Die Kritiker: «1913 - Der letzte Tanz des Kaisers»

Die Dokumentation erzähl vom letzten großen Aufbäumen des kaiserlichen Protokolls.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: Broadview TV GmbH
  • Regie: Dag Freyer
  • Kamera: Holger Braune, Jean Schablin und Johann-Odin Schmejkal
Inhalt
Berlin im Mai 1913. Kaiser Wilhelm II. inszeniert eine beispiellose Jubelfeier: die Hochzeit seiner einzigen Tochter Prinzessin Viktoria Luise mit dem Welfenprinzen Ernst August von Hannover. Der Kaiser ruft und der europäische Hochadel kommt - sogar seine Cousins, König George V. von England und der russische Zar Nikolai II. Die drei mächtigsten Monarchen der Welt sind nach Kaiser Wilhelms Überzeugung Garanten für Sicherheit und Frieden in Europa. Das Berliner Stadtschloss wird zur Bühne eines ebenso prunkvollen wie extravaganten Heiratsspektakels.

Doch hinter der glänzenden Festfassade gehen Risse durch das Fundament der „Alten Welt". Die Regierungen erwarten einen großen Krieg und überbieten sich im Rüstungswettlauf. In den Industriestädten drängen ausgebeutete Arbeitermassen aus ihren Elendsquartieren auf die Straßen. Terroristen zielen mit blutigen Attentaten auf das Leben von Monarchen. Ein einziger Vorfall während der Feierlichkeiten könnte Europa in die Katastrophe stürzen - für den Berliner Polizeichef Traugott von Jagow und Oberhofmarschall August Graf zu Eulenburg ist die Hochzeit ein organisatorischer Albtraum. Aber für Wilhelm II. sind Schauspiel und Selbstdarstellung wesentlicher Teil seiner Politik. Das grandiose Vermählungstheater im Preußenstil bis hin zum skurrilsten aller Hochzeitsrituale, dem mittelalterlichen „Fackeltanz", ist ein Tanz auf dem Vulkan.

Kritik
Europa am Vorabend des ersten Weltkriegs: Das letzte große Aufeinandertreffen des deutschen, englischen und russischen Königshauses fand im Mai 1913 anlässlich der Hochzeit von Kaiser Wilhelms einziger Tochter, gut ein Jahr vor dem „großen Kladderadatsch“ statt. Ein hoch interessantes Ereignis, ein hoch interessanter Stoff.

Allein: Was «1913 – Der letzte Tanz des Kaisers» daraus macht, kann nicht immer überzeugen. Zu oft stehen allzu persönliche Verwicklungen im dramaturgischen Zentrum, die die eigentlich bedeutsameren politischen Zusammenhänge narrativ in den Hintergrund drängen. Die meist belanglosen Spielszenen, die es zudem nicht schaffen, das Lebensgefühl der handelnden Personen und der europäischen Öffentlichkeit der Zeit zu transportieren, verstärken diesen Eindruck noch. Ebenso, dass vom eigentlichen Ausbruch des ersten Weltkriegs, auf den hier dramaturgisch eigentlich alles zuläuft, nur als kurze, gehetzte Randnotiz erzählt wird.

Der Grundgedanke der Dokumentation ist durchaus verständlich: Man will die „letzte große Inszenierung“ des Kaiserreichs analysieren. Durch nicht uninteressante Interviews mit renommierten Historikern gelingt das in Teilen auch recht gut. Letztlich vermisst man jedoch eine klarere Einordnung in die übergeordneten historischen Zusammenhänge, die über ein Abgrasen des höfischen Zeremoniells hinausginge.

Das Erste zeigt «1913 - Der letzte Tanz des Kaisers» am Sonntag, den 16. September um 23.30 Uhr.
15.09.2013 13:00 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/66137