Sehr gut gemeint, annehmbar umgesetzt

Mit «Junior Chef» startete kabel eins am Dienstagabend eine sehr gut gemeinte, ehrliche Helfer-Dokusoap, die aufgrund mancher Schnitzer in der Umsetzung etwas hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt.

Ich selbst bin ebenfalls in einem Familienbetrieb aufgewachsen, mein Vater hat ein kleines Unternehmen gehabt. Ich arbeite jetzt zwar für größere Unternehmen, habe mir aber einen gesunden Menschenverstand bewahrt, für das, was Menschen in kleineren Betrieben beschäftigt.
Ebrahim über das Format
Über mangelnde Hilfsbereitschaft im deutschen Fernsehen ist nicht zu klagen: Das Privatfernsehen ist vollgestopft mit Dokusoaps, in denen Probleme jeglicher Art behoben werden. Ob Pfusch am Bau, Ärger bei der Haustierhaltung oder in der Kindererziehung, Probleme bei der Suche nach der wahren Liebe oder Krisen beim Erhalt des eigenen (Gastro-)Betriebs ... Für jedes Wehwehchen gibt es einen passenden Profi. Dass es nicht allen Helferformaten wirklich ums Helfen geht, sondern einige einen größeren Fokus auf die dramatische Ausschlachtung der gezeigten Misere legen, ist daher eine der größten Plagen der derzeitigen Fernsehwelt.

Diese Sünde, dass das Scheitern der vorgestellten Personen inszentorisch mehr wiegt als deren Weg zum Erfolg, tritt zugegebenermaßen vorrrangig bei Kuppel-Dokusoaps in Erscheinung. Dennoch haben die Produzenten von Helferformaten auch generell zu oft auf die Tränendrüse gedrückt oder gar Schadenfreude hervorzurufen versucht, als dass ein kritischer Fernsehbeobachter ohne weiteres sein Misstrauen gegenüber dieses Subgenre abstreifen könnte. Umso erfreulicher, wenn wieder einmal eine neue Dokusoap daherkommt, in der ein Mentor auftritt, der sich nicht in den Vordergrund drängelt, und die sich vornehmlich mit den Sorgen und Hoffnungen der zentralen Privatpersonen befasst - ohne deren Missstand für leicht gemachte Dramatik auszunutzen.

Mit «Junior Chef» startete diesen Dienstagabend bei kabel eins ein weiteres Beispiel für eine löblich geartete Helfer-Dokusoap. Das grundlegende Konzept ist altbekannt (es geht um in Not geratene Betriebe), hat aber einen kleinen eigenen Dreh, durch den auch ein Generationenkonflikt-Aspekt Eingang in die Sendung findet: Die zweistündige Produktion stellt Familienbetriebe aus Deutschland vor, bei denen nicht mehr alles ganz rund läuft. Daher erhält der Nachwuchs der Seniorchefs für eine Woche das Kommando, obendrein ist den Juniorchefs die Unterstützung des Unternehmenscoach Thomas Ebrahim gewiss. In der Premierenfolge greift er der 23-Jährigen Jenny Klein unter die Arme, die in einem beschaulichen Ort bei Neuss zusammen mit ihren Eltern verzweifelt um das Überleben der gemeinsamgeführten Bäckerei kämpft. Discount-Bäckereien und Konkurenz aus der nahe gelegenen Stadt kosten dem über 110 Jahre alten Unternehmen die Kundschaft, und Jennys Eltern Anke und Wiljo sind strikt gegen jegliche Form der Änderung. Jenny wiederum hat allerlei Ideen, wie der Familienbetrieb gegen die Mitbewerber bestehen könnte.

Ebrahims Aufgabe ist es, herauszufinden, inwiefern die Konkurrenz die Familienbäckerei aussticht, und Jenny eine Orientierung zu geben, welche ihrer Ideen umsetzbar sind. Zudem stärkt er als Autoritätsperson der jungen Frau den Rücken, wann immer sich ihre Eltern sträuben, ihren Befehlen zu folgen. Der Unternehmenscoach ist sichtbar engagiert und ordnet in Interviewpassagen das Geschehen für den Zuschauer ein, drängt sich aber nie als Zentrum von «Junior Chef» auf. Stattdessen lässt er Jenny den nötigen Raum, so dass die Rundumerneuerung der Bäckerei als ihre Leistung verstanden wird.

Bevor die Analyse der zu behebenden Mängel im Betrieb beginnt und die Ummodelung der Bäckerei in Angriff genommen wird, blicken die Macher von «Junior Chef» ausführlich auf den Alltag in dem Familienbetrieb. Dieses ausgedehnte Porträt der Familie und ihrer gemeinsamen Arbeitsstätte hebt die Sendung auf eine Laufzeit von zwei Stunden und bremst die Dokusoap enorm aus. Dieser Einstieg macht zwar die Hilfesuchenden detailliert bekannt und sorgt so für einen weiteren Unterschied zwischen diesem Format und dem Genreprimus «Rach, der Restauranttester», allerdings ist er zu schleppend erzählt. Jedes Familienmitglied darf wiederholt mit tränenden Augen erklären, weshalb es an der Bäckerei hängt – was offensichtlich dazu gedacht ist, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Jenny und ihren Eltern aufzuzeigen, in dieser Bandbreite aber haarscharf daran vorbei schrammt, unnötig rührselig zu sein.

Doch auch wenn «Junior Chef» kleine Anlaufschwierigkeiten hat, ist es ein ansehnliches und ehrliches Helferformat mit eigenen Ideen. Mit etwas Feinschliff könnte es für Freunde solcher Programme noch zu einem wahren Einschalttipp werden.

«Junior Chef» ist immer dienstags um 20.15 Uhr bei kabel eins zu sehen.
23.10.2013 08:30 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/66908