Alle wichtigen Serien sind gestartet, nun ist es Zeit für ein großes Zwischenfazit: Welche Neustarts sind gut eingeschlagen, welche Sender haben mit ihren Strategien versagt? Unsere erste Season-Bilanz.
Im US-Fernsehen geht es zu wie bei einem taktisch geprägten Fußballspiel zweier Topmannschaften: Erst einmal ist Abtasten angesagt, niemand will ein Gegentor bekommen. Bei den US-Sendern heißt dies, die ersten Ergebnisse abzuwarten, sprich: den September und Oktober, der fast allen Serien als Anlaufphase zugestanden wird. Sobald im Fußball die ersten Chancen entstehen und das erste Tor geschossen wird, entbrennt ein offener Kampf auf dem Spielfeld – bei den US-Sendern heißt es dann: Serien für volle Staffeln verlängern, erste Flops absetzen, Sendeplätze ändern, Strategien überdenken. Der offene Kampf zwischen den Networks beginnt im November, denn dann stehen in der neuen Season zum ersten Mal die Sweeps an.
Aufgrund der Größe des amerikanischen Fernsehmarktes und der vielen lokalen TV-Stationen werden üblicherweise nur die großen Märkte in die normale Quotenmessung einbezogen. Viermal im Jahr – darunter in den wichtigen Monaten November und Februar – werden allerdings alle Märkte abgefragt: Das Messinstitut Nielsen verschickt dann rund zwei Millionen standardisierte Fragebögen in die Haushalte aller TV-Märkte, auch der kleinen und mittleren. Diese Umfragen, in denen die Haushalte ihr Fernsehverhalten (wer schaut was zur welchen Zeit?) dokumentieren, werden aggregiert ausgewertet und bilden die Grundlage für die Werbepreise der Sender. Weil die Sweeps-Methode umfassender und repräsentativer für die Werbekunden ist, vertrauen sie besonders auf diese Daten. Für die Networks selbst heißt dies, in den Sweeps-Monaten – also auch jetzt im November – ihr Programm möglichst aufgeräumt und optimiert zu präsentieren, damit besonders viele Zuschauer einschalten. Starke Serienplots oder Crossover-Episoden werden daher ebenfalls im November untergebracht. Dies ist auch die beste Zeit, um eine erste Zwischenbilanz der neuen US-Season zu ziehen: Welche Neustarts konnten punkten, wer hat versagt?
ABC (8 Neustarts, 1 Hit)
ABC-Bilanz
Hit: «Agents of S.H.I.E.L.D.»
Flops: «Back in the Game», «Lucky 7», «Betrayal», «Once Upon a Time in Wonderland» Für ABC war die Season 2011/12 recht erfolgreich verlaufen; damals etablierte man mit «Scandal», «Once Upon A Time» und «Revenge» unter anderem drei neue Drama-Formate, die noch heute im Programm zu finden sind. Die vergangene Season verlief weniger stark, mit «Nashville» hatte man nur einen einzigen Drama-Neustart, der für eine weitere Staffel verlängert wurde – obwohl auch hier die Quoten nicht berauschend waren. Weiterhin erhielt die Comedy «The Neighbors» eine neue Staffel, demgegenüber standen zahlreiche Absetzungen wie «Last Resort».
In der neuen Season stand man also unter Druck, zumindest einige neue Hits zu landen. Erfolgreichster Neustart und einziger Hit ist – wie erwartet – die Marvel-Serie
«Agents of S.H.I.E.L.D.», die vor mehr als zwölf Millionen Zuschauern gestartet war. Mittlerweile hat man zwar rund fünf Millionen verloren, fährt am Dienstagabend aber immer noch erfolgreicher als vor einem Jahr mit Reality-Shows. Zufriedenstellend präsentiert sich auch die 80er-Comedy
«The Goldbergs», die im Anschluss an die Superhelden-Serie rund fünf Millionen Zuschauer interessiert. Mittlerweile hat sich das Format eine Fanbase aufgebaut und gilt als einer der besten Comedy-Neustarts. Zuletzt gewann «The Goldbergs» sogar Zuschauer, obwohl «Agents of S.H.I.E.L.D.» zuvor nur in Wiederholung lief – ein Zeichen deutlicher eigener Stärke. Weniger gut sieht es dagegen für
«Trophy Wife» aus, das nach «The Goldbergs» schlechter abschneidet. Auch
«Super Fun Night» enttäuscht: Auf dem Papier ist man zwar der erfolgreichste Comedy-Neustart, mit einem Sendeplatz nach dem Quotenhit «Modern Family» ist dies aber auch nicht schwer. Eine zweite Staffel ist angesichts der in diesem Kontext mauen Zahlen unwahrscheinlich.
