seine Lektionen bei einer Leiche an – mit einem Wasserfarbenmalkasten unterm Arm. Von solchen Einfällen kann selbst die «Switch reloaded»-Crew noch lernen.

Als Comedyserie über drei nichtsnutzige Bestatter ist «Diese Kaminskis» selbstredend auch mit schwarzem, zynischen Humor bespickt. Da jedoch nicht der Tod, sondern die Dummheit der Hauptfiguren sowie die Lächerlichkeit von Dokusoaps im Zentrum der Pointen stehen, fällt diese TVLab-Sendung, deren Showpate Simon Gosejohann einen selbstironischen, kurzweiligen Gastauftritt absolviert, nicht zu trocken oder geschmacklos aus. Die Gagdichte wiederum ist zwar sehr hoch, da sich die Inszenierung aber sehr nah an den parodierten Vorbildern orientiert und erst auf dem Weg zum Finale mehr Freiraum für Pointen entsteht, gehen einige Gags in der raschen Machart unter.

Dessen ungeachtet ist «Diese Kaminskis» nicht bloß eine TV-Persiflage, die in Zeiten, in denen «Köln 50667» bis zu 15,9 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen errzielt, erschreckende Relevanz aufweist. Sie bietet dank ihrer Figurenkonstellation und dem schwarzhumorigen Bestattungsthema auch sehr viel Potential für weitere Episoden. Eine Fortsetzung ist daher, trotz kleinerer Mängel, ganz klar erwünscht.

ZDFneo strahlt «Diese Kaminskis» am Samstag, dem 24. August, ab 21.45 Uhr im Rahmen des TVLab 2013 aus.
23.08.2013 11:45 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/65680