Die Kritiker: «In einem wilden Land»

Wilder Westen + Sat.1 = Erfolg? Ob diese ungewöhnliche Gleichung aufgeht, wird sich am Dienstagabend zeigen – in jedem Fall erwartet die Zuschauer eine der unkonventionelleren Sat.1-Filmproduktionen. Unsere Kritik.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: Wiedemann & Berg
  • Drehbuch: Rainer Matsutani, Carolin Hecht
  • Regie: Rainer Matsutani
  • Kamera: Gerhard Schirlo
  • Produzenten: Max Wiedemann, Quirin Berg
Inhalt
Schlesien, 1844: Die junge Arbeiterin Mila und ihr Mann Mats stehen an vorderster Front des Weberaufstandes, der vom Militär blutig niedergeschlagen wird. Mats wird tödlich verletzt und nimmt seiner Frau das Versprechen ab, sich in Amerika ein neues Leben aufzubauen.

Mit einer Landurkunde und der Hoffnung auf Freiheit schifft sich Mila nach Amerika ein. Dort organisiert Prinz Carl zu Kronach einen Treck deutscher Siedler nach Texas. Mila will sich anschließen, doch es kommt anders: Sie hilft der jungen Gräfin Hohenberg als die von ihrem gewalttätigen Ehemann Arnim angegriffen wird. Arnim wird schwer verletzt.

Die Frauen fliehen ins Gebiet der Komantschen und geraten in Gefangenschaft des jungen Kriegers Buffalo Hump. Die Indianer wollen die weißen Frauen als Unterpfand für die anstehenden Friedensverhandlungen mit den Texanern nutzen. Und während Mila sich nach und nach bei den Komantschen einlebt, nutzt Cecilie eine günstige Gelegenheit zur Flucht…

Darsteller
Emilia Schüle («Helden») ist Mila Hofmann
Nadja Uhl («Operation Zucker») ist Gräfin Cecilie von Hohenberg
Benno Fürmann («In Darkness») ist Graf Arnim von Hohenberg
Wesley French («Defiance») ist Buffalo Hump
Gojko Mitic (DEFA-Indianerfilme) ist Häuptling Tahmahkera
Thomas Thieme («Rommel») ist Prinz Carl zu Cronach

Kritik
In gewisser Weise scheitert dieser Film an seinem eigenen Anspruch: Bei Western-Filmen denkt man an eine epische Geschichte, an monumentale Landschaftsaufnahmen, an große Soundtracks und an vielschichtige Charaktere, oft Einzelkämpfer, die ihrer rauen Umwelt die Seele einhauchen. Der Sat.1-Film «In einem wilden Land» will all dies auch, realisiert aber vieles davon nur in Teilen.

Grundsätzlich geht es bei der Story, angesiedelt im mittleren 19. Jahrhundert, um den Ausbruch aus sozialen Zwängen, um die Überwindung der eigenen Angst vor dem Fremden – verkörpert durch zwei Frauen, die als deutsche Auswanderer in Texas ihr Glück versuchen, und doch unterschiedlicher nicht sein könnten: Die eine, Mila, ist Weberin und flieht nach dem Tod ihres Mannes vor der Heimat. Die andere, Cecilie, ist adelig; ihr Mann führt den Siedlertrek durch Texas an. Erst in einer misslichen Lage überwinden die Frauen ihre Standesbarrieren: wenn sie von Indianern gefangen genommen werden und unter den „Wilden“ überleben müssen. Cecilie kehrt zu den Siedlern zurück und muss feststellen, dass ihre Landsleute nicht besser sind als die Fremden. Die zierliche Mila zeigt Mut und legt Vorurteile ab, sie bleibt bei den Indianern und beginnt, sich in einen Krieger zu verlieben. Ihr Charakter emanzipiert sich.

Dieser Charakter Mila ist ein erstes Problem dieses Sat.1-Films. Schauspielerin Emilia Schüle schafft es nur graduell, die innere Wandlung ihrer Figur authentisch darzustellen; dieser eigentlich stärkste Charakter des Films wirkt trotz aller Bemühungen oft allzu schwach. Vielleicht sind es die starken Filmfiguren des Western-Genres, die Mila ähnlich sind und die wir immer wieder zum Vergleich heranziehen: Calamity Jane, unter anderem in «Deadwood» großartig porträtiert, Julie Maragon in «Weites Land» oder Jill McBane in «Spiel mir das Lied vom Tod». Macht man sich von diesen – vielleicht unfairen – Vergleichen frei, so weiß man zu schätzen, dass dieser Western nicht das gern strapazierte passive Frauenbild innerhalb des Genres verkörpert, sondern sogar als feministisch gelten kann.

Dagegen bleiben die männlichen Charaktere äußerst eindimensional, allen voran Graf Arnim von Hohenberg, gespielt von Benno Fürmann. Im Laufe des Films kristallisiert er sich als eigentlicher Antagonist heraus, nachdem die Indianer beginnen, mit den Deutschen Frieden zu schließen. Arnim sinnt auf Rache, nachdem er bei einem Spiel gegen Prinz Carl, den Anführer der Siedler, sein Land verliert. Und zudem seine Frau Cecile, nachdem er sie vergewaltigen wollte. Die Figur Arnim hätte man vielschichtiger gestalten können, geprägt von Selbstzweifeln oder Heldenmut. Stattdessen versinkt sie, vielleicht auch aus Zeitgründen, in skrupelloser Eindimensionalität – getrieben von einer einzigen Eigenschaft: Machthunger.

Die punktuellen Authentizitätsprobleme bei den Charakteren werden durch die Atmosphäre des Films jedoch wieder wett gemacht. Zwar wirkt das Küstensetting anfangs, als hätte man an einer unbesiedelten Stelle der Ostseeküste Schleswig-Holsteins gedreht, dieser Eindruck wandelt sich jedoch schnell zum Positiven: Die Sets, aufgebaut bei Kapstadt in Südafrika, vermitteln teils echte Western-Atmosphäre und die gesamte Rekonstruktion des Indianerlebens verdient höchstes Lob: Diese Szenen inmitten der Tipis und mit all den authentischen Indianerkostümen müssen einen Vergleich mit Hollywood fast nicht scheuen. Auch aufgrund der hier starken Schauspieler – unter anderem mit dem „Winnetou des Ostens“, Gojko Mitic, der den Stammeshäuptling verkörpert.

Ebenfalls stark in Szene gesetzt sind die – spärlich gesäten – Actionszenen: Selbst einige Blockbuster-Produktionen schaffen Kampfszenen nicht vernünftig in Szene zu setzen, hier gelingt dies bei einem Kampf zweier Indianerkrieger so gut, dass dem Zuschauer der Atem stockt.

Sat.1 bewegt sich mit «In einem wilden Land» auf wirklich ungewohntem Terrain, und gewinnt damit nur zum Teil: Wer im uramerikanischsten aller Filmgenres, dem Western, punkten will, hat einen hohen Anspruch. Diesem Anspruch wird der Sat.1-Movie, wie anfangs bereits geschrieben, nur punktuell gerecht. Punkten kann man vor allem mit den audiovisuellen Eindrücken, die sich dem Zuschauer offenbaren. Dies tröstet insgesamt über die etwas eindimensionale Charaktere und die klischeebehaftete Story nicht hinweg. Andererseits: Einem passablen Western muss man diese Eigenschaften nicht allzu übel nehmen, vor allem, wenn er aus deutschen Landen kommt.

Sat.1 zeigt «In einem wilden Land» am Dienstag, 12. November 2013 um 20.15 Uhr.
11.11.2013 11:33 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/67270