Abgesetzt wurden bereits
«Back in the Game» und
«Lucky 7», kurz davor steht zudem
«Betrayal», das vom sonst recht erfolgreichen Drama-Sonntag nicht profitierte. Überraschend schwach zeigt sich auch der Ableger des populären Fantasy-Formats «Once Upon a Time»: Mit rund 4,5 Millionen Zuschauern am Donnerstagabend erreicht man nicht einmal die Hälfte der Zuschauerzahlen, die das Original in seiner Anfangszeit eingefahren hatte. Besonders die Zielgruppen-Quoten enttäuschen,
«Once Upon a Time in Wonderland» läuft sogar noch deutlich schlechter als «Last Resort», das im Vorjahr auf diesem Sendeplatz gescheitert war – Mitte November hatte ABC damals entschieden, die Serie nicht fortzuführen. Insgesamt zeigt ABC keine Verbesserung gegenüber der schwachen Vorjahres-Season: Von bisher acht Neustarts wird nur einer gut, einer akzeptabel angenommen. Sechs Serien müssen mit einer Absetzung rechnen.
FOX (3 Neustarts, 1 Hit)
FOX-Bilanz
Hit: «Sleppy Hollow»
Flop: «Dads»Mit «Fringe» und «House» hat FOX in 2012 und 2013 zwei langjährige und prägende Drama-Formate verabschiedet, die mit dem ambitionierten Kiefer-Sutherland-Neustart «Touch» nicht ersetzt werden konnten – «Touch» wurde mit der vergangenen Season eingestellt. Allerdings hatte man mit «The Following» einen neuen Midseason-Hit, der vielversprechend angenommen wurde und darauf hoffen lässt, dass FOX auch hier wieder ein Format mit langjähriger Zukunft im Programm hat.
In dieser Season hat sich FOX – vielleicht angespornt von der erfolgreichen Midseason-Serie – zahlreiche Neustarts für die kommenden Monate aufgespart, lediglich drei haben im September und Oktober begonnen. Die Erfolgsquote ist beachtlich: Denn von diesen drei Freshman hat man mit
«Sleepy Hollow» (das übrigens als allererster Neustart überhaupt die Network-Season einläutete) einen echten Hit gelandet. Über zehn Millionen Menschen sahen die Premiere des Fantasy-Dramas, mittlerweile sehen noch rund sieben Millionen zu – ein ordentliches Ergebnis. Derzeit ist «Sleepy Hollow» sogar noch die erfolgreichste FOX-Serie, vor den «Simpsons» und «Family Guy».
Im Comedy-Bereich hat der Sender weniger Glück: Mit
«Dads» hat man nicht nur einen inhaltlichen Flop abgeliefert – die Serie gilt als schlechtester Neustart der Season –, sondern auch einen quotenschwachen. Am Dienstagabend um 20 Uhr erreicht das Format mit Seth Green rund 3,5 Millionen Menschen; allein mit der zweiten Episode gingen rund ein Drittel der Premierenzuschauer verloren. Etwas besser schlägt sich direkt im Anschluss der zweite Neustart
«Brooklyn Nine-Nine», der nicht nur von den Kritikern besser angenommen wurde, sondern mittlerweile auch vom Publikum. Zuletzt waren die Quoten vor allem in der Zielgruppe besser als beim Lead-In «Dads», was von eigener relativer Stärke zeugt. Sollte «Brooklyn Nine-Nine» noch zulegen können, stehen die Chancen für eine Verlängerung gar nicht schlecht. FOX könnte dann mit dem Season-Start erst recht zufrieden sein.
CBS (5 Neustarts, 2 Hits)
CBS-Bilanz
Hits: «The Millers» & «Mom»
Flops: «Hostages» & «We Are Men»Die mit Abstand wenigsten Experimente im Programmplan gibt auch diesmal wieder bei CBS: Der Sender hat mit etablierten Quotenrennern wie «The Big Bang Theory», «NCIS» oder jüngst «Under the Dome» viele Sendeplätze bereits besetzt, Neuerungen gab es nur punktuell. Vier Comedy-Neustarts sollten sich beweisen, alle in den etablierten Genre-Blöcken, die CBS am Montag und Donnerstag zeigt. Erfolgreichster Freshman ist bisher
«The Millers», das vom Sendeplatz nach «The Big Bang Theory» profitiert und seine Sache bisher gut macht – zuletzt holte man sogar zehn Millionen Zuschauer ohne neue «Big Bang»-Episode im Vorprogramm. Ähnlich gut läuft es bisher auch für
«The Crazy Ones», das im Anschluss an «The Millers» ausgestrahlt wird und mit Robin Williams sowie Sarah Michelle Gellar prominent besetzt ist. Hier liegt auch der Makel des neuen Formats: Mit zuletzt rund acht Millionen Zusehern ist auch dieser Neustart erfolgreich, doch hätte man sich wohl deutlich mehr erwartet. Gestartet war «The Crazy Ones» vor über 15 Millionen, man hat also mittlerweile fast die Hälfte seines Publikums verloren – eine ernüchternde Quote.
Deutlich besser erging es
«Mom» mit Anna Faris, das am Montagabend nach «2 Broke Girls» zu sehen ist. Im Gegensatz zu «The Crazy Ones» hat «Mom» bisher nur rund ein Fünftel seiner Premierenzuschauer abgegeben und ist der bisher stabilste CBS-Neustart, wenn auch nicht auf höchstem Niveau. Angesichts der Konstanz darf «Mom» durchaus als Hit bezeichnet werden, bei dem eine Verlängerung für eine zweite Staffel nur noch Formsache ist. Denn am Montagabend ist CBS schon seit Jahren auf der Suche nach beständig erfolgreichen Formaten, mit
«We Are Men» hatte man im September ein zweites ins Rennen geschickt, das schon nach zwei Episoden abgesetzt wurde – «Mom» ist das erfolgreiche Gegenbeispiel.
Zweiter echter Flop bei CBS ist der einzige Drama-Neustart
«Hostages». Die Serie interessierte in Erstausstrahlung zuletzt lediglich drei Prozent des jungen Publikums – diese desaströsen Quoten machen auch die sehr guten DVR-Zahlen nicht wett. Auf gleichem Sendeplatz hatte «Hawaii Five-O» im Vorjahr noch deutlich bessere Werte eingefahren. Dennoch bleibt für CBS ein positives Fazit in diesen ersten Season-Wochen: Zwei Flops stehen zwei Hits sowie ein halbwegs erfolgreiches Format gegenüber.
NBC (5 Neustarts, 1 Hit)
NBC-Bilanz
Hit: «The Blacklist»
Flops: «Welcome to the Family», «The Michael J. Fox Show», «Dracula»Die mit Abstand meisten Absetzungen hatte NBC in der vergangenen Season zu verkraften – unter anderem auch mit langjährigen Serien wie «30 Rock» und «The Office», die das Comedy-Genre des Networks über Jahre geprägt haben. Mit neuen Komödien wollte man in dieser Season mainstreamiger werden, funktioniert hat dies bisher keineswegs:
«Welcome to the Family» und
«Sean Saves the World» kommen am Donnerstagabend gegen die erfolgreichen CBS-Sitcoms keineswegs an; die Quoten in diesem Timeslot haben sich gegenüber dem Vorjahr nochmals verschlechtert. «Welcome to the Family» hat NBC daher bereits abgesetzt, «Sean Saves The World» wartet nur noch darauf. Selbst das Vorzeige-Projekt
«The Michael J. Fox Show» reiht sich bei den Flops ein: Nach anfänglich guten 7,5 Millionen Zuschauern hat die Comedy ihre Reichweite mittlerweile mehr als halbiert. Die neue Comedy-Strategie von NBC ist bisher auf ganzer Linie gescheitert.
Besser fährt man mit den beiden Dramen, die bisher an den Start gegangen sind. Die meisten Neustarts spart das Network sich in diesem Genre zwar für die Midseason auf, doch mit
«The Blacklist» hat NBC bereits einen Hit gelandet: Konstant holte man in den vergangenen Episoden eine Reichweite von mehr als zehn Millionen; das Format ist damit das ideale Lead-Out von «The Voice» am Montagabend. Zum Vergleich: Im Vorjahr hatte NBC auf diesem Sendeplatz die Abrams-Serie «Revolution» gezeigt, die zu diesem Zeitpunkt schon nur noch sieben Millionen Zuschauer vorzuweisen hatte. Zweiter Drama-Neustart bei NBC ist
«Dracula» (Foto), das allerdings erst Ende Oktober seine Premiere feierte – schon nach zwei Folgen aber fast zum Scheitern verurteilt ist: Von den 5,3 Millionen Zuschauern zum Start ist mit Folge zwei bereits ein Drittel verloren gegangen, auf ohnehin bereits niedrigem Niveau. Für NBC heißt dies: Vier reine Flops stehen einem echten Hit gegenüber. Dies macht die Situation des Networks nicht viel besser – nun muss man auf die Midseason hoffen.
The CW (3 Neustarts, 1 Hit)
Für den kleinen Sender war die vergangene Season durchaus erfolgreich: Zwei Freshmen wurden verlängert, einer davon war der Quotenhit «Arrow», der sich auf Anhieb als CW’s beliebtestes Programm etablierte. Einen solchen Überflieger hat man in dieser Season zwar noch nicht im Programm, aber erfolgreich ist zumindest ein Format:
«The Originals», das als Ableger von «The Vampire Diaries» zahlreiche Zuschauer gewinnen konnte. Mit regelmäßig mehr als zwei Millionen Zuschauern zeigen sich die Einschaltquoten erstaunlich konstant – und dies, obwohl das Format am Dienstag aus eigener Kraft den Abend um 20 Uhr eröffnet. Die Timeslot-Quoten gegenüber dem Vorjahr, als «Hart of Dixie» den Sendeplatz besetzte, hat man mittlerweile deutlich verbessert.
Weniger erfolgreich zeigen sich die anderen Dramen
«The Tomorrow People» und
«Reign»: Beide Freshmen enttäuschten zuletzt mit rund 1,5 Millionen Zuschauern, obwohl sie die erfolgreichsten CW-Formate als Unterstützung im Vorprogramm hatten. Vor «Reign» zeigt man «The Vampire Diaries», vor «The Tomorrow People» den Superhelden-Hit «Arrow». Vermutlich wird CW hier in der Midseason am Programm schrauben, denn für diese hat man sich die meisten Neustarts aufgehoben